Eine Mutter und ihr Kind stapeln Münzen auf einem Tisch vor sich (Symbolbild)
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Eine Mutter und ihr Kind stapeln Münzen auf einem Tisch vor sich (Symbolbild)

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Kindergrundsicherung wird teurer als bisher bekannt

Die von Familienministerin Lisa Paus geplante Kindergrundsicherung wird teurer als bisher bekannt. Laut einem Referentenentwurf sollen die Kosten bis 2028 auf mindestens 5,7 Milliarden steigen. Der Streit um das Projekt geht unterdessen weiter.

Aus dem Referentenentwurf, der dem Redaktionsnetzwerk Deutschland vorliegt, geht hervor, dass die Gesamtkosten der vorgesehenen Kindcergrundsicherung von 3,45 Milliarden Euro im Jahr 2025 auf 4,52 Milliarden Euro im Jahr 2026 steigen. Im Folgejahr werden 5,1 Milliarden Euro veranschlagt und 2028 dann 5,7 Milliarden Euro.

Von den Kosten 2028 entfallen 4,12 Milliarden Euro auf den Bund und 1,98 Milliarden Euro auf die Länder. Die Gemeinden werden zugleich um 400 Millionen Euro entlastet. Die jährliche Steigerung ergibt sich laut Gesetzesbegründung allein dadurch, dass die erwartete Inanspruchnahme der Kindergrundsicherung durch betroffene Familien zunehmen dürfte, und zwar 2026 auf 50 Prozent, 2027 auf 55 Prozent und 2028 auf 60 Prozent der Antragsberechtigten.

Auch neue Kosten sind nur eine Untergrenze

Alle Berechnungen basieren dabei allerdings auf den derzeit gültigen Leistungshöhen. "Die dargestellten Kosten beruhen auf den bekannten Daten und Leistungshöhen des Jahres 2023 und sind noch nicht auf die Folgejahre fortgeschrieben", heißt es im Entwurf. Die Fortschreibung solle erst "im Zuge der Ressortabstimmungen" vorgenommen werden. Das heißt, dass auch die nun angegebenen Kosten nur eine Untergrenze darstellen und wahrscheinlich noch steigen.

Der Finanzminister zweifelt am Konzept

Die Kindergrundsicherung soll bisherige familienpolitische Leistungen zusammenfassen und das Verfahren für deren Bezug erleichtern, die Höhe der Leistungen soll zugleich steigen. Die entsprechenden Pläne von Familienministerin Paus (Grüne) werden seit Monaten insbesondere zwischen ihr und Bundesfinanzminister Christian Linder (FDP) kontrovers diskutiert.

Lindner streitet mit Paus über die Höhe der Mittel für die Grundsicherung. In seinem Haushaltsentwurf sind für die Kindergrundsicherung ab dem übernächsten Jahr bisher lediglich zwei Milliarden vorgesehen. Am Wochenende hatte der Finanzminister in diesem Zusammenhang Zweifel am Konzept der Kindergrundsicherung angemeldet. Er wolle gerne diskutieren, wie man diesen Kindern und Jugendlichen am besten helfen könne, erklärte Lindner, der Kinderarmut maßgeblich bei Zuwandererfamilien verortete.

Kinderarmut habe seit 2015 deutlich zugenommen, sagte Lindner und stellte die Frage, ob den betreffenden Kindern und Jugendlichen geholfen sei, wenn man "den Eltern mehr Geld aufs Konto überweist". Es müsse diskussionswürdig sein, statt dessen eher "in die Sprachförderung und Integrationsfähigkeit der Eltern zu investieren" und Kitas zu stärken.

FDP: "Transferleistungen nicht x-beliebig erhöhen"

Nun warnte die FDP erneut vor pauschalen Leistungserhöhungen durch die Kindergrundsicherung. "Wenn Frau Paus die Kindergrundsicherung benutzt, um Transferleistungen insgesamt x-beliebig zu erhöhen, dann können wir das nicht unterstützen", sagte der FDP-Sozialpolitiker Jens Teutrine dem digitalen Medienhaus "Table Media".

Die FDP schlägt laut dem Bericht ein Kinderchancenportal vor, auf dem Familien Hilfen etwa für Schulausflüge oder Mensaessen beantragen könnten. "Mit der Gießkanne löst man dieses Problem nicht", sagte Teutrine.

