Seit seinem literarischen Debüt "Fleisch ist mein Gemüse" 2004 ist er ein Stammgast auf der Spiegel-Bestsellerliste. Nun hat Heinz Strunk einen famosen Band mit Kurzprosa veröffentlicht.
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Der Autor Heinz Strunk im Jahr 2022

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"Der gelbe Elefant": Heinz Strunks famoses neues Buch

Seit seinem literarischen Debüt "Fleisch ist mein Gemüse" 2004 ist er ein Stammgast auf der Spiegel-Bestsellerliste. 2022 stand "Ein Sommer in Niendorf" wochenlang auf Platz 1. Nun hat Heinz Strunk einen famosen Band mit Kurzprosa veröffentlicht.

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Wer kennt sie nicht: Menschen, die einen betrunken volllabern mit "beliebigem Infokonfetti" über ihre eigene Wenigkeit; Motivationsgurus mit ihrem vollkommen überkandidelten "Powerwording"; so sehnige wie ausgezehrte sportelnde Rentner, die "Dörrobstopis" gleichen; einsame Herzen, die auf Partys verloren in der Ecke herumstehen "wie ein vergessener Spazierstock". So beschreibt sie Heinz Strunk in seinem neuen ingeniösen Buch "Der gelbe Elefant", einer Sammlung von dreißig Kurz- und Kürzestgeschichten, die der 61-jährige nach seinem Vorjahresbestseller "Ein Sommer in Niendorf" veröffentlicht hat. Es geschieht nicht allzu oft, dass einen deutsche Prosa im allerbesten Sinne erheitert – hier ist das der Fall.

Ein Autor wird gestalkt

Da gibt es zum Beispiel die komische Geschichte "Nachrichten von Carola". Die besteht ausschließlich aus nächtlichen Nachrichten einer Stalkerin an einen Autor des Vornamens Heinz. Die ihm textende "Steinmetzin" ist ziemlich aufdringlich und auf "lachi lachi saufi saufi spaßi spaßi" aus: "Na du? Ich hoffe, du hattest einen schönen Tag. Mögen alle deine Bücher Bestseller werden ... Ich finde dich süß, du hast wunderschöne braune Augen und du lispelst ... Ich hab gelesen, dass du das Leben meistens traurig findest. Nicht traurig sein, ich hab dich lieb."

Der angeschriebene Autor Heinz hat mal ein Buch über den Frauenmörder Fritz Honka geschrieben. Ob Strunk als Autor des Romans "Der goldene Handschuh" selbst mal penetrante Fanpost dieser Art bekommen und die Sache auf fiktivem Wege verarbeitet? "Nicht, dass ich wüsste", entgegnet er im Gespräch. "Die Leute sind eigentlich immer sehr höflich und respektvoll, und diese Art von Stalking unterbleibt bei mir zum Glück."

Eine Verbeugung vor Cormac McCarthy

Seltsame Koinzidenz: Die Titel gebende Geschichte verdankt sich einem Traum, in dem der vor wenigen Tagen erst verstorbene Cormac McCarthy eine Rolle spielt. Strunks Erzähler träumt nämlich, Cormac McCarthy habe ein neues Buch über Inkontinenz bei alten Männern geschrieben, Titel: "Der gelbe Elefant". In seinem privaten Lektüre-Kanon, den Strunk vor einiger Zeit angelegt hat, findet sich auch ein Buch Cormac McCarthys: "Ein Kind Gottes" aus dem Jahr 1973.

Die Düsternis, die Cormac McCarthys literarisches Universum auszeichnet, ist auch Strunks Büchern durchaus zu eigen. Er empfinde das gar nicht so, sagt Strunk im Interview, "ich finde, dass sich da immer genug humorige Passagen finden, die das Elend relativieren. Außerdem bin ich ein ausgewiesener Menschenfreund. Das Misogyne, was mir gelegentlich angedichtet wird, da fühle ich mich ungerecht behandelt." In der Tat wohnt dieser Prosa überhaupt nichts Frauenfeindliches inne. So gnadenlos genau er etwa die letzten Momente im Leben einer auf dem Sterbebett liegenden alten Frau einfängt, so voller Mitleid ist das geschrieben. Strunk verlacht seine Figuren nie, er leidet mit ihnen – so auch mit dem traurigen nerdigen Computerspezialisten, der auf der Party keinen Anschluss findet und verzweifelt an seiner Bierflasche nuckelt.

