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Demonstranten vor dem Bundesverwaltungsgericht

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Lob und Tadel für Fahrverbot-Urteil

Das Bundesverwaltungsgericht hat den Weg für Diesel-Fahrverbote in Deutschland geebnet. Das Gericht wies die Revisionen der Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg weitgehend zurück. Die Reaktionen auf diese Entscheidung sind geteilt.

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Gemischte Reaktionen auf das Diesel-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig: Lob von den Umweltverbänden und den Grünen, Kritik von der Wirtschaft und der FDP.

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund bezeichnet es als "Irrglauben", dass mit der Bestätigung von Fahrverboten für Dieselfahrzeuge eine Lösung des Schadstoffproblems gefunden sei. Es sei ein falscher Eindruck, dass sich mit möglichst viel Regulierung und Verboten die Stickoxid-Belastung in den betroffenen Städten reduzieren lasse, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg der "Neuen Osnabrücker Zeitung".

Mammutaufgabe für Kommunen

Laut Landsberg sind die Kommunen gar nicht in der Lage, die durch Fahrverbote entstehenden bürokratischen Mammutaufgaben kurzfristig zu erfüllen. Dies werde viele Monate in Anspruch nehmen. "Allein in der Stadt München sind deutlich über 200.000 Fahrzeuge betroffen. Um die Anforderungen zu erfüllen, müssten rund 130.000 neue Straßenschilder aufgestellt werden", so Landsberg. Mehr als 100 neue Mitarbeiter wären allein dort nötig, um die Ausnahmegenehmigungen zu bearbeiten.

Kritik auch von der Bauwirtschaft

"Sollten die Kommunen tatsächlich Fahrverbote in einzelnen Städten und Innenstädten einführen, ist das eine Katastrophe für die Menschen, die dringend eine Wohnung suchen. Denn sämtliche Baustellen werden dann zum Erliegen kommen und die dringend benötigten Wohnungen nicht zu Ende gebaut werden können, da sämtliche Baumaschinen, Baugeräte und Transporter mit Diesel betrieben werden." Zentralverband Deutsches Baugewerbe

Der Verband forderte bundesweit einheitliche Ausnahmegenehmigungen für Fahrzeuge der Bauwirtschaft. Auch Mittelstandspräsident Mario Ohoven kritisierte das Urteil: Es gefährde die Existenz vieler kleiner und mittlerer Unternehmen.

"Der Mittelstand darf weder die Versäumnisse der Politik noch die Manipulationen von Autoherstellern ausbaden. Fahrverbote kommen einer Enteignung von Betriebsvermögen gleich." Mario Ohoven, Mittelstandspräsident

Auch das Handwerk warnte vor Fahrverboten. ZDH-Präsident Hans Peter Wollseifer sagt: "Wir lehnen sie weiter entschieden ab und appellieren an die Kommunen und Städte, alles zu tun, um das zu vermeiden."

DIW: Urteil erhöht Druck auf Politik

Das Urteil zu Diesel-Fahrverboten erhöht nach Auffassung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) den Druck auf Politik und Hersteller, "die längst überfällige Verkehrswende durchzusetzen". Laut DIW-Energieexpertin Claudia Kemfert sind diese nun zu Maßnahmen gezwungen, um dreckige Diesel-Autos von den Straßen zu verbannen.

Merkel: Nicht alle Autofahrer betroffen

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) dämpfte die Befürchtungen vor den Auswirkungen des Urteils. Es gehe "wirklich nicht um die gesamte Fläche und alle Autobesitzer", sagte Merkel in Berlin.

FDP-Chef Christian Lindner schreibt auf Twitter: "Fahrverbote sind falscher Weg. Seit Jahren haben Politik und Verwaltung den Bürgern und Betrieben die Anschaffung von Dieselfahrzeugen fast aufgedrängt. Wenn ihre Nutzung jetzt verboten wird, dann ist das kalte Enteignung und Wortbruch in einem."

Deutsche Umwelthilfe: Niederlage für die Bundesregierung

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH), die geklagt hatte, sieht das Urteil dagegen als Niederlage für die Bundesregierung.

"Wir erleben hier ein Debakel für die Regierungspolitik der Großen Koalition, die sich einseitig auf die Seite der Autoindustrie geschlagen hat." Jürgen Resch, DUH-Chef

Benötigt werde nun eine bundesweite Regelungen, um den Kommunen zu helfen. Auch der Naturschutzbund NABU begrüßte das Urteil. "Die Autoindustrie hat sich böse verzockt", so Geschäftsführer Leif Miller. Besonders betroffene Städte müssen nun schnellstmöglich zu Vorreitern der Verkehrswende gemacht werden.

Vorschläge für München

Der Bund Naturschutz in München schlug für die bayerische Landeshauptstadt zwei Lösungsmöglichkeiten vor: die massive Förderung des Radverkehrs und der Radverleihsysteme und die Blaue Plakette zur Fortschreibung von Umweltzonen.

"Wir erwarten von Oberbürgermeister Dieter Reiter und Ministerpräsident Horst Seehofer, dass sie in Berlin in Sachen Blaue Plakette Druck machen. Gleichzeitig müssen die Autos auf Herstellerkosten wirksam mit Hardware nachgerüstet werden." Martin Hänsel, Stellvertender Geschäftsführer der Kreisgruppe München

Grüne für Blaue Plakette

Auch der Grünen-Umweltexperte im Landtag, Christian Magerl, beurteilte die Entscheidung der Leipziger Richter positiv. Dem Bayerischen Rundfunk sagte er, das Urteil sei absehbar gewesen. Es bestehe großer Handlungsbedarf in vielen deutschen Großstädten. Nun gehe es darum, möglichst schnell die Stickoxid-Werte zu senken. Magerl sprach sich dafür aus, die Blaue Plakette für schadstoffarme Autos einzuführen. Außerdem forderte er die Autoindustrie erneut auf, ihre Dieselfahrzeuge kostenlos und rasch nachzurüsten.