Werne, Nordrhein-Westfalen: Verdichterstation für Erdgas und zukünftig auch Wasserstoff (Symbolbild)
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Verdichterstation für Erdgas und zukünftig auch Wasserstoff (Symbolbild)

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Kraftwerke in Deutschland: Das plant die Regierung

Lange ist um das Thema gerungen worden, doch nun hat sich die Ampel-Regierung auf eine Strategie zum Bau neuer wasserstofffähiger Gaskraftwerke in Deutschland geeinigt. Das teilte das Wirtschaftsministerium mit. Die Eckpunkte der Kraftwerksstrategie.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im BR Fernsehen am .

Bei der Kraftwerksstrategie zur künftigen Energieversorgung hat sich die Bundesregierung geeinigt. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) hätten "die wesentlichen Elemente einer Kraftwerksstrategie sowie Festlegungen zu weiteren Vorhaben vereinbart", teilte die Bundesregierung mit.

Wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht, sollen zunächst Gaskraftwerke die nötige Energie bereitstellen. Die neuen Gaskraftwerke könnten vor allem Kohlekraftwerke ersetzen. Sie sollen zunächst mit Erdgas, dann aber zunehmend mit klimafreundlichem Wasserstoff betrieben werden. Nun steht der Plan dafür.

Welche Ziele werden mit der Kraftwerksstrategie verfolgt?

Mit der Strategie soll demnach der Rahmen für Investitionen "in moderne, hochflexible und klimafreundliche Kraftwerke" geschaffen werden, die künftig auf Wasserstoff umgerüstet werden können. Neben dem "konsequenten Ausbau der erneuerbaren Energien und der Stromnetze erfordert die Dekarbonisierung und Versorgungssicherheit unseres Stromsystems moderne, hochflexible und klimafreundliche Kraftwerke", erklärte die Bundesregierung. Insbesondere sollen die Kraftwerke die Versorgung mit klimafreundlichem Strom auch in Zeiten mit wenig Sonne und Wind gewährleisten.

Die Förderungen sollen aus dem Klima- und Transformationsfonds finanziert werden, einem Sondertopf des Bundes. Wie es aus Koalitionskreisen hieß, liegen die Kosten bei ungefähr 16 Milliarden Euro für die nächsten rund 20 Jahre. 

Wie geht es konkret weiter?

Geplant ist, einen sogenannten Kapazitätsmechanismus zu erarbeiten, über den sich die Regierung bis zum Sommer einigen will. Über einen solchen Mechanismus könnten Betreiber in einigen Jahren dafür honoriert werden, dass sie Kraftwerkskapazitäten vorhalten.

Weiter hieß es, die Planungs- und Genehmigungsverfahren für die in der Kraftwerksstrategie enthaltenen Kraftwerke sollten beschleunigt werden. Die gefundene Einigung zur Kraftwerksstrategie werde mit der EU-Kommission in Brüssel beraten.

Wie sieht der Zeitplan aus?

Konkret einigten sich die Spitzen der Ampelparteien darauf, dass neue Gaskraftwerkskapazitäten im Umfang von bis zu viermal 2,5 Gigawatt im Rahmen der Kraftwerksstrategie kurzfristig ausgeschrieben werden. Ab einem 2032 festzulegenden Umstiegsdatum sollen sie dann "zwischen 2035 und 2040" vollständig auf Wasserstoff umstellen. Dafür müssen die Kraftwerke aber technologisch weiterentwickelt werden. Und es müsse viel in die Erzeugung, den Transport und die Speicherung von Wasserstoff und dessen Infrastruktur investiert werden, wie das Bundeswirtschaftsministerium schon im vergangenen Jahr mitteilte.

💬 Mitdiskutieren lohnt sich: Die folgende Passage hat die Redaktion im Rahmen des BR24-Formats "Dein Argument" ergänzt. Hintergrund ist ein Kommentar des Users "minneminister" zur Frage, wo der Wasserstoff für den Betrieb der Kraftwerke herkommen soll.

