Fahrgast wartet am Bahnsteig
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BR24 Drangeblieben: Pünktlichkeit der Bahn im Fernverkehr

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BR24 Drangeblieben: Pünktlichkeit der Bahn im Fernverkehr

80 Prozent Pünktlichkeit der Züge im Fernverkehr der Deutschen Bahn: Das hatte der Bahnchef eigentlich für dieses Jahr als Ziel ausgegeben. Doch ab dem Sommer war dieses Ziel immer weiter in die Ferne gerückt. Was ist aus der Pünktlichkeit geworden?

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80 Prozent Pünktlichkeit der Züge im Fernverkehr der Deutschen Bahn (DB) - das hatte Bahnchef Richard Lutz ursprünglich für dieses Jahr als Ziel ausgegeben. Demnach sollten acht von zehn Zügen pünktlich abfahren und ankommen. BR24 Drangeblieben ist der Frage nachgegangen, ob die Bahn diesem Ziel hinterherfährt - und warum.

Pünktlichkeit der Bahn liegt aktuell bei 60 Prozent

Ein ICE oder ein anderer Fernzug gelten als pünktlich, wenn sie am Zielort nicht mehr als fünf Minuten Verspätung haben. Ab der sechsten Minute gilt der Zug dann als verspätet. Schon im Sommer hat sich abgezeichnet, dass dieses Ziel nicht zu erreichen sein würde. Momentan liegt die Pünktlichkeit bei gut 60 Prozent.

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Ausbau der Infrastruktur dringend nötig

Nachhaltige Besserungen seien nur über einen konsequenten Ausbau der Infrastruktur zum Hochleistungsnetz zu erreichen, so eine Bahn-Sprecherin. Das würde die Bahn gemeinsam mit dem Bund und der Branche entschlossen angehen. Eine Generalsanierung der wichtigsten Schienenkorridore ab 2024 solle das hoch belastete Netz bis 2030 zu einem "Stabilitätsanker" für die gesamte Schiene entwickeln, betonte die Sprecherin weiter.

Fahrgäste hoffen auf Investitionen in die Fernstrecken

Fragt man bei Fahrgästen oder Fahrgastverbänden nach, dann hoffen alle auf die Investitionen in die Fernstrecken – aber das allein reicht eben nicht aus, gibt Fahrgastverband ProBahn zu bedenken. Hauptstrecken seien wichtig und gerade wegen der langlaufenden Züge auch ein deutlicher Anker. Doch auch die Zulaufstrecken seien wichtig, betont Lukas Iffländer von Pro Bahn in Bayern.

Sprecher von Pro Bahn: Gesamtnetz zu wenig im Fokus

"Mir nützt es nichts, wenn ich zwischen Mannheim und Frankfurt eine super ausgebaute Infrastruktur habe. Wenn ich von Weilheim anreisen möchte und da schon der Schienenersatzverkehr kommt", erklärt Iffländer. Sein Fazit: "Wir haben eine viel zu starke Fokussierung auf die Grundkorridore, aber das Gesamtnetz ist viel zu wenig im Blick."

So viele Langsamfahrstrecken wie noch nie

So viele Langsamfahrstellen wie im Moment hat es noch nie gegeben. Das sind Abschnitte, auf denen die Züge aus verschiedenen Gründen nicht mit voller Geschwindigkeit fahren können. Zudem fehlt bei der Streckeninstandhaltung das Personal. Bahnchef Richard Lutz hat die Devise ausgegeben, vor allem die Kapazität der Bahn zu erhöhen. Im Hintergrund ist es das Ziel, bis 2030 doppelt so viele Fahrgäste zu befördern, wie heute. Gerne spricht die Bahn auch vom Deutschlandtakt, der nach und nach eingeführt werden soll. Nur: Dazu braucht es auch Züge.

10 Milliarden Euro für den Fernverkehr

Eine Sprecherin der Bahn erklärte, dass die Deutsche Bahn auch massiv beim Fernverkehr investiere – in moderne und zuverlässigere Fahrzeuge sowie in den Neu- und Ausbau der Instandhaltungswerke. Allein im Fernverkehr würden bis 2029 zehn Milliarden Euro in neue Züge fließen. 2023 erhalte die Deutsche Bahn mit 37 Zügen so viele neue ICE wie nie zuvor.

Es fehlt an Instandhaltungswerken und Facharbeitern

Am Ende des Jahres wird die Bahn 368 ICE in ihrer Flotte haben. Doch schon heute können gar nicht alle ICE-Züge fahren, weil es an Instandhaltungswerken fehlt. Im Raum Nürnberg wird seit Jahren nach einem Standort gesucht. Nicht nur die geeigneten Standorte fehlen, sondern auch die Facharbeiter. Die Bahn stellt zwar laufend Mitarbeitende ein, doch insgesamt fehlen rund 6.000 Stellen im "operativen Bereich". Das betrifft ganz konkret den Betrieb der Züge, also Weichen und Strecken, Fahrzeuginstandhaltung, Züge steuern und lenken.

Zu viele Baustellen bremsen den Fernverkehr aus

Kurzfristig dürfte die Pünktlichkeit kaum besser werden, schätzt auch Martin Burkert. Er sitzt als Vorsitzender der Eisebahngewerkschaft EVG im Aufsichtsrat der DB. Im Dezember bespricht der Aufsichtsrat die künftigen Ziele der Bahn, der Vorstand wolle dabei "massiv" Wert auf Kundenzufriedenheit und Pünktlichkeit legen, so Burkert. Er macht aber auch die Politik für die Probleme der Bahn verantwortlich: Über Jahrzehnte habe man nur in Straßen investiert, und nicht in die Schiene. Das würde sich heute rächen, denn die vielen Baumaßnahmen seien mit ein Faktor für die Pünktlichkeit.

Fahrdienstleiter entscheiden über Priorisierung der Züge

Welcher Zug wann welche Strecke befahren darf, das entscheiden die Fahrdienstleiterinnen und -leiter. Pro Bahn-Sprecher Iffländer hatte in letzter Zeit häufiger das Gefühl, dass diese Priorisierung nicht gut durchdacht gewesen sei. Es könne aber auch am Personalmangel liegen, der bei der Bahn und auch bei den Regionalbetrieben eklatant sei, so Iffländer.

Bahnvorstand in die Pflicht nehmen

Der Bahn- Aufsichtsrat und EVG-Chef Martin Burkert will jedenfalls den Bahnvorstand nicht aus der Pflicht lassen beim Thema Pünktlichkeit - gerade auch dann nicht, wenn es um die Boni-Zahlungen für den Vorstand geht. Er hoffe, dass das Hauptaugenmerk des gesamten Bahnvorstands auf der Pünktlichkeit liege. Die Unpünktlichkeit der Bahn wäre das letzte deutsche Abenteuer, das es gäbe, so Burkert.

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