Alexander Lukaschenko, Präsident von Belarus, während eines Interviews mit dem russischen Magazin der Natsionalnaya Oborona (Nationale Verteidigung) am 9.11.21..
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Alexander Lukaschenko, Präsident von Belarus

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Flüchtlingskonflikt: Belarus droht EU mit Gegenmaßnahmen

Der Konflikt zwischen der EU und Belarus spitzt sich weiter zu. Die EU plant Verschärfungen von Sanktionen, weil Belarus Migranten an EU-Grenzen schleuse. Für diesen Fall drohte der belarussische Präsident Lukaschenko mit drastischen Gegenmaßnahmen.

Über dieses Thema berichtet: BR24 Infoblock am .

Im Flüchtlingsstreit mit der Europäischen Union hat der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko mit Gegenmaßnahmen im Falle neuer EU-Sanktionen gedroht. "Wenn sie neue Sanktionen gegen uns verhängen, müssen wir reagieren", sagte Lukaschenko laut der staatlichen Nachrichtenagentur Belta. Er nannte als Möglichkeit insbesondere den Stopp von Gaslieferungen, die aus Russland über die Jamal-Pipeline durch Belarus und Polen in die EU kommen.

EU plant weitere Sanktionen gegen Belarus

EU-Diplomaten hatten am Mittwoch erklärt, die EU bereite im Konflikt mit Belarus eine weitere Verschärfung der Sanktionen vor. Demnach stimmten die Botschafter der 27 EU-Staaten erweiterten Sanktionskriterien zu. Sie umfassen die "Instrumentalisierung von Migranten" und "Schleusung". Demnach könnte die EU in den kommenden Wochen ein fünftes Paket von Strafmaßnahmen beschließen. Sie sollen sich gegen rund 30 Luftfahrtgesellschaften, Reisebüros oder andere Verantwortliche richten, die Belarus bei der Schleusung von Flüchtlingen unterstützen.

Vorwurf: Absichtliche Migrantenschleusung zu EU-Grenzen

Die EU wirft Lukaschenko vor, absichtlich Migranten an die Grenzen der EU-Staaten Lettland, Litauen und Polen zu bringen, um Vergeltung für bisherige EU-Sanktionen zu üben. Zehntausende Menschen aus Krisenländern im Nahen Osten und anderswo sollen per Flugzeug nach Minsk und dann an die Grenze zu den EU-Staaten gebracht worden sein. Machthaber Lukaschenko versuche, die EU zu destabilisieren.

Die Zahl der Flüchtlinge an der Grenze zwischen Polen und Belarus hat zuletzt dramatisch zugenommen. Schätzungen zufolge sitzen inzwischen mindestens 3.000 Menschen unter katastrophalen Bedingungen im Grenzgebiet fest.

Bundesaußenminister Maas: Solidarität mit Polen

Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) sicherte derweil dem Nachbarland Polen die Solidarität Europas zu. Lukaschenko warf Maas im Bundestag ein skrupelloses Spiel mit Menschenleben vor: "Das Problem ist Lukaschenko und Belarus und das Regime, das es dort gibt." Polen habe deshalb europäische Solidarität verdient, sagte der geschäftsführende Außenamtschef.

Maas drohte erneut mit Sanktionen - nicht nur gegen Belarus, sondern auch gegen beteiligte Transitländer und Fluggesellschaften: "Niemand sollte sich ungestraft an Lukaschenkos menschenverachtenden Aktivitäten beteiligen dürfen."

Russland will bei Problemlösung helfen

Russland will angesichts der angespannten Lage um die Migranten an der EU-Außengrenze zu Belarus nun doch bei der Lösung des Problems helfen. "Russland versucht – wie andere Länder auch – sich bei der Lösung der Situation einzusetzen", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der Agentur Interfax zufolge. Zuvor hatte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) den russischen Präsidenten Wladimir Putin um Hilfe gebeten. Putin hat einen direkten Draht zu Lukaschenko. Russland drohen inzwischen selbst Sanktionen wegen der Lage in Belarus.

Der Kremlchef hatte Merkel nach Angaben der Präsidialverwaltung zunächