Der neue ICE 3neo der Deutschen Bahn steht zur Präsentation im ICE-Betriebswerk Rummelsburg/Berlin.
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Der Streit um die Ansiedlung eines ICE-Werks im Großraum Nürnberg hat nun auch den Verkehrsausschuss im Landtag beschäftigt.

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Streit ums ICE-Werk: Verkehrsausschuss im Landtag sucht Lösung

Wohin kommt das ICE-Instandhaltungswerk? Im Streit um den Standort im Raum Nürnberg sind die Fronten verhärtet. Der Verkehrsausschuss des Landtages wollte wissen, was da schiefläuft – und lud sowohl die Bahn als auch Planungsexperten zum Gespräch.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten Franken am .

Es ist eine Frage, die sich nicht nur die Deutsche Bahn stellt, sondern auch manch außenstehender Beobachter: Wie lässt sich ein ICE-Instandhaltungswerk im Großraum Nürnberg transparent und erfolgreich auf den Weg bringen? Über diese Frage debattierte der Verkehrsausschuss des Landtages - und das in phasenweise recht aufgeheizter Stimmung. Das Gremium hatte zur Aussprache Fachexperten und Vertreter der Bahn geladen. Dabei wurde einige Kritik am Prozess der Standortfindung laut, die seit Oktober 2020 läuft.

Planungsexperte: "Frühzeitig alle Akteure an einen Tisch holen"

"Idealerweise bezieht man Menschen sehr frühzeitig ein, um nicht am Ende eine völlig andere Alternative präsentiert zu bekommen", sagt Wulf Hahn. Er ist Inhaber einer bundesweit tätigen Fachagentur für Verkehrs- und Umweltplanung aus dem hessischen Marburg. Es brauche ein regionales Dialogforum, bei dem alle Akteure aus der Region am Tisch sitzen, so der Gastredner im Ausschuss. Mit einem "transparenten Planungsprozess" und mit "Kriterien, die für alle nachvollziehbar sind" könne man vor Ort nach einer möglichst umweltverträglichen Lösung suchen, beschreibt Hahn ein Verfahren, das er derzeit bei einem Bahnplanungsprojekt in Hessen anwendet. Der Regionalplaner nennt solch ein Verfahren "den Königsweg", den er auch bei der Suche nach einem ICE-Werk-Standort im Raum Nürnberg für "zwingend erforderlich" hält.

Drei Standorte angemeldet – aber auch Alternative im Gespräch

Die Bahn möchte das geplante ICE-Werk mitsamt 450 neuen Arbeitsplätzen eigentlich gern 2028 in Betrieb nehmen. Doch noch steht der Standort dafür nicht fest. Die Auswahl ist zwar nach zwei großen Bürgerdialog-Runden von neun auf drei mögliche Flächen geschrumpft. Aber es ist unklar, ob nicht noch ganz andere Standorte in Frage kommen, wie seit kurzem etwa ein Teil des Nürnberger Hafens. Am 11. Februar hat die Bahn bei der Regierung von Mittelfranken jedenfalls drei hoch umstrittene Standorte zum Raumordnungsverfahren angemeldet: einmal das Gebiet eines alten Munitionslagers (Muna) in der Marktgemeinde Feucht, dann ein benachbartes Areal südlich davon und eine Fläche eines entlegenen Ortsteils der Stadt Roth. Alle drei Grundstücke sind bewaldet. Und gegen alle drei Gebiete regt sich massiver Protest von Anwohnern und Naturschützern.

Experte: Einmischung von Politikern sollte unterbleiben

Der vom Verkehrsausschuss geladene Experte Wulf Hahn sieht auch die Einmischung von Politikern kritisch – jedenfalls, wenn es nicht um vor Ort betroffene oder andere fachlich zuständige Politiker oder Politikerinnen geht. Das sollte bei solch komplexen Planungsverfahren "generell unterbleiben", meint Hahn. Er trifft damit einen Punkt, den auch mehrere Ausschussmitglieder der Opposition ansprechen. Sie stören sich am Verhalten von Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Der hatte, unterstützt vom Bayerischen Forstministerium, klar gegen den von der Bahn favorisierten Nürnberger Standort Altenfurt-Fischbach Stellung bezogen, und später in einem öffentlich gewordenen Brief an einen CSU-Ortsverband auch den Standort südlich der Muna in Feucht infrage gestellt.

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Der Standort Altenfurt/Fischbach war zunächst Favorit der Bahn für ein ICE-Werk. Ministerpräsident Söder sprach sich dagegen aus.

Warum ließ Bahn ihren Standort-Favoriten Altenfurt wirklich fallen?

Grünen-Verkehrspolitiker Markus Büchler kritisierte, anfangs habe Söder das geplante ICE-Werk bejubelt und erklärt, es sei "nur mithilfe der Staatsregierung möglich gewesen", es nach Nürnberg zu holen. Später habe sich Söder gegen den Nürnberger Standort Altenfurt-Fischbach gewandt. Der Ausschussvorsitzende Sebastian Körber von der FDP wollte wissen, warum sich die Bahn wirklich gegen Altenfurt-Fischbach entschied. Schließlich habe die Bahn diesen Standort erst aus der Auswahl genommen, nachdem Ministerpräsident Söder sich wegen der drohenden Rodung von Bannwald gegen den Standort aussprach.

  • Zum Artikel: ICE-Werk Nürnberg: Bahn lässt Lieblingsstandort fallen

Der bayerische Bahnbeauftragte Klaus-Dieter Josel antwortete wiederholte, die örtliche Topographie habe gegen eine Realisierung gesprochen. Konkret wäre an dieser Stelle die Anbindung des Instandhaltungswerkes an die ICE-Strecke München-Nürnberg sehr schwierig geworden. Sie sei nur mit einer aufwendigen Brückenkonstruktion denkbar gewesen.

Ausschuss-Vorsitzender will Ministerpräsident Söder vorladen

Eine Antwort, mit der weder Sebastian Körber noch die Oppositionsparteien im Ausschuss zufrieden waren. Nachdem auch Vertreter des Verkehrsministeriums nichts zu dieser Sache zu sagen wussten und angaben, Söders Brief nicht zu kennen, beantragte Körber, dass Ministerpräsident Söder selbst in den Ausschuss geladen werden soll. Doch Körbers Antrag wurde mit knapper Stimmenmehrheit des Regierungslagers aus CSU und Freien Wählern abgewiesen.

Unverständnis über Standort-Auswahl der Bahn

Der AfD-Abgeordnete Ferdinand Mang nannte es befremdlich, dass die Bahn nur Standorte in die Endauswahl genommen habe, die alle mit Bannwald bewachsen sind. Noch dazu habe die Bahn mit Harrlach einen Standort aufgenommen, von dem die Stadt Fürth ihr Trinkwasser beziehe. Bahnplaner Carsten Burmeister entgegnete, Harrlach liege in einem so genannten Trinkwassereinzugsgebiet, nicht aber in einem Trinkwasserschutzgebiet. Und was den Wald betrifft, sei die Bahn gesetzlich verpflichtet, für Ausgleichsflächen zu sorgen, die um ein Vielfaches größer seien, als die 35 Hektar für das ICE-Werk.

Ein Mediator fürs ICE-Werk?

Der im bayerischen Verkehrsministerium für Großprojekte zuständige Wolfgang Wüst lobte vor den Ausschussmitgliedern das Planungsvorgehen der Bahn. Das Unternehmen habe seine Arbeit "vorbildlich gemacht", erklärte er. Jeder Bürger habe "wirklich die Gelegenheit, mitzureden, sich zu informieren." Er wüsste nicht, an welcher Stelle man etwas hätte besser machen könne, fügte er hinzu. Wenige Minuten vorher sagte er jedoch auch: "Der Einsatz von Mediatoren schafft noch zusätzliches Vertrauen." Ausschussmitglied Natascha Kohnen (SPD) schien das als Anregung aufzufassen. Die vormalige Chefin der bayerischen Sozialdemokraten fragte die Gäste des Ausschusses nach notwendigen Qualifikationen eines Mediators.

Bahn zeigt sich zuversichtlich für passenden ICE-Standort

Die beiden Vertreter der Bahn, Klaus-Dieter Josel und Carsten Burmeister, waren zum Ende der Ausschussdebatte zuversichtlich, dass ein passender Standort für das ICE-Werk gefunden werde. Zum einen könne dazu die Regierung von Mittelfranken beitragen, wenn sie ihre Bewertung im Raumordnungsverfahren vorlegt. Zum anderen sei die Bahn parallel auch offen für alternative Standortvorschläge. Schließlich sei bislang jeder Alternativvorschlag geprüft worden, versicherte Burmeister. Und sollte es einen erfolgsversprechenden Vorschlag geben, könne die Bahn für diesen noch ein weiteres Raumordnungsverfahren beantragen. Die Ausschussmitglieder waren überwiegend einig, dass das geplante ICE-Werk ganz im Sinne der politisch gewollten Verkehrswende ist und deshalb gebaut werden muss.

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