Woher der Wasserstoff für die umgerüsteten Kraftwerke kommen wird, hat die Bundesregierung in ihrer Mitteilung nicht konkret angegeben. Der bisherige Plan zur Wasserstoffversorgung (Stand 2023) sieht den Aufbau von zehn Gigawatt Elektrolyse-Kapazität bis 2030 in Deutschland vor. Elektrolyse ist ein Verfahren zur Herstellung von Wasserstoff, das CO₂-neutral ist, wenn es mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen wie Sonnen- oder Windkraft betrieben wird. Die geplante Kapazität reicht den Angaben des Bundesforschungsministeriums zufolge aus, um etwa 30 bis 50 Prozent des deutschen Wasserstoffbedarfs zu decken. Die Regierung plant nun zusätzlich, für Firmen Anreize für den Zubau von Elektrolyseuren zu schaffen. Den restlichen Wasserstoff soll Deutschland aus dem Ausland importieren, wozu eine Strategie erarbeitet wird. 💬

Hintergrund: Langes Warten der Energiebranche

Die neuen Gaskraftwerke sollen in 'Dunkelflauten' - wenn kein Wind weht und keine Sonne scheint - einspringen, um die Stromnachfrage zu decken. Energieunternehmen scheuen aber bisher Investitionen, weil sich die neuen Kraftwerke nicht rechnen. Habeck hatte sich für eine staatliche Förderung ausgesprochen, die sich im Milliardenbereich bewegen könnte. FDP-Politiker hatten auf die hohen Kosten einer Förderung verwiesen und "Technologieoffenheit" gefordert.

Die Ampel-Koalition hatte sich darauf verständigt, den Kohleausstieg "idealerweise" auf 2030 vorzuziehen, um den Ausstoß klimaschädlichen Kohlendioxids zu verhindern. Bislang ist ein um acht Jahre vorgezogener Ausstieg aber nur im Rheinischen Revier beschlossen. In den Revieren in Ostdeutschland ist er umstritten.

Die Energiebranche wartet seit langem auf eine Strategie zum Bau wasserstofffähiger Gaskraftwerke bis 2030. Bis dahin sollen erneuerbare Anlagen massiv ausgebaut werden. Das Ziel der Bundesregierung lautet: 80 Prozent des Stroms sollen 2030 aus erneuerbaren Energiequellen stammen. Derzeit ist es etwas mehr als die Hälfte. 

Union sieht noch viele offene Fragen

Der energiepolitische Sprecher der Bundestagsfraktion der Union, Andreas Jung, erklärte, es bleibe bei Ankündigungen, es gebe mehr Fragen als Antworten und damit noch immer keine Klarheit für die Investoren. "Die Hängepartie der Ampel gefährdet Klimaziele, Versorgungssicherheit und den Wirtschaftsstandort Deutschland." Die zentrale Antwort bleibe die Ampel-Koalition schuldig: Die Finanzierung der neuen Kapazitäten bleibe unklar, kritisierte der CDU-Politiker. Keine Klarheit gebe es auch weiter zur Regionalkomponente. "Wir benötigen Erzeugungskapazitäten auch bei den starken Industriezentren im Süden."

Energiebranche: "Gordischer Knoten wurde durchschlagen"

Vertreter der Energiebranche haben sich in ersten Reaktionen positiv zu der Einigung der Bundesregierung auf eine Kraftwerksstrategie geäußert. "Der gordische Knoten bei der Kraftwerksstrategie wurde jetzt durchschlagen", sagte der Chef des Stromnetzbetreibers 50Hertz, Stefan Kapferer. Dies sei eine gute Nachricht für die Energiewende und für eine zuverlässige Stromversorgung. Der Düsseldorfer Energiekonzern Uniper zeigte sich zuversichtlich, einen Teil des Kuchens abzubekommen. Uniper-Chef Michael Lewis erwartet, dass sein Konzern einen Teil der neuen Kapazitäten für Deutschland bauen wird. "Sobald wir die Details prüfen konnten, werden wir entscheiden, ob und mit welchen Investitionen wir uns beteiligen."

Mit Informationen von dpa, Reuters und AFP.

Video: Experte im Interview

Michael Sterner, Professor an der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg und Mitglied im Nationalen Wasserstoffrat.
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Michael Sterner, Professor an der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg und Mitglied im Nationalen Wasserstoffrat.

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