Ein Fotoreporter trägt bei einer Demonstration einen Aufnäher "PRESS", um sich als Journalist zu kennzeichnen.
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Ein Fotoreporter trägt bei einer Demonstration einen Aufnäher "PRESS", um sich als Journalist zu kennzeichnen.

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Pressefreiheit weltweit stärker bedroht, Deutschland steigt ab

Medienschaffende geraten in vielen Ländern immer häufiger in Gefahr. Das ist die Bilanz von "Reporter ohne Grenzen" zum Tag der Pressefreiheit. Auch Deutschland fällt zurück und zählt nicht mehr zu den Top 20.

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Die Organisation "Reporter ohne Grenzen" (ROG) veröffentlicht regelmäßig eine Weltkarte der Pressefreiheit. Wer sie sich anschaut, sieht viele rot markierte Länder. Das bedeutet, dass es hier Probleme für Journalistinnen und Journalisten gibt. In zwei Drittel aller Staaten ist die Situation mindestens angespannt. "Krisen, Kriege und die anhaltende Ausbreitung des Autoritarismus haben dazu geführt, dass die Lage der Pressefreiheit im vergangenen Jahr so instabil war wie seit langem nicht", erklärt Anne Renzenbrink von Reporter ohne Grenzen. Viele Regierungen und gesellschaftliche Gruppen versuchten, kritische Berichterstattung zu unterbinden.

Angespannte Lage in Belarus

Ein Land, das auf der Karte dunkelrot markiert wurde, ist Belarus. Dort hat die Journalistin Maria Savushkina lange für ein Medien-Startup gearbeitet, das politische Satire-Videos auf YouTube und in den sozialen Netzwerken veröffentlichte. "Uns ging es gut, bis die belarussischen Behörden Druck auf uns ausübten und wir dann auch Drohungen bekamen, dass sie uns verhaften würden", erinnert sich Savushkina. Sie floh daraufhin erst in die Ukraine und dann, nach dem russischen Angriff, nach Deutschland.

Dass die 45-jährige bald wieder in Belarus als Journalistin arbeiten kann, ist unrealistisch. In der ebenfalls von Reporter ohne Grenzen erstellten Rangliste der Pressefreiheit liegt das Land, das Staatspräsident Alexander Lukaschenko autoritär regiert, weit hinten - auf Platz 157.

Viel Bewegung in Rangliste – Türkei rutscht ab

Insgesamt werden in der Rangliste 180 Länder miteinander verglichen. In der Statistik für 2023 sind dabei zum Teil deutliche Auf- und Abstiege zu sehen. Dies unterstreicht, wie unsicher die Pressefreiheit in vielen Staaten ist. Besonders deutlich ist die Türkei abgerutscht, nämlich um 16 Plätze. Sie liegt jetzt auf Platz 166 und damit sogar hinter Belarus oder Russland. Über dreißig Medienschaffende sind in der Türkei in Haft. So viele wie in wenigen anderen Ländern weltweit.

Im vergangenen Jahr wurde dazu auch ein vage formuliertes Desinformationsgesetz erlassen. Wer als "falsch" eingestufte Nachrichten verbreitet, dem drohen bis zu drei Jahre Haft. Vor den Wahlen im Mai nehmen die Repressionen in der Türkei nochmal zu, beobachtet ROG-Mitarbeiterin Anne Renzenbrink.

Deutschland relativ weit vorne, aber nicht ohne Probleme

Im Vergleich zum Vorjahr hat sich Deutschland noch etwas verschlechtert, liegt allerdings immer noch auf Platz 21. Die Kategorie ist zwar mit "zufriedenstellend" überschrieben - aber auch hierzulande sieht Reporter ohne Grenzen große Schwierigkeiten für Journalistinnen und Journalisten. Die Zahl der körperlichen Angriffe hat laut der Organisation den höchsten Stand seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 2015 erreicht.

Anne Renzenbrink nennt dies eine "erschreckende Feststellung". 103 Attacken wurden im Jahr 2022 registriert (2021: 80, 2020: 65). Die meisten der Angriffe fanden im Zusammenhang mit Demonstrationen statt, die einen extrem rechten oder verschwörungsideologischem Hintergrund hatten.

Die Angriffe gegen Medienschaffende und andere zeigten, dass wir in gesellschaftliches Problem haben, sagt Michael Busch.
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Die Angriffe gegen Medienschaffende und andere zeigten, dass wir in gesellschaftliches Problem haben, sagt Michael Busch.

Asiatische Regime besonders restriktiv

Auffällig ist, dass die Staaten am Ende der Rangliste der Pressefreiheit vor allem in Asien liegen. In Vietnam, das auf dem drittletzten Platz 178 liegt, werden Bloggerinnen und Blogger Reporter ohne Grenzen zufolge massiv verfolgt. Sie seien oft die letzten unabhängigen Berichterstatter. Die Jagd auf sie sei "fast abgeschlossen", so das bittere Fazit der Organisation.

Ähnlich kritisch ist die Lage in China. Das Land liegt auf dem vorletzten Platz 179. Über 100 Medienschaffende sollen hier inhaftiert sein. Dabei betont Anne Renzenbrink, dass China auch gezielte Desinformationskampagnen im eigenen Land, aber auch weltweit, lanciert. So könne das Vertrauen in unabhängige Medien gezielt untergraben werden. So gut wie gar keine freie Berichterstattung erlaubt Nordkorea. Die kommunistische Diktatur ist das Schlusslicht der Rangliste und liegt auf Rang 180.

Lichtblicke in Europa

Es gibt aber auch positive Entwicklungen. So konnten sich die Niederlande in der Rangliste deutlich verbessern. Unter anderem weil der Mord an dem Investigativ-Journalisten Peter de Vries schnell und transparent aufgeklärt wurde, so Reporter ohne Grenzen. Auch in vielen osteuropäischen Ländern sind die Arbeitsbedingungen für Journalistinnen und Journalisten besser geworden. Am besten sind sie laut der Rangliste in Norwegen. Dahinter folgen Irland und Dänemark.

So entsteht die Rangliste der Pressefreiheit

Die Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen vergleicht die Situation für Journalisten und Medien in 180 Staaten und Territorien. Die Rangliste stützt sich auf fünf Indikatoren: Neben Sicherheit sind dies politischer Kontext, rechtlicher Rahmen, wirtschaftlicher Kontext und soziokultureller Kontext. Die Ergebnisse werden in jedem Land durch eine qualitative Untersuchung mittels Fragebögen sowie eine quantitative Erhebung zu Übergriffen ermittelt.

Mit Informationen von dpa

Im Audio: Gespräch mit dem Vorsitzenden des Deutschen Journalisten-Verbandes

Gespräch mit Frank Überall, Vorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbandes, zum Tag der Pressefreiheit
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Frank Überall, Vorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbandes

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