Bundeskanzler Olaf Scholz hält an der Karls-Universität eine Rede. Er steht an einem Rednerpult.
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Bundeskanzler Olaf Scholz spricht sich in einer Rede an der Karls-Universität in Prag für ein neues Luftverteidigungssystem aus.

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Scholz will neues Luftverteidigungssystem für Europa

Bei seinem Besuch in Tschechien zog Bundeskanzler Olaf Scholz weitere Konsequenzen aus dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine: Europa müsse militärisch mehr in die Luftverteidigung investieren und auch wirtschaftlich unabhängiger werden.

Bundeskanzler Olaf Scholz will gemeinsam mit europäischen Nachbarn ein neues Luftverteidigungssystem aufbauen. Ein solches System "wäre ein Sicherheitsgewinn für ganz Europa", sagte der SPD-Politiker am Montag in einer Rede an der Karls-Universität in Prag. Zudem wäre es kostengünstiger und leistungsfähiger, als wenn jeder seine eigene, teure und hochkomplexe Luftverteidigung aufbaue. Details nannte Scholz zunächst nicht. Das Vorhaben gilt als Antwort auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, der inzwischen mehr als ein halbes Jahr dauert.

Scholz kündigt Investitionen in die Luftverteidigung an

Deutschland werde in den kommenden Jahren erheblich in die Luftverteidigung investieren, kündigte Scholz an. Dies solle von Beginn an so gestaltet werden, dass sich europäische Nachbarn beteiligen könnten. Konkret nannte er die Niederlande, Polen, die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen, Tschechien, die Slowakei sowie die Partner in Skandinavien.

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"Erheblicher Nachholbedarf" in Europa

In Europa habe man bei der Verteidigung gegen Bedrohungen aus der Luft und aus dem Weltraum "erheblichen Nachholbedarf", sagte Scholz. Alle neuen Fähigkeiten sollten auch im Nato-Rahmen einsetzbar sein. Das Geld für die Investitionen könnte aus dem bereits angekündigten 100-Milliarden-Euro Topf kommen, mit dem Scholz in den kommenden Jahren die Bundeswehr modernisieren und stärken will.

Luftwaffenchef begrüßt Vorstoß

Der Inspekteur der Luftwaffe, Generalleutnant Ingo Gerhartz, hat den Vorstoß von Bundeskanzler Olaf Scholz für ein gemeinsames neues Luftverteidigungssystem in Europa willkommen geheißen. "Ich kann das als Luftwaffen-Chef nur begrüßen", sagte der Generalleutnant am Montag am Rande eines Besuchs auf der estnischen Luftwaffenbasis Ämari. "Gerade im Bereich der Luftverteidigung und auch der Bodenunterstützung der Luftverteidigung macht das sicherlich Sinn, dass die Europäer sich hier zusammentun. Dass wir Fähigkeiten konsolidieren."

Israelisches Arrow 3-System gilt als Favorit

Als wahrscheinliche Option gilt bei der Bundeswehr die Anschaffung des israelischen Systems Arrow 3. "Es muss letztlich die Politik entscheiden, was wir kaufen", sagte Gerhartz. "Aber gerade bei diesem System wäre es möglich auch aufgrund der Reichweiten, dass sich hier andere europäische Nationen, insbesondere europäische Nationen in Richtung des Ostens, daran beteiligen". Sollte Deutschland es erwerben, könnte "ein erstes System sogar schon 2025 in eine erste Funktionsfähigkeit gehen", sagte der deutsche Luftwaffen-Chef.

Scholz: "Mittelfristig ein echtes EU-Hauptquartier"

Als Konsequenz aus dem Ukraine-Krieg plädierte Scholz zudem für deutlich stärkere Anstrengungen für die gemeinsame Verteidigungspolitik der EU. Dafür brauche es "mittelfristig ein echtes EU-Hauptquartier" und ab 2025 eine schnelle Eingreiftruppe. Scholz bekräftigte, dass Deutschland für die geplante Einheit mit rund 5.000 Soldaten zu Beginn den "Kern" stellen will.

Friedensversprechen der EU weiterentwickeln

Allgemein sagte der Kanzler mit Blick auf den russischen Angriff auf die Ukraine, "Nie wieder Krieg" zwischen den Mitgliedstaaten sei das Ziel der Europäischen Union gewesen. Heute sei es an der Gemeinschaft, dieses Friedensversprechen weiterzuentwickeln - indem man die EU in die Lage versetze, ihre Sicherheit, Unabhängigkeit und Stabilität auch gegenüber Herausforderungen von außen zu sichern.

EU müsse unabhängiger werden und Antworten auf "Zeitenwende" geben

Als Konsequenz aus dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine fordert Scholz eine deutlich stärkere und wirtschaftlich unabhängigere EU. Es brauche "europäische Antworten auf die Zeitenwende", sagte Scholz in einer Europarede an der Prager Karls-Universität. Dafür müsse Europa etwa bei der Halbleiter-Produktion und in der Verteidigungspolitik autonomer werden.

Konkret forderte Scholz eine "Strategie 'Made in Europe 2030'". Im Vergleich mit dem Silicon Valley oder chinesischen und japanischen Anbietern müsse sich Europa "an die Spitze zurückkämpfen", sagte er. Viele Rohstoffe wie Lithium, Kobalt oder Nickel seien in Europa vorhanden.

Scholz für Erweiterung der EU

Scholz sprach sich grundsätzlich für die Aufnahme der Ukraine, Moldaus sowie der westlichen Balkanstaaten in die EU aus und perspektivisch auch Georgien. Dafür brauche es aber Reformen in der EU, etwa ein Ende des Vetorechts in der Außenpolitik, sowie schlanke Institutionen. Sonst drohten "kafkaeske Verhältnisse", warnte der Kanzler.

Mit Material von dpa und AFP

Bundeskazler Olaf Scholz weilt derzeit zum Staatsbesuch in Tschechien.
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Bundeskazler Olaf Scholz weilt derzeit zum Staatsbesuch in Tschechien.

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