Mann liegt in einem Behandlungzimmer oberkörperfrei auf einer Liege, aus der Unschärfe fährt eine Person mit einem Ultraschallgerät über seine Brust.
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Seit fünf Jahren wartet Thomas Krauß aus dem Allgäu auf ein neues Herz. Doch in Deutschland fehlt es an Spenderorganen.

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Warum Deutschland bei der Organspende so schlecht abschneidet

In Deutschland fehlen Tausende Spenderorgane. Die letzten politischen Reformen haben nicht zu dem erhofften Anstieg an Organspendern beigetragen. Dabei zeigen andere europäische Länder wie Spanien und Österreich, wie es besser laufen könnte.

Über dieses Thema berichtet: EUROBLICK am .

Routineuntersuchung für Thomas Krauß im Münchner Uni-Klinikum Großhadern. Alle drei Monate muss der 47-jährige Allgäuer hierher kommen, um sein Kunstherz überprüfen zu lassen. Das trägt er seit drei Jahren in sich, denn sonst könnte er nicht überleben.

Mit dem Kunstherz ist Thomas zwar wieder relativ fit. Wie lange das Gerät in seinem Körper funktionieren wird, ist allerdings ungewiss. Eigentlich bräuchte er ein Spenderherz, doch in Deutschland fehlen Spenderorgane. Die wenigen, die es gibt, gehen an die Patientinnen und Patienten, denen es am schlechtesten geht. Und Thomas geht es momentan "zu gut", um Aussichten auf ein Organ zu haben.

Europaweit steht Deutschland schlecht da

Im europäischen Vergleich belegt Deutschland bei den Organspendezahlen seit Jahren einen Platz im hinteren Bereich. Auch das neue Gesetz zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft - seit März 2022 in Kraft - hat daran nichts geändert.

Wie es besser geht, zeigen andere europäische Länder, in denen Ärztinnen und Ärzte proportional deutlich mehr Organe transplantieren. Spitzenreiter ist seit Jahren Spanien. Dort gab es zuletzt mehr als viermal so viele Organspenden wie in Deutschland. Wie erreicht Spanien diese hohen Spenderzahlen?

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Im europäischen Vergleich liegt Deutschland deutlich abgeschlagen auf einem der letzten Plätze.

Ein eigenes Organspende-Team in jedem Krankenhaus

Die Gründe für Spaniens Erfolge in der Organspende offenbaren sich im spanischen Krankenhaus Puerta de Hierro bei Madrid. Hier treffen sich an einem Dienstagmorgen Klinikmitarbeitende aus verschiedenen Fachbereichen zur Transplant-Besprechung, um sich über die aktuellen Fälle auszutauschen.

Mittendrin sitzt Marina Pérez, die Transplant-Koordinatorin der Klinik. Mit drei Kolleginnen und Kollegen ist sie dafür zuständig, mögliche Organspenderinnen und -spender zu erkennen und die Transplantationen zu koordinieren. Ein solches Team gibt es in jedem spanischen Krankenhaus mit Intensivbetten. In Deutschland gibt es solche Teams in dieser Form nicht.

Früherkennung von potenziellen Spenderinnen und Spendern

Heute ist in dem spanischen Krankenhaus viel zu tun. Auf der Intensivstation liegt gerade ein Patient, der möglicherweise zum Organspender werden könnte: Ein Mann um die 40. Sein Gehirn ist unwiederbringlich geschädigt. Nur die Geräte halten ihn noch am Leben, versorgen seine Organe.

Für Marina Pérez und ihr Team gibt es jetzt zwei Aufgaben, wie sie erklärt: "Wir müssen zuerst mit seinen Ärzten und Krankenpflegern sprechen, um zu entscheiden, welche Organe wir transplantieren können und welche nicht. Und zweitens hängt es davon ab, was seine Familie dazu sagt."

Niemand soll Spender wider Willen werden

Ein großer Unterschied zwischen Spanien und Deutschland: Bei uns wird nur Organspender, wer sich im Laufe seines Lebens aktiv dafür entscheidet. In Spanien dagegen gilt die Widerspruchsregelung, die das Gegenteil zum Standard macht: Dort sind alle Menschen zunächst potenzielle Organspender, es sei denn, sie entscheiden sich aktiv dagegen. Bei der Recherche zeigt sich immer wieder, dass diese Regelung auch zu einem Umdenken in der Gesellschaft führt.

Doch auch Marina Pérez und ihr Team wollen sicherstellen, dass niemand gegen seinen Willen zum Organspender wird. Daher haben sie ein Treffen mit den Angehörigen des Patienten vereinbart. Schließlich hätte sich seine Meinung zur Organspende bis kurz vor dem Unfall noch ändern können.

Pfleger David ist speziell geschult für solche Gespräche und sagt: "Die Familie kennt den Patienten am besten. Also sprechen wir immer, immer, immer mit den Angehörigen." Wenn sich in dem Gespräch gleich herausstellt, dass der Patient vermutlich gegen eine Organspende gewesen wäre, stoppt das Team die Arbeit: "Die Familie kann immer noch nein sagen, bis zum letzten Augenblick, kurz bevor man in den OP geht."

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Günther W. ist mit seiner Frau zum Vorgespräch ins Allgemeine Krankenhaus Wien gekommen, um über seine Chancen auf eine neue Lunge zu sprechen.

Ländervergleich: Deutschland, Österreich und Spanien in der Europareportage

In Wien treffen wir den schwerkranken Günther W., der dringend eine neue Lunge benötigt. Seine Ärzte sind zuversichtlich, denn auch in Österreich ist die Zahl der Organspender um einiges höher als in Deutschland, weil auch dort die Widerspruchsregelung gilt. Doch wie bald kann Günther W. die lebensrettende neue Lunge transplantiert werden?

Wird die Familie des Patienten in Spanien einer Organentnahme zustimmen? Und welche Überraschung Herzpatient Thomas Krauß bei seiner Untersuchung im Uni-Klinikum erfährt, all das zeigt die Reportage "Von Europa abgehängt: Deutschlands Versagen bei der Organspende".

Video: Deutschlands Versagen bei der Organspende

Organspendeausweise (Symbolbild)
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Deutschlands Versagen bei der Organspende

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