Im Vordergrund eine Siedlung mit Hausdächern, auf denen Solaranlagen angebracht sind. Im Hintergrund sind Windräder zu sehen (Symbolbild)
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Im Vordergrund eine Siedlung mit Hausdächern, auf denen Solaranlagen angebracht sind. Im Hintergrund sind Windräder zu sehen (Symbolbild)

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Verbände kritisieren Bundesregierung in Sachen Klimaschutz

Nachdem sich abzeichnet, dass Deutschland seine Klimaziele verfehlt, haben etliche Verbände von der Bundesregierung ein Umlenken "auf Klimakurs" verlangt. Die Forderungen reichen von einem Gasausstieg bis zu Tempolimits und einem höheren CO2-Preis.

Angesichts eines drohenden Scheiterns beim Erreichen der deutschen Klimaziele rufen Verbände die Bundesregierung zum Umsteuern auf. Ein entsprechendes Schreiben haben mehr als vierzig Einrichtungen und Verbände unterzeichnet, darunter die Arbeiterwohlfahrt, der Bund für Umwelt und Naturschutz und der Verkehrsclub Deutschland.

Am Dienstag hatte der Expertenrat für Klimafragen der Bundesregierung erneut bescheinigt, dass ihr Maßnahmenprogramm für mehr Klimaschutz nicht genüge, um die festgesteckten Klimaziele für das Jahr 2030 zu erreichen. Bis dahin müsste Deutschland 65 Prozent weniger Treibhausgase ausstoßen als 1990. Probleme bereiten dabei insbesondere der Verkehr und der Gebäudesektor.

Scholz soll Kabinett "auf Klimakurs bringen"

"Wir fordern Bundeskanzler Olaf Scholz auf, sein Kabinett endlich auf Klimakurs zu bringen und das Erreichen der Klimaziele bis 2030 sicherzustellen", erklärte die Geschäftsleiterin Politik des Dachverbands Klima-Allianz Deutschland, Stefanie Langkamp. FDP-Verkehrsminister Volker Wissing sei "ein Totalausfall" für den Klimaschutz.

"Das unzureichende Programm ist ein erneuter Rechtsbruch in Bezug auf das Klimaschutzgesetz", sagte Langkamp. Mit dessen geplanter Reform durch die Regierung - also der vorgesehenen Aufgabe von konkreten Sektorzielen zugunsten einer Gesamtbetrachtung - wolle die Ampel-Koalition die Vorgaben sogar noch weiter abschwächen.

Die Liste der Forderungen ist lang

In ihrem Papier fordern die Unterzeichner unter anderem einen Kohleausstieg bis 2030 nicht nur wie bislang geplant im Westen, sondern in ganz Deutschland. Analog dazu verlangen sie einen Plan für einen Gasausstieg.

Die Verbände sprechen sich auch für ein Tempolimit von 120 Stundenkilometern auf Autobahnen und von 80 km/h auf Landstraßen aus. Zudem müssten klimaschädliche Subventionen abgebaut werden, etwa bei Dienstwagen oder der Besteuerung von Kerosin im Luftverkehr. Bei der energetischen Sanierung von Gebäuden sei mehr Tempo nötig.

Für einen höheren Co2-Preis

In der Landwirtschaft müsse mehr klimaschädliches Methan vermieden werden, etwa durch eine Reduzierung der Tierbestände vor allem in Stallhaltung, so die Unterzeichner. Zugleich müssten weniger Fleisch- und Milchprodukte hergestellt werden. Um entsprechende Anreize zu schaffen, könne die Mehrwertsteuer angepasst und eine bessere Kennzeichnung eingeführt werden.

Zudem solle der CO2-Preis, der Heizen und Tanken mit fossilen Brennstoffen teuer macht, schneller ansteigen. Spätestens ab 2024 müsse auch das von der Ampel-Koalition geplante Klimageld kommen, das Bürgerinnen und Bürger im Gegenzug entlasten soll. Ein System dafür soll es aber erst ab 2025 geben.

Umweltverbände: Breite Lücke zwischen Ziel und Wirklichkeit

Bereits gestern hatten Umweltverbände von der Ampel-Koalition mehr Engagement für den Klimaschutz gefordert. Die Geschäftsführerin des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Antje von Broock, hatte nach Bekanntwerden der Stellungnahme des Expertenrates dekonstatiert, es klaffe in der deutschen Klimapolitik noch eine gewaltige Lücke zwischen Ziel und Wirklichkeit.

Die Ampel-Regierung müsse schnell ein belastbares Konzept vorlegen, wie sie ihre Klimaschutzziele erreichen wolle. Aktuell entspreche das Klimaschutzprogramm nicht einmal gesetzlichen Anforderungen. Von Broock mahnte zugleich, bei den Maßnahmen stärker soziale Fragen zu berücksichtigen. "Die breite Zustimmung in der Bevölkerung wird daran hängen, ob Klimaschutz gleichzeitig auch gute Lebensbedingungen erhält", sagte sie.

"Vernichtendes Urteil" des Expertenrats

Der Präsident des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu), Jörg-Andreas Krüger, sprach von einem "vernichtenden Urteil" des Expertenrates. Dieses komme nicht überraschend. Die Bundesregierung verweigere wirksamere Lösungen. Als Beispiele nannte der Nabu-Präsident das Fehlen von Änderungen bei der Dienstwagenregulierung sowie von nationalen Mindesteffizienzstandards für die energetisch schlechtesten Gebäude.

Die Klimaschutzbewegung Fridays for Future beklagte die Aufgabe der Sektorenziele bei der Treibhausgasminderung. Damit solle vertuscht werden, dass Deutschland gerade im Verkehrssektor schon seit Jahren meilenweit hinterher hänge und dass gerade dort auch unpopuläre Maßnahmen nötig seien, um die Klimaschutzziele zu erreichen, sagte Annika Rittmann von Fridays for Future dem TV-Sender phoenix.

Mit Informationen von dpa

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