US-Präsident Joe Biden und sein Sohn Hunter auf dem Rückweg von Camp David, 26.06.2023
Bildrechte: Andrew Hamik/AP

US-Präsident Joe Biden und sein Sohn Hunter Biden im Juni 2023 bei der Rückkehr ins Weiße Haus.

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Revanche der Republikaner: Impeachment gegen Präsident Biden

Hat Joe Biden in seiner Zeit als Vize-Präsident von den Auslandsgeschäften seines Sohnes Hunter profitiert? Ex-Präsident Trump und seine Anhänger erheben seit langem den Vorwurf. Jetzt wird ein Amtsenthebungsverfahren gegen Biden angestrebt.

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Es war nicht eine Frage, ob der ranghöchste Republikaner im US-Repräsentantenhaus Kevin McCarthy ein Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Joe Biden einleiten würde – sondern nur wann. Zu groß war in den eigenen Reihen der Druck auf den "Speaker of the House", als dass sich McCarthy hätte anders entscheiden können.

McCarthy zunehmend unter Zugzwang

Unter den republikanischen Gefolgsleuten von Ex-Präsident Trump im Repräsentantenhaus gab es im Verlauf der vergangenen Wochen und Monaten nur eine zentrale Forderung an McCarthy: Entweder er leite das Impeachment-Verfahren gegen Joe Biden ein oder er werde als Sprecher des Repräsentantenhauses abgewählt.

Ex-Präsident Trump, gegen den zwei Impeachment-Verfahren während seiner Amtszeit verhängt worden waren, warnte die Republikaner im Repräsentantenhaus im August in aller Deutlichkeit: "Entweder wird der Penner angeklagt, oder versinkt in Vergessenheit!"

Um ihrem Drängen weiteren Nachdruck zu verleihen, drohten die Trump-Getreuen unter den republikanischen Abgeordneten mit einer Totalblockade bei der bevorstehenden Verabschiedung des nächsten US-Haushalts. Darüber muss bis Ende September abgestimmt werden. Die republikanische Abgeordnete Marjorie Taylor-Greene, eine der glühendsten Anhängerinnen Donald Trumps im Kongress, machte Ende August aus ihren Absichten keinen Hehl: "Ich werde für den Haushalt nicht stimmen, es sei denn, wir haben ein Amtsenthebungsverfahren eingeleitet."

"Kultur der Korruption"

Unmittelbar nach Zusammentritt des US-Kongresses im Januar 2023 nutzten die republikanischen Abgeordneten ihre neu gewonnene Mehrheit im Repräsentantenhaus, um den Vorwürfen parlamentarisch nachzugehen, die Donald Trump seit langem erhoben hatte: Profitierte der Sohn von Joe Biden, Hunter Biden, in der Zeit von 2009 bis 2017 von seinem Vater, der damals Vize-Präsident unter Barak Obama war? Konnte Hunter Biden nur deswegen millionenschwere Honorare von einem ukrainischen Energieunternehmen und chinesischen Firmen erhalten, weil er seinen Geschäftspartnern Kontakte zu seinem einflussreichen Vater vermittelt hatte?

"Im Zuge unserer Ermittlungen haben wir ernste und glaubwürdige Vorwürfe gefunden", wie Kevin McCarthy am Dienstag die Gründe für die Einleitung des Amtsenthebungsverfahrens gegen Präsident Biden zusammenfasste. Diese Vorwürfe "zeichnen ein Bild der Kultur der Korruption", so der Sprecher des Repräsentantenhauses weiter.

Biden habe in Bezug auf seinen Sohn gelogen

Joe Biden habe von den Geschäftsbeziehungen seines Sohnes Hunter gewusst und gegenüber "dem amerikanischen Volk gelogen". Damit bezog sich McCarthy auf eine TV-Debatte zwischen Biden und Trump vor den Wahlen 2020. Darin hatte Biden gesagt, dass sein Sohn keine Einkünfte aus China bezogen und er zudem keinen der ukrainischen Geschäftsleute getroffen hätte, mit denen sein Sohn in Kontakt gestanden habe.

Beide Aussagen stellten sich später als unzutreffend heraus. Aber taugten diese Anschuldigungen überhaupt, so fragen sich besonnene republikanische Abgeordnete, ohne stichfeste Beweise für eine persönliche Bereicherung von Joe Biden? Das sei zu keinem Zeitpunkt auch nur im Entferntesten nachgewiesen worden.

Skeptische Stimmen im republikanischen Lager

Moderate Republikaner haben da ihre Zweifel: Der Abgeordnete Ken Buck aus Colorado stellte schon am letzten Wochenende fest: Zum jetzigen Zeitpunkt gebe es "keine starke Verbindung zwischen den Beweisen gegen Hunter Biden und den Beweisen gegen den Präsidenten". Deshalb konzentriere er sich mehr auf die Themen, die den Amerikanern sehr am Herzen lägen. Und zudem: Das Amtsenthebungsverfahren hätte ohnehin keine Chance auf Erfolg.

Denn im US-Senat würden dies die Demokraten mit ihrer Mehrheit verhindern. Im Senat müssen zwei Drittel der Senatoren für eine Amtsenthebung stimmen, um einen amtierenden Präsidenten aus dem Weißen Haus zu befördern. Auch andere republikanische Kongressabgeordnete bleiben skeptisch. So weit seien sie noch nicht und müssten zusätzliche Beweise sehen, bevor sie ein Impeachment-Verfahren unterstützen würden. Das dürfte auch der Grund gewesen sein, weshalb Kevin McCarthy, der Speaker of the House, keine offene Abstimmung im gesamten Repräsentantenhaus zugelassen hat, sondern die Untersuchungen an drei Ausschüsse delegiert hat.

Aus Sorge, keine Mehrheit für den Antrag auf Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens zustande zu bringen. Die Republikaner verfügen mit 218 Mandaten nur über eine hauchdünne Mehrheit im Repräsentantenhaus. Zu offensichtlich wäre die Blamage gewesen. Sie hätte gezeigt, wie gespalten die Republikaner in dieser Frage sind.

Vater und Sohn

Joe Biden sei nie darin gut gewesen, nein zu sagen, schreibt mit David Ignatius ein sehr respektierter US-Journalist am Mittwoch in der "Washington Post". Ignatius kennt Biden seit vier Jahrzehnten und schätzt ihn nach eigenen Worten außerordentlich. Biden habe bei der Auswahl seiner Vize-Präsidentin Kamela Harris nicht nein sagen können, weil Harris eine ehemalige Kollegin seines 2015 verstorbenen, ältesten Sohnes Beau gewesen sei. Beau Hunter und dessen jüngere Bruder Hunter Biden hatten als Kleinkinder miterleben müssen, wie ihre Mutter und ihre Schwester 1972 bei einem Autounfall starben.

Während Beau, der ältere der beiden Söhne, strebsam und erfolgreich den Weg seines Vaters einschlug, Jurist wurde, dann Generalstaatsanwalt in Bidens Heimat-Bundesstaat Delaware, im Irak-Krieg diente, konnte der jüngere Bruder diese Erwartungen nicht erfüllen. Nach dem Tod seines Bruders Beau verlor Hunter Biden zeitweilig die Kontrolle über sein Leben, wurde drogenabhängig, kam seiner Steuerpflicht nicht nach und – ging Geschäftskontakte mit dubiosen Firmen in der Ukraine und China ein. "Du weißt hoffentlich, was du da machst", habe Joe Biden seinen Sohn damals ermahnt.

David Ignatius macht heute im Rückblick die versöhnliche Haltung des Präsidenten und dessen Unfähigkeit, "nein" sagen zu können, für die jetzigen Politprobleme Joe Bidens verantwortlich: Biden hätte seinen Sohn davon abhalten sollen, in den Aufsichtsrat eines ukrainischen Energiekonzerns zu gehen – zu einem Zeitpunkt, zu dem der damalige US-Vize-Präsident für die Kontakte zur Ukraine zuständig war. Oder chinesische Firmen gegen stattliche Honorare zu vertreten. "Und er (Joe Biden) hätte auf jeden Fall Hunters Versuchen widerstehen müssen, Geschäftskunden damit zu beeindrucken, Papa ans Telefon zu bekommen."

Trumps Rache

Ex-Präsident Donald Trump hatte schon zu Amtszeiten den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj geradezu erpresst, angebliche Kenntnisse der ukrainischen Geheimdienste über die Geschäftstätigkeit von Bidens Sohn Hunter preiszugeben. Andernfalls würde er sich die weitere US-Militärhilfe für die Ukraine noch überlegen.

Nach seiner Wahlniederlage 2020 drängte Trump seine Partei samt Kongressmitgliedern dazu, Beweise für die angeblich "korrupte Biden-Familie" zu finden. Obgleich gegen Trump inzwischen an vier verschiedenen Gerichtsorten Strafverfahren eröffnet worden sind, in denen ihm unter anderem Verschwörung gegen die Vereinigten Staaten vorgeworfen wird, sucht Trump unvermindert, den Fokus von sich abzulenken und auf Präsident Biden zu richten.

Trump droht mit Impeachment-Verfahren

So hielt Trump in den Wochen vor Bekanntgabe des Amtsenthebungsverfahrens gegen Biden nach Angaben der "New York Times" enge Kontakte zu zahlreichen republikanischen Kongressabgeordneten. Stets mit der Aufforderung, seinen Kontrahenten endlich mit dem zu überziehen, was er zweimal erlebt hat: einem Impeachment-Verfahren.

Am letzten Sonntag habe Trump mit Marjorie Taylor-Greene zum Abendessen eingeladen. "Ich habe ihm von der Strategie berichtet, die ich mir für das Impeachment-Verfahren vorstelle", sagte die stramm rechtsradikale Abgeordnete der "New York Times" anschließend. Zwei Tage später, am Dienstag, gab der Sprecher des Repräsentantenhauses McCarthy die längst erwartete Entscheidung bekannt. Gegen US-Präsident Joe Biden werde ein Amtsenthebungsverfahren angestrebt.

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