Nancy Frehse  (links) und Carla Reuter (rechts) in ihrem Geschäft.
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Nancy Frehse (links) und Carla Reuter (rechts) in ihrem Geschäft.

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Geld kein Selbstzweck: Slow Fashion Label will neu wirtschaften

Beim Berliner Slow Fashion Label "Oktopulli" laufen Dinge anders, als in anderen Betrieben, denn es ist ein Unternehmen in sogenanntem Verantwortungseigentum. Geld ist hier nicht mehr Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck. Wie genau das funktioniert:

Über dieses Thema berichtet: STATIONEN am .

Läuft man an dem kleinen Laden in der Mittenwalder Straße in Berlin Kreuzberg vorbei, kann man etwas beobachten, was in Deutschland selten geworden ist: Schneiderinnen sitzen hier an Nähmaschinen und fertigen Pullover für Klein und Groß. Der Clou: Der Kinderpulli wächst bis zu vier Größen mit. Fast Fashion ade! Hallo zu mehr Nachhaltigkeit und Ressourcenersparnis.

Die Idee dafür stammt von Nancy Frehse und Carla Reuter, die sich während ihres Ökonomiestudiums kennen gelernt haben und dem Billigtrend in der Modeindustrie etwas entgegensetzen wollten. Sie wollten aber noch mehr, erzählt Carla Reuter: "Es war uns wichtig UnternehmerInnentum mal anders zu denken. Wir wollten ein Leuchtturmprojekt entwickeln, mit dem wir solidarische Preismodelle umsetzen und Arbeit im Handwerk auch anders leben können."

Verantwortungseigentum: Neues Unternehmensmodell

Deshalb gründeten die beiden Oktopulli als Unternehmen in Verantwortungseigentum. Das Besondere an diesem Unternehmenstyp, von dem es bereits rund 300 in Deutschland gibt: Das Unternehmen legt seinen Unternehmenszweck rechtsverbindlich fest und investiert seine Gewinne in diesen Zweck. Ausschüttungen an die Eigentümer oder Gesellschafter gibt es nicht. Eigentum und Kontrolle liegen immer in den Händen von Menschen, die mit dem Unternehmen verbunden sind. Sie können ihre Unternehmensanteile nur treuhänderisch weitergegeben, nicht verkaufen.

Arbeitsorte so gestalten, das Arbeitende gerne hingehen

Oktopulli geht sogar noch weiter: Hier können die Mitarbeitenden über Löhne und Arbeitszeiten mitbestimmen, und es gibt einen Mindesturlaub, aber keine Höchstgrenze. "Wir verbringen so viel Zeit an unseren Arbeitsorten, dass diese Orte in irgendeiner Weise so gestaltet sein müssen, dass wir dort gerne hingehen", erzählt Mitgründerin Carla Reuter.

Oktupulli: Teile der Einnahmen werden gespendet

Von jedem gekauften Pulli wird ein Euro an die Rettungsorganisation SeaWatch gespendet. Und damit sich auch Menschen mit geringerem Einkommen einen Oktopulli leisten können, werden diese im Laden und auf der Website mit einem solidarischen Preismodell angeboten. "Funktioniert super!" sagt Nancy Frehse, die einen Master in Ökonomie hat: "Wir haben in so vielen Projekten bewiesen, das Umverteilung gesellschaftlich möglich ist, warum dann nicht auch bei Produkten?"

Nancy Frehse sagt, für sie wäre nur die Gründung eines Unternehmens in Verantwortungseigentum in Frage gekommen, "denn wenn wir eine Wirtschaft der Zukunft gestalten wollen, in der Menschen für das eigene gute Leben und für die Versorgung der Gesellschaft arbeiten, dann funktioniert das nicht, wenn nur einzelne davon profitieren."

Deshalb wollen die beiden Unternehmerinnen mit ihrem Beispiel auch anderen Menschen Mut machen, ihre Ideen umzusetzen – für sich und für eine Wirtschaft von morgen. Geld ist dabei Mittel zum Zweck, weiter nichts.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

Mehr zu Visionen sehen Sie in der Sendung STATIONEN, am Mittwoch, 28. Juni 2023 um 19 Uhr im BR Fernsehen und in der BR Mediathek.