Eine Hand hält in einem Versuchsfeld des Landwirtschaftlichem Technologiezentrum Augustenberg bei Forchheim einen Maiskolben.
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Eine Hand hält in einem Versuchsfeld des Landwirtschaftlichem Technologiezentrum Augustenberg bei Forchheim einen Maiskolben.

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Schöne neue Pflanzenwelt: EU will Gentechnik-Regeln lockern

Brüssel will den Weg für bestimmte gentechnisch veränderte Pflanzen in der Landwirtschaft freimachen. Das Ziel sind resistentere Pflanzensorten. Lob kommt vom Bauernverband, Gentechnik-Gegner zeigen sich entsetzt.

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Nach langen Diskussionen hat die Europäische Kommission ihren Gesetzentwurf zur Gentechnik in der Landwirtschaft vorgestellt. Die Behörde empfiehlt darin weitreichende Lockerungen für bestimmte mit Gentechnik gezüchtete Pflanzenarten.

Der Gesetzestext sieht vor, dass Lebensmittel auf Basis gentechnisch veränderter Pflanzen in Zukunft nicht mehr gekennzeichnet werden müssen, wenn die Veränderungen auch natürlich oder durch konventionelle Züchtungen entstehen könnten. Konkret geht es um sogenannte Neue Genomische Verfahren (NGT), mit denen präzise Eingriffe an der DNA einer Pflanze möglich sind.

Hoffnung auf resistentere Pflanzensorten

Die Kommission erhofft sich durch NGT-Verfahren neue Pflanzensorten, die sich besser an klimatische Veränderungen anpassen können, weniger Wasser benötigen oder resistenter gegenüber Krankheiten sind. Zudem sollen schneller neue Sorten auf den Markt kommen.

Strengere Regeln sind hingegen weiterhin für Pflanzen vorgesehen, die komplexer genetisch bearbeitet worden sind und nicht mehr gleichzusetzen sind mit konventionellen Züchtungen. Sie müssen gekennzeichnet und einer Risikobewertung unterzogen werden. Für die ökologische Landwirtschaft soll indes weiterhin ein komplettes Verbot jeglicher Gentechnik gelten.

EU sieht viele Vorteile in neuen Gentechnik-Regeln

Die EU-Kommission hält die strengen Vorschriften aus dem Jahr 2001 für überholt. Brüssel erhofft sich von der Neuregelung weniger Abhängigkeit von Lieferanten aus Drittstaaten und mehr Nachhaltigkeit auf Europas Äckern und Feldern. EU-Kommissionsvize Frans Timmermans erklärte: "Wenn eine Pflanze von Anfang an widerstandsfähiger gegen Dürren oder Schädlinge ist, kann sie zunehmenden Klimaextremen standhalten und benötigt weniger Pestizide, um zu wachsen und zur Ernährung beizutragen." Verbraucherinnen und Verbraucher bekämen nach Darstellung der Kommission Lebensmittel mit besserem Geschmack, höherem Nährwert und weniger allergieauslösenden Stoffen geboten.

Brüssel verweist auf Drittstaaten, wo mit neuer Gentechnik erzeugte Produkte schon auf dem Markt sind oder gerade entwickelt werden: weniger bitteres Senfgemüse, Bananen, die nicht braun werden, glutenarmer Weizen, virusresistenter Mais. Die Kommission hält die neuen Verfahren für sicher und beruft sich dabei auf Gutachten der EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit. Eine öffentliche Datenbank und ein Sortenkatalog sollen Transparenz schaffen.

Bundesumweltministerin hält Vorschlag für "falsch"

Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) kritisierte die geplanten Lockerungen umgehend. Sie halte es für "falsch", wenn "große Mengen an gentechnisch veränderten Pflanzen ohne vorherige Risikoprüfung und ohne Kennzeichnung für die Verbraucherinnen und Verbraucher auf die Äcker und damit letztlich in die Supermärkte gebracht werden".

Auch dem Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament, Martin Häusling, gehen die Lockerungen zu weit: "Die sogenannte neue Gentechnik ist und bleibt eine Risikotechnologie mit ungewissem Ausgang", erklärte er. Sie müsse sich einem strengen Zulassungsprozedere unterziehen.

Lob vom Bauernverband

"Das ist für die EU eine Zäsur und der gefährliche Abschied vom lange gelebten Vorsorgeprinzip", kritisierte der Präsident des Biobauernverbandes Bioland, Jan Plagge. Verbraucherinnen und Verbrauchern würden so die Augen verbunden, während Saatgut-Konzerne von den Lockerungen profitierten.

Lob für den "pragmatischen Vorschlag der Kommission" gab es hingegen vom Deutschen Bauernverband, der die konventionelle Landwirtschaft vertritt. "Mit den neuen Techniken können züchterische Innovationen schneller in der Praxis ankommen." Durch eine effektivere Züchtung könne auch der Einsatz klassischer Pflanzenschutzmittel reduziert werden.

Offene Patentfragen

Kritik von mehreren Seiten gab es an bisher fehlenden Lösungen für Patentfragen. So gut wie alle NGT-Pflanzen seien patentiert, erklärte die österreichische Umweltorganisation Global 2000: "Die EU-Kommission ignoriert die enge Verstrickung von Patenten und Neuer Gentechnik und spielt damit globalen Saatgutkonzernen in die Hände".

Der Kommission sei bewusst, dass ein ausgewogener Rahmen geschaffen werden müsse, der Landwirten und Züchtern den Zugang zu patentierten Verfahren erleichtere, hieß es aus Brüssel. Die Behörde werde daher im Rahmen einer "breiteren Marktanalyse" die Auswirkungen der Patentierung auf die Pflanzenzüchtung prüfen.

Mit Informationen von AFP und Reuters

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