SPD-Fraktionsvize: "Debatte ist längst entschieden"

Der SPD-Fraktionsvize Sönke Rix wies die Einwände der FDP zurück und sprach von einer "Debatte, die längst entschieden ist". Wenn Lindner wieder den kompletten Ansatz infrage stellt, sei das "schon verwunderlich", so Rix: "Wir haben uns in der Koalition gemeinsam auf die Kindergrundsicherung verständigt. Sie wird kommen und sie ist auch das richtige Instrument", erklärte er in der "Rheinischen Post".

Rix warf Lindner vor, Kinderarmut falsch darzustellen. Diese gebe es in vielen Formen, "Arbeitslosigkeit der Eltern, niedrige Löhne, unsichere Jobs, Alleinerziehende, familiäre Krisen oder Bildungsungleichhei" könnten Auslöser sein. Nicht alle betroffenen Familien würden aber auf Leistungen wie das Bürgergeld zurückgreifen, für sie müsse es "leichter werden, die ihnen zustehenden Leistungen auch in Anspruch zu nehmen". Der Anstieg der Kinderarmut könne nicht ignoriert werden.

Auch SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert warf der FDP vor, sich an einem "Pappkameraden" abzuarbeiten, da die Kindergrundsicherung längst vereinbart sei. Mit der überflüssigen Debatte würden die Menschen nur unnötig verunsichert, weil die FDP den Eindruck erwecke, die Diskussion stehe erst am Anfang, sagte Kühnert bei einer Veranstaltung in Hannover.

Wirtschaftsinstitut: Anreiz zur Arbeit nicht verringern

Entsetzt über Lindners Aussagen zeigte sich der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, Ulrich Schneider. Der "Stuttgarter Zeitung" sagte er, es sei "unsäglich", arme Kinder in Deutschland gegen Kinder auszuspielen, die mit ihren Familien geflüchtet seien. Auch von Bildungsverbänden kam Kritik.

Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) unterstützte Lindners Vorstoß dagegen. Das effektivste Mittel gegen Kinderarmut sei, dass die Eltern vernünftige Jobs hätten, sagte der IW-Arbeitsmarktexperte Holger Schäfer der "Rheinischen Post". Es sei "eminent wichtig, darauf zu achten, dass durch höhere Transferleistungen nicht der Anreiz zur Arbeitsaufnahme verringert wird". Die Politik solle von Kürzungen bei Sprachtrainings und Weiterbildungsangeboten für Bürgergeld-Empfänger absehen.

SPD-Chefin Esken: Einigung bis nächste Woche

Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken zeigte sich trotz der heftigen Diskussion in der Ampel-Regierung davon überzeugt, dass bis zur Klausurtagung der Bundesregierung in der kommenden Woche eine Einigung erzielt werden kann. "Die offenen Fragen werden bis zur Kabinettsklausur mit Sicherheit ausgeräumt sein", sagte sie der dpa. Das Gesetz zur Kindergrundsicherung werde wie vorgesehen zum 1. Januar 2025 umgesetzt.

Umgesetzt wird nach Eskens Worten auch das Wachstumschancengesetz von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), das wegen der ungeklärten Finanzierung der Kindergrundsicherung in der vergangenen Woche von Familienministerin Paus blockiert worden war.

"Nur noch Debatten im Detail"

In beiden Fällen gebe es nur noch "Debatten im Detail über das Volumen und die Ausgestaltung", sagte Esken. "Die Bekämpfung von Kinderarmut und gute Zukunftschancen für alle Kinder ebenso wie die Stärkung der Wirtschaft - das sind Vorhaben, die wir in der Ampel gemeinsam befürworten und gemeinsam vorantreiben" ,erklärte sie.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich bereits darauf festgelegt, dass der am vergangenen Mittwoch geplatzte Kabinettsbeschluss zu Lindners Gesetzentwurf bis Ende August - also nächste Woche Donnerstag - nachgeholt werden soll. Am kommenden Dienstag kommen Scholz und seine 16 Bundesminister auf Schloss Meseberg bei Berlin zu einer zweitägigen Klausurtagung zusammen.

Mit Informationen von dpa, KNA und AFP

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