Von "Blechmaden" und "Gesäßballen"

Überdies erweist sich der erklärte "Humorarbeiter" Strunk ein weiteres Mal als großartiger Wortschöpfer: Für das ausladende, dralle Hinterteil eines Mannes erfindet er das Wort "Gesäßballen". Wohnmobile, die über Autobahnen kriechen, nennt er "Blechmaden". Sind das die Glücksmomente beim Schreiben, wenn einem so ein Wort einfällt? "Wenn einem solche Neologismen in den Sinn kommen, ist das schon die lohnenswerte Essenz des Schreibens", so der Hamburger Autor, der die Liebe zur Kürze und Prägnanz auch auf seine Prägung durch die Musik zurückführt.

"Die kurze Form liegt mir, ich komme ja vom Popsong und Poptext, und die sind ja in der Regel nicht länger als drei Minuten. Auch in meinen Romanen bemühe ich mich um so ein komprimiertes Schreiben." Der körperliche Verfall ist ein Leitmotiv dieser Kurzgeschichten: Da ist dann von Zähnen die Rede, die "unregelmäßig verfärbt sind wie Ziermais", oder von dünnen Senioren-Beinchen, die bei Strunk - was schon ein wahnsinnig akkurates Wort ist - "Pfeifenputzerbeinchen" heißen. Vielen seiner Charaktere gemeinsam ist eine große innere Leere und Einsamkeit.

Taucht auch ein bayerischer Ministerpräsident auf?

Heinz Strunk sagt, er sei einer der letzten Mohikaner, die noch linear Fernsehen gucken. Er macht sich dabei ständig Notizen. Eine seiner Geschichten erzählt von einer Talkshowrunde bei Markus Lanz. In der taucht ein "Landesvater" auf, ein "dickfelliger Ministerpräsident", der jede Breitseite wegsteckt und der "einen geradezu grotesken Watschelgang" hat, mit dem er Konkurrenten und politische Gegner wegwatschelt, niederwalzt, plattmacht". Ähnlichkeiten zu einem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder seinen "rein zufälliger Natur", versichert Strunk.

Botho Strauß ist sein Hausgott

Botho Strauß ist einer von Strunks literarischen Idolen und Hausgöttern. Schon bei seinem Erzählungsband "Das Teemännchen" 2018 musste man an "Paare, Passanten" von Botho Strauß denken. Das ergeht einem beim Lesen des neuen Bandes "Der gelbe Elefant" erneut so: "Meine Geschichten bestehen ja teilweise nur aus wenigen Sätzen, sind fragmentarisch. Dieses Fragmentarische habe ich mir tatsächlich von Botho Strauß abgeguckt. Also das Bemühen, eine Szene einzufangen in vielleicht nur vier Sätzen – manchmal braucht man nicht mehr."

2014 hat Strunk einen Band mit Texten von Strauß herausgegeben, "Der zurück in sein Haus gestopfte Jäger". Damals, so erzählt Strunk, habe kurzzeitig ein schriftlicher Kontakt zum "Autor seines Lebens" bestanden. Leute, die den die Öffentlichkeit scheuenden, zurückgezogen in der Uckermark lebenden Botho Strauß kennen, sagen, er sei ein sehr komischer Mensch. Es gibt den Satz "Never meet your heroes". Hätte Strunk dennoch Lust, ihn einmal zu treffen? "Ja, das wäre schon eine schöne Sache. Ich hätte natürlich Angst, dass ich seinem sehr hohen Intellekt nicht gewachsen wäre. Aber ich denke, er würde mich gnädig empfangen."

Heinz Strunk: "Der gelbe Elefant". 208 Seiten. Rowohlt. Hamburg 2023. 22 Euro

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