Migration: Trippelschritte statt großer Wurf?
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Migration: Trippelschritte statt großer Wurf?

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Migration: Trippelschritte statt großer Wurf?

Es knirscht nach wie vor in der Migrationspolitik. Die Ministerpräsidenten der Union beklagen den schleppenden Vollzug von Beschlüssen. Was ist umgesetzt? Was nicht? Und wo fordert Bayern mehr? Eine Analyse.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Man "bekräftigt Ziele", stellt "Prüfungen" in Aussicht, setzt sich für die "Umsetzung von Beschlüssen" ein. Liest man das Beschlusspapier der Konferenz der Ministerpräsidenten und -präsidentinnen und des Bundeskanzlers (MPK) wird klar: Das Treffen zeigt eine Art Zwischenstand, wie weit Bund und Länder in der Migrationspolitik vorangekommen sind.

Und vergleicht man es mit den Zielen, die man sich bei der letzten MPK vom November 2023 vorgenommen hatte, dann lautet die Antwort: Bei einigen Punkten gibt es Fortschritte, bei vielen nicht.

Asylverfahren in Drittstaaten?

Im Vorfeld der MPK hatte es lautstarke Kritik etwa von Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) gegeben. Der Bund sei "untätig" geblieben seit November. So hatte man auf Wunsch der Union verabredet, die Möglichkeit von Asylverfahren in Drittstaaten zu prüfen.

Doch das Bundesinnenministerium hat erst vor zwei Wochen Experten dazu angehört – im Sommer soll es einen Bericht geben. Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) klagt: In der gesamten Migrationspolitik passiere zu wenig. Es gebe überhaupt "nichts Neues".

Migrationsabkommen – geringe Fortschritte

Beim Thema Migrationsabkommen gibt es Fortschritte, etwa eine mit Georgien geschlossene Vereinbarung über die Rücknahme von abgelehnten Asylbewerbern. Aber viele unionsgeführte Länder finden: Das geht alles zu langsam. Das Türkei-Abkommen müsse erneuert, Abkommen mit Nordafrika geschlossen werden.

Im November war vereinbart worden: Asylbewerber aus Ländern mit einer Anerkennungsquote unter fünf Prozent sollen ein beschleunigtes Asylverfahren bekommen. Da wurde vom Bund mehr Geld bewilligt, für mehr Personal beim zuständigen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Aber die Union verbucht das unter: bisher keine konkreten Maßnahmen eingeleitet.

Rückführungen – Gesetz ist da, aber nicht wie verabredet

Ein weiterer Beschluss vom vergangenen November: Abgelehnte Asylbewerber schneller "rückführen", indem bürokratische Hindernisse abgebaut werden. Das "Rückführungs-Verbesserungs-Gesetz" ist zwar jetzt beschlossen, wurde aber aus Sicht der Union wieder aufgeweicht.

Denn auf Wunsch der Grünen kam nachträglich ins Gesetz, dass es doch noch einen Rechtsbeistand kurz vor der Abschiebung geben soll. Das könnte die Abschiebung so verzögern, dass trotz des beschlossenen längeren Abschiebungsgewahrsam (jetzt 28 Tage möglich, bisher zehn) die Abschiebungen wieder scheitern. Auch bei Rückführungen von Straftätern wird nach wie vor "geprüft" welche rechtlichen Hürden bestehen. Die Innenminister der Länder sollen demnächst dazu einen Bericht vorlegen.

Änderungen bei Asylbewerberleistungen

Bei der MPK im November hatten sich Bund und Länder auf die Einführung einer einheitlichen Bezahlkarte verständigt. Was zunächst beschlossene Sache schien, verzögerte sich zwar, aber letzte Woche hat die Bundesregierung eine Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes auf den Weg gebracht.

Teile der Grünen sind gegen diese Änderung und der Beschluss im Bundestag steht noch aus. Der hessische Ministerpräsident Boris Rhein (CDU), der derzeit den Vorsitz in der MPK hat, lobte diesen Fortschritt, das hätte er sich so "noch vor drei Jahren nicht vorstellen können".

Ein weiterer Beschluss vom November ist seit Ende Februar geltendes Recht: Der auf 36 Monate verlängerte Bezug von Asylbewerberleistungen. Bisher galt: Nach 18 Monaten bekommen Asylbewerber die höheren sogenannten "Analogleistungen", die dem Bürgergeld entsprechen. Bayern fordert eine Ausweitung auf fünf Jahre statt drei.

Aus Bayern kommt auch der Vorstoß, ukrainischen Geflüchteten, die direkt Bürgergeld erhalten, künftig die niedrigeren Asylbewerberleistungen zu zahlen. Auch manche SPD-Länder zeigen sich dafür offen, das Saarland etwa. Aber wenn man sieht, wie Bundeskanzler Olaf Scholz bei der Pressekonferenz eine diesbezügliche Frage direkt abbügelte, kann man sich nur schwer vorstellen, dass darüber jetzt tatsächlich eine Diskussion beginnt.

Fazit: Weiter Streit über die Migrationspolitik

Vergleicht man die Äußerungen der Ministerpräsidenten der Union vor der Sitzung mit dem am Ende gefassten Beschlusspapier, kann man den Eindruck kriegen: Das war eine Sitzung, in der eigentlich nichts passiert ist.

Der Kanzler lobt, die Bundesregierung sei nun ins "Machen" gekommen, man sei "beharrlich" auf dem Weg, Verbesserungen in der Asylpolitik umzusetzen. Bayerns Ministerpräsident Söder hingegen kommt zu einem komplett anderen Ergebnis: Deutschland sei nach wie vor meilenweit entfernt von einer "echten Wende" in der Asylpolitik. Ein "grundlegender Richtungswechsel" einschließlich einer Änderung des Asylrechts sei dazu nötig. Das hat Bayern – zusammen mit Sachsen – zu Protokoll gegeben.

Video: Bayerns Ministerpräsident Markus Söder zur Ministerpräsidentenkonferenz über Asylpolitik

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder zur Ministerpräsidentenkonferenz über Asylpolitik
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Bayerns Ministerpräsident Markus Söder zur Ministerpräsidentenkonferenz über Asylpolitik

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