Jewgeni Prigoschin in einem Auto am 24. Juni 2023
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Jewgeni Prigoschin in einem Auto am 24. Juni 2023

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Prigoschins Tod gibt weiter Rätsel auf

Nach dem mutmaßlichen Tod des russischen Söldnerführers Prigoschin herrscht weiter Rätselraten. Der Kreml bestreitet, hinter dem Absturz zu stecken. Es gibt aber Spekulationen über eine Explosion an Bord von Prigoschins Flugzeug.

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Zwei Tage nach dem mutmaßlichen Tod des russischen Söldnerführers Jewgeni Prigoschin bei einem Flugzeugabsturz herrscht noch immer keine Klarheit über die Umstände. Russlands Präsident Wladimir Putin drückte am Donnerstag "den Familien aller Opfer" sein Beileid aus.

Ein Mann, "der schwere Fehler begangen hat"

Putin bezeichnete in einer im Fernsehen übertragenen Sitzung Prigoschin als einen "Mann mit einem komplizierten Schicksal, der in seinem Leben schwere Fehler begangen hat, aber die notwendigen Ergebnisse erzielte". Die bei dem Flugzeugabsturz vermutlich gestorbenen Mitglieder der Söldnergruppe Wagner hätten einen "bedeutenden Beitrag" zu der seit Februar 2022 laufenden Militäroffensive in der Ukraine geleistet. Die Ermittlungen zum tödlichen Absturz des Flugzeugs würden "bis zum Ende" geführt.

Prigoschin, den Putin eigenen Angaben zufolge "seit Anfang der 1990er Jahre kannte", sei am Tag des Flugzeugabsturzes aus "Afrika zurückgekehrt", sagte der Kreml-Chef weiter.

Kreml-Sprecher weist Verantwortung für Prigoschins Tod zurück

Behauptungen, wonach der Kreml den Befehl zur Tötung Prigoschins gegeben haben könnte, wies das russische Präsidialamt zurück. Alle Spekulationen in diese Richtung seien eine "absolute Lüge", sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Freitag.

In einem Telefonat mit Journalisten berichtete der Sprecher von Präsident Wladimir Putin weiter, die Ermittlungen zu dem Absturz vom Mittwochabend dauerten an. Putin habe Prigoschin in jüngster Zeit nicht mehr persönlich getroffen, sagte Peskow.

Leichen inzwischen identifiziert

Das Flugzeug war am Mittwochabend in der Region Twer nahe dem Ort Kuschenkino abgestürzt. Nach Angaben des Katastrophenschutzministeriums überlebte keiner der zehn Insassen. Die russische Luftfahrtbehörde Rosawiatsija bestätigte zeitgleich, dass sich Prigoschin an Bord des Flugzeugs auf dem Weg von Moskau nach St. Petersburg befunden habe.

Russische Behörden haben den Tod von Prigoschin inzwischen offiziell bestätigt. Das meldete die Agentur Tass am Sonntag unter Berufung auf das Staatliche Ermittlungskomitee. Nach Identifizierung aller zehn Opfer eines Flugzeugabsturzes stehe fest, dass Prigoschin dazu gehöre.

Spekulationen über ein Attentat

Das für schwere Straftaten zuständige russische Untersuchungskomitee leitete wegen des "Verstoßes gegen die Sicherheitsvorschriften im Luftverkehr" Ermittlungen ein. Seitdem äußerten sich die Ermittler jedoch nicht; es gibt Spekulationen um ein mögliches Attentat.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wies eine Beteiligung der Ukraine von sich. "Wir haben mit dieser Situation nichts zu tun, das ist sicher", sagte Selenskyj am Donnerstag und ergänzte offenkundig mit Blick auf Putin: "Jeder weiß, wen das betrifft."

Für viele Russen war Prigoschin ein Held

An Prigoschins Firmensitz in St. Petersburg und in anderen russischen Städten legten Trauernde Blumen nieder. Prigoschin und seine Wagner-Truppe hatten zwar wegen ihrer verdeckten Auslandseinsätze und wegen ihrer Brutalität auch im Inland keinen guten Ruf. Doch seine Kritik an Fehlern der russischen Militärführung machte ihn für viele Russen auch zu einem Helden. In sozialen Medien wurde der Vorwurf erhoben, das vermeintliche Flugzeugunglück sei in Wahrheit ein Attentat auf Prigoschin gewesen – eine Einschätzung, die auch viele westliche Politiker und Militärexperten vertreten.

Im Audio: Was wird aus der Militärkooperation in Mali?

Dieses undatierte Foto, das vom französischen Militär zur Verfügung gestellt wurde, zeigt drei russische Söldner im Norden Malis.
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Dieses undatierte Foto, das vom französischen Militär zur Verfügung gestellt wurde, zeigt drei russische Söldner im Norden Malis.

USA vermuten Explosion an Bord von Prigoschins Flugzeug

Die "New York Times" und andere US-Medien berichteten unter Berufung auf US-Geheimdienstkreise, dass vermutlich eine Explosion an Bord des Flugzeugs den Absturz ausgelöst habe. Eine endgültige Schlussfolgerung sei noch nicht gezogen, eine Explosion aber derzeit die wahrscheinlichste Begründung, schrieb die "New York Times". Ein Sprecher des US-Verteidigungsministeriums sagte, es gebe keine Hinweise, dass der Jet von einer Boden-Luft-Rakete getroffen worden sei. Dies hatten Prigoschin nahestehende Webseiten und Kanäle in sozialen Medien gemutmaßt.

Bundesregierung: Gewaltsamer Tod wäre nicht überraschend

Die Bundesregierung machte in Berlin deutlich, dass sie einen mutwillig herbeigeführten Absturz von Progischins Flugzeug für möglich ählt. "Besonders überraschend wäre ein gewaltsames Ende Prigoschins nicht", sagte der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner. Gleichzeitig betonte er aber, dass die Bundesregierung keine eigenen Erkenntnisse über die Umstände des Vorfalls habe.

Klingbeil: Zeichen, dass das "System Putin auseinanderfällt"

SPD-Chef Lars Klingbeil sieht in dem mutmaßlichen Attentat ein Anzeichen für Putins schwindende Macht. "Wenn das am Ende alles so stimmt, wie wir gerade vermuten, ist das ein weiteres Indiz dafür, dass Putin nicht mehr alles im Griff hat, dass Putin nicht mehr in Russland alles steuern kann – nur noch mit Terror und mit Unterdrückung", sagte Klingbeil in Lüneburg bei "RND vor Ort", einer Veranstaltung des Redaktionsnetzwerks Deutschland. "Das ist erstmal auch ein Zeichen, das ein bisschen Optimismus gibt, dass dort langsam dieses System Putin auseinanderfällt."

Mit Informationen von AP und dpa.

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