Markus Söder und Friedrich Merz
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Unions-Weihnachtswünsche: Söders Bedingung und Merz' Ambitionen

Aus einem Gefühl der Stärke heraus träumen CDU und CSU vom raschen Machtwechsel im Bund – sind aber uneinig, mit wem sie regieren sollen. CSU-Chef Söder stellt obendrein eine Bedingung für eine neue Koalition, doch die SPD winkt prompt ab.

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Große Unzufriedenheit in der Bevölkerung mit der Politik der Ampel-Regierung, zugleich steigende Umfragewerte für die Union - CSU-Chef Markus Söder sieht die Voraussetzungen für einen Machtwechsel auf Bundesebene gegeben.

"Wir liegen in Umfragen weit vorne und sind etwa so stark wie alle drei Ampelparteien zusammen", sagte Söder der Deutschen Presse-Agentur (dpa) und erneuerte seine Forderung, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) solle "die Vertrauensfrage vor der Bevölkerung" stellen. Nach dem Willen des CSU-Vorsitzenden sollte es am 9. Juni gleichzeitig zur Europawahl auch eine vorgezogene Bundestagswahl geben.

Obwohl Vertreter von SPD, Grünen und FDP diese Forderung wiederholt klar abgelehnt hatten, stellt Söder bereits Bedingungen für eine neue Koalition im Bund, die aktuell gar nicht zur Debatte steht. "Eine Regierungsbeteiligung der CSU kann es nur geben, wenn die Wahlrechtsänderungen rückgängig gemacht werden", betonte der bayerische Ministerpräsident. "Das ist Grundbedingung für eine Koalition."

SPD: Söder geht es nur um Sicherung des eigenen Vorteils

Vom SPD-Bundestagsfraktionsvize Dirk Wiese kommt umgehend ein 'Nein': "Söder geht es nur um die Sicherung des eigenen Vorteils", schrieb er auf "X" (früher: Twitter). Denn das vorherige Wahlrecht habe insbesondere die CSU einseitig bevorteilt. "Gut, dass wir diese wichtige Reform verabschiedet haben. Das wäre mit Söder nie möglich gewesen."

Das neue Bundeswahlrecht hatte die Ampel gegen heftigen Widerstand der Union durchgesetzt, um die Größe des Bundesparlaments zu begrenzen. Für die Zahl der Sitze einer Partei ist künftig allein ihr Zweitstimmenergebnis entscheidend. Damit droht der CSU folgendes Szenario: Sie könnte über die Erststimmen mehr als 40 Wahlkreissieger in Bayern stellen, bei einem bundesweiten Zweitstimmenergebnis von weniger als fünf Prozent aber dennoch ohne einen einzigen Bundestagsabgeordneten bleiben.

Obwohl die CSU nur in Bayern antritt, lag ihr bundesweiter Zweitstimmenanteil bisher stets oberhalb der fünf Prozent - 2021 mit 5,2 Prozent aber denkbar knapp. Die Union hofft, dass das Bundesverfassungsgericht die neue Regelung kippt.

Merz und Söder uneins: Mit wem regieren?

Wie Söder hofft auch der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz, dass die Union schon vor 2025 wieder Regierungsverantwortung im Bund übernehmen kann. Auch Merz bekräftigte im dpa-Interview, dass sich im Fall eines Scheiterns der Ampel der 9. Juni gut für eine vorgezogene Neuwahl eignen würde. Als Ziel gibt Merz aus, dass die Union nach der nächsten Wahl stark genug sein müsse, um "mindestens zwei Optionen zu haben, mit wem wir dann in eine Regierung gehen können". Darüber, wer der neue Regierungspartner sein sollte, gehen die Ansichten in der Union allerdings auseinander.

Hatte sich Söder in den vergangenen Wochen mehrfach für eine Neuauflage der Großen Koalition mit der SPD ausgesprochen, sieht Merz ein solches Bündnis skeptisch: "Ganz offen gestanden: Meine größte Sympathie hat das nicht", stellte Merz klar. Es sei "ohnehin die Frage: Reicht das überhaupt rechnerisch noch mit einer sich weiter so marginalisierenden SPD für eine Koalition?" Die SPD liege mittlerweile bei 14 Prozent. Eine Große Koalition könne man mit einer solchen Partei keine mehr bilden. Die Union kam im jüngsten ARD-Deutschlandtrend auf 32 Prozent. Zweitstärkste Partei war die AfD mit 21 Prozent, die Grünen lagen bei 15, die FDP bei 4 Prozent.

Auch über die Grünen äußert sich Merz anders als Söder. Während der CSU-Chef ein Bündnis mit der Partei strikt ausschließt, hat Merz "im Augenblick eher vom menschlich-emotionalen eine gewisse Präferenz" für die Grünen. In der Sache seien die Unterschiede trotzdem sehr, sehr groß, sagte der CDU-Vorsitzende. "Wenn die Grünen bei dieser Wirklichkeitsverleugnung bleiben, bei diesem Realitätsverlust bleiben, dann wird es sehr, sehr schwer." Die Frage müsse aber nach der Wahl beurteilt werden. Eine Koalition mit der FDP sei rechnerisch derzeit keine realistische Option.

K-Frage schon entschieden?

Offen ist bisher auch, wer die Union als Kanzlerkandidat in die nächste Bundestagswahl führen soll - unabhängig davon, wann diese stattfinden wird. Einen Machtkampf wie 2021 wird es nach Einschätzung des Berliner CSU-Landesgruppenchefs Alexander Dobrindt dieses Mal nicht geben. "Der Zusammenhalt zwischen CDU und CSU steht für uns im Vordergrund, und das wird sich auch bei der Entscheidung über den Kanzlerkandidaten zeigen", sagte Dobrindt der dpa.

Die Entscheidung über den Kanzlerkandidaten der Union werde "zur rechten Zeit getroffen, auch im Lichte dessen, wie man die größten Erfolgschancen für die Union organisieren kann". Aber der CDU-Vorsitzende Merz sei "der Favorit", sagte der CSU-Politiker.

Aus Sicht des sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) ist die K-Frage dagegen schon entschieden - zugunsten von Merz. "Ja, das denke ich", sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Friedrich Merz ist Vorsitzender der CDU und der Unionsfraktion im Bundestag - und wird von Markus Söder, Alexander Dobrindt und mir sehr unterstützt bei einer Kandidatur."

Wüst pocht auf vereinbarten Zeitplan

Dagegen erinnerte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) an den vereinbarten Zeitplan: "CDU und CSU werden die Frage wie verabredet gemeinsam im Jahr vor der Bundestagswahl im Miteinander klären", sagte Wüst, der ebenfalls als möglicher Anwärter gehandelt wird, der "Bild am Sonntag".

Auf die Frage, ob er sich Merz als Kanzlerkandidaten wünsche, antwortete Wüst ausweichend: "Ich wünsche mir, dass wir als Union es der Chaos-Ampel nicht zu leicht machen, indem wir selbst Personaldebatten zur Unzeit führen. Deshalb leiste ich da selbst keinen Beitrag."

2021 hatten sich Söder und der damalige CDU-Vorsitzende Armin Laschet einen harten Machtkampf um die Kanzlerkandidatur geliefert. Söder musste sich letztlich geschlagen geben. Bei der Bundestagswahl stürzte die CSU auf ein historisch schlechtes Ergebnis ab.

Wirtschaft lehnt Neuwahl ab

Derweil lehnen Wirtschaftsverbände trotz der Unzufriedenheit mit der Ampel-Politik eine vorgezogene Bundestagswahl ab. "Durch Neuwahlen würde nach meiner persönlichen Einschätzung vor allem viel Zeit ins Land gehen - durch eine Hängepartie, Wahlkampf und wachsende Unsicherheiten", sagte der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Peter Adrian, der Nachrichtenagentur Reuters.

Ähnlich äußerte sich auch der Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), Dirk Jandura: "Es braucht nicht noch mehr Unruhe durch Neuwahlen, sondern eine Regierung, die sich der Realität stellt." Mit Wahlen würden die aktuellen Herausforderungen nicht gelöst.

Die Präsidentin des Verbands "Die Familienunternehmer", Marie-Christine Ostermann, mahnte, Deutschland habe mit Blick auf die diversen großen Aufgaben keine zwei Jahre mehr zu verschenken, in denen Stillstand nur verwaltet werde. Allerdings habe das Grundgesetz aus guten Gründen hohe Hürden für ein vorzeitiges Ende der Wahlperiode gesetzt. "Da sehe ich derzeit nicht, wie Neuwahlen möglich werden könnten", sagte Ostermann.

Welche Voraussetzungen gibt es für eine Neuwahl?

Regulär steht erst im Herbst 2025 die nächste Bundestagswahl an. Dass die Ampel die Weichen für vorgezogene Neuwahlen stellt, zeichnet sich aktuell nicht ab. Formal gesehen kann die Ampel-Regierung der Bevölkerung keine Vertrauensfrage stellen, wie Söder es verlangt. Das Grundgesetz formuliert klare Bedingungen für eine vorgezogene Neuwahl: Voraussetzung ist eine Auflösung des Bundesparlaments durch den Bundespräsidenten, die wiederum ebenfalls an Bedingungen geknüpft ist.

Im aktuellen Fall müsste Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Bundestag die Vertrauensfrage stellen. Würde er die Mehrheit verfehlen, könnte laut Grundgesetz der Bundespräsident auf Vorschlag des Bundeskanzlers den Bundestag auflösen.

Könnte die Bundestagswahl zeitgleich mit der Europawahl stattfinden?

Damit der von Söder und Merz vorgeschlagene Zeitplan gelänge, müsste sich Kanzler Scholz mit der Vertrauensfrage noch fast drei Monate Zeit lassen. Denn laut Grundgesetz hat der Bundespräsident nach einer gescheiterten Vertrauensfrage 21 Tage Zeit, den Bundestag aufzulösen. Anschließend muss innerhalb von maximal 60 Tagen ein neuer Bundestag gewählt werden.

Damit am 9. Juni mit dem Europaparlament auch ein neuer Bundestag gewählt werden könnte, dürfte der Bundeskanzler frühestens am 20. März die Vertrauensfrage stellen. Eine Verlängerung der Fristen ist nicht vorgesehen, eine Verkürzung dagegen ist möglich. Im Bundeswahlgesetz heißt es, dass das Bundesinnenministerium im Fall einer Auflösung des Bundestags die festgelegten "Fristen und Termine durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates abzukürzen" darf. Laut Bundeswahlleiter fand eine vorgezogene Neuwahl des Bundestags bisher dreimal statt: 1972, 1983 und zuletzt 2005.

Mit Informationen von dpa und Reuters.

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