Prof. Armin Nassehi
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Soziologe Nassehi: Corona-Proteste vergiften Diskurs

Die derzeitigen Corona-Proteste gefährden nach Ansicht des Soziologen Prof. Armin Nassehi nicht die Demokratie. Diese könne das aushalten. Allerdings habe die Protestbewegung erreicht, den Diskurs zu vergiften, sagte Nassehi im Bayern 2-Interview.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Die Corona-Proteste wie beispielsweise zuletzt in München gefährden nach Ansicht des renommierten Soziologen Armin Nassehi nicht die Demokratie. Der Soziologe lehrt an der LMU München und ist stellvertretender Vorsitzender des Bayerischen Ethikrates.

Bei nicht genehmigten Corona-Protesten waren gestern an verschiedenen Orten Gruppen von Demonstrierenden durch München gezogen. Hunderte Impfkritiker hatten sich in München ein "Katz-und-Maus-Spiel" mit der Polizei geliefert.

Die Demokratie könne das aushalten, betonte Nassehi. "Die Demokratie ist nicht gefährdet. Was gefährdet ist, ist vielleicht eine Situation, in der wir tatsächlich ernsthaft und kontrovers über die Fragen diskutieren können, um die es derzeit geht." Der Grund: "Weil ständig diese Kakophonie daneben ist." Insofern habe diese Bewegungen auch ein gewisses Ziel erreicht, den Diskurs, den es da gibt, zu vergiften, so der Soziologe.

Straftaten und Gewalt nicht tolerierbar

Mit Blick auf die Kritik der Demonstranten, man lebe in einer Diktatur, betonte er: "Wären wir wirklich in einer Diktatur, könnten die Leute nicht diese Dinge behaupten, die sie dort behaupten. Wir müssen auch die schützen, die himmelschreienden Unsinn und Dummheiten erzählen." Nicht zu tolerieren seien allerdings Aufforderungen zu Straftaten, die Anwendung von Gewalt und das Infragestellen der Verfassung.

Nassehi: Protestbewegungen wirkt lauter und größer

Armin Nassehi weist darauf hin, dass es sich bei den Protestbewegungen um "eine relativ kleine Gruppe handelt". Diese sehe lauter und größer aus, als sie eigentlich seien. "Ich finde es durchaus richtig, dass der Staat sich da nicht vorführen lässt", so Nassehi über die Polizeipräsenz gestern in München.

Es sei ein demokratisches Recht, staatliche Maßnahmen zu kritisieren und auch dagegen zu protestieren, betonte er. "Wir haben natürlich Stress in der Gesellschaft wegen der Pandemie-Maßnahmen", so Nassehi. Das nutze ein Milieu nun, indem es eine allgemeine Systemkritik formuliere.

Herrmann: "Bin sicher, dass der Rechtsstaat sich behaupten kann"

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) zeigte sich am Mittwochabend im Interview mit den ARD Tagesthemen zuversichtlich, dass der Rechtsstaat den Corona-Demonstrierenden gewachsen sei.

Ohnehin sei es seiner Meinung nur eine Minderheit, die sich auf den Protestmärschen gewaltbereit zeige, sagte Herrmann. Da dürfe man nicht alle in einen Topf werfen. Viele Demonstrationen verliefen völlig problemlos. Wenn die Lage aber eskaliere, dann müsse sich die Polizei der Gewalt entgegenstellen. "Der Rechtsstaat lässt sich von solchen Leuten nicht überrumpeln", bekräftigte der bayerische Innenminister.

Problematisch sei, dass bei den Protesten immer wieder Menschen aus "extremen Randbereichen" wie Reichsbürger, Querdenker, bekannte Rechtsextremisten der NPD oder des dritten Weges mitmarschierten. Diese versuchten, Gewalt in die Proteste zu tragen, so Herrmann. Friedliche Demonstranten müssten sich davon distanzieren. Die Haltung sei "nicht so klar, wenn man mit Extremisten unterwegs ist."

Man werde die Lage weiter beobachten, erklärte Herrmann. Exzesse wie in Sachsen oder Attentatskomplotte, da fange der Terrorismus an. Der Verfassungsschutz habe das sorgfältig im Auge. Er könne nicht ausschließen, so Herrmann weiter, dass extreme Situationen weiter zunähmen.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) ist zuversichtlich, dass der Rechtsstaat den Corona-Demonstrierenden gewachsen ist.
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Bayerns Innenminister Herrmann hat Demonstranten aufgefordert, sich klar von Extremisten zu distanzieren.

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