Karl Lauterbach (SPD) auf seiner ersten Bundespressekonferenz als Bundesgesundheitsminister.
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Lauterbachs erstes Corona-Briefing: Unklare Impfverhältnisse

Kein anderer Politiker war dieses Jahr so oft in Talkshows wie der neue Gesundheitsminister. Und Karl Lauterbach nutzt sie auch als Minister weiter. Das führt zu großen Missverständnissen, wie seine erste Corona-Pressekonferenz zeigt. Eine Analyse.

Paukenschlag zum Auftakt des Impfstoffdramas. Dienstagabend verkündet der neue SPD-Gesundheitsminister in der ARD: "Wir haben zu wenig Impfstoff. Das hat viele überrascht - mich auch." Nicht mehr und nicht weniger. Was das konkret heißt, wie viele Dosen noch da sind, wann mit mehr Impfstoff zu rechnen ist – das lässt Lauterbach offen. Und hinterlässt maximale Verunsicherung. Ärzte berichten am Mittwoch, dass die Telefonleitungen von besorgten Patientenanrufen geglüht hätten.

  • Zum Artikel: "Impfstoff-Mangel: Bund bestellt nach - Bayern fordert Aufklärung"

Impfvorschau statt Jahresrückblick

Der zweite Akt folgt am Mittwochabend: Auftritt Lauterbach. Er sitzt bei Markus Lanz, in dessen Sendung er allein in diesem Jahr elf Mal zu Gast war. Lanz moderiert die Sendung als "Jahresrückblick 2021", bekommt von Lauterbach aber eine Art Jahresvorschau 2022 in Sachen Impfstoffversorgung geliefert. Laut Minister ist die ausgerechnet bei Biontech, der Deutschen liebestes Vakzin, düster: Es gebe "viel weniger" als das, was Ärzte jede Woche abriefen. Und: "Das sind schon Reserven. Wir schütten hier alles aus", sagt Lauterbach.

Lauterbach nimmt Spahn in Schutz

Zuschauer könnten nun auf die Idee kommen, dass der letzte Gesundheitsminister geschlafen hat, einfach zu wenig Impfstoff bestellt hat. Und der neue Gesundheitsminister muss es nun ausbaden. Aber der betont bei Lanz vehement, wiederholt und deshalb auffällig, dass er seinem CDU-Vorgänger Jens Spahn keinen Vorwurf deshalb mache. Das hätte als Hinweis auf das verstanden werden können, was Lauterbach wirklich sagen will.

Dann Akt drei: Das erste Corona-Briefing mit RKI-Chef Lothar Wieler in der Bundespressekonferenz am Donnerstag. Lauterbach ist sichtlich nervös. Er entlädt zunächst ein Gewitter von Zahlen, Impfstoffen, Bemühungen, beginnt Nebensätze, um sie im Sprechen wieder zu verwerfen. Einzig eines steht klar und monolithisch fest: Spahns Unschuld bei der Impfstoffknappheit.

Der Plan: Booster-Turbo wegen Omikron

Der Grund: Lauterbach will die Booster-Impfkampagne maximal beschleunigen. Vor dem Hintergrund einer anrollenden Omikron-Welle, die sich noch viel höher auftürmen könnte als ihre Vorgängerinnen. Denn Zweifachgeimpfte seien nach aktuellen Erkenntnissen schon nach wenigen Monaten deutlich ungeschützter gegen Omikron als Dreifachgeimpfte. Würden die Impfstoffe so wie bestellt geliefert, würde sich das Boostern bis März ziehen, sagt Lauterbach. Das sei nicht zu verantworten.

10 Millionen Moderna Dosen noch im Dezember

Diese Informationen müssen sich die Journalisten aus Lauterbachs Aussagen zusammenpuzzeln oder akribisch erfragen. Lauterbach hat auch einen Plan, wie er den noch fehlenden Impfstoff auftreiben will: 10 Millionen mehr Impfdosen Moderna sollen im Dezember an Deutschland geliefert werden. Dieser Deal mit der EU-Kommission ist bestätigt. Außerdem sagt Lauterbach, er sei im Gespräch mit Rumänien, Bulgarien, Polen und Portugal, die mehr Impfdosen hätten, als sie verimpfen könnten. Sollte man sich einig werden, werde die Bundeswehr die Dosen abholen.

Kinderarzt: Nicht mehr schwere Krankheitsverläufe bei Omikron

Für Klarheit sorgen an diesem Tag die anderen Protagonisten auf der Bühne. Vor allem der Kinderarzt Jörg Dötsch, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin an der Uniklinik Köln sagt, bislang sei keine Zunahme schwerer Krankheitsverläufen durch Omikron feststellbar. Dötsch rät, fünf- bis elfjährige Kinder mit Vorerkrankung unbedingt impfen zu lassen. Zudem rät er auch Eltern, die ihr Kind generell impfen lassen wollten, dies zu tun. Die ersten Daten sprächen für eine nur geringe Nebenwirkungsrate. Von einer Impfung von Kindern unter fünf Jahren rät der Mediziner aber dringend ab.

Am Ende steht mehr Klarheit

Lauterbachs Impfstoffaussagen haben potenzielle Impflinge verunsichert und Ärzten Mehrarbeit verursacht. Lauterbachs erste offizielle Pressekonferenz bringt nach einem großen aufgeregten Durcheinander, dennoch mehr Klarheit. Der Impfstoff könnte bald knapp werden, weil die Booster-Kampagne gut läuft, weil derzeit 1 bis 1,5 Millionen Menschen täglich geimpft werden. Und der neue Gesundheitsminister hat einen Plan, wie er das Problem lösen will. Das hätte Lauterbach allerdings wohl auch schon am Dienstag einordnen können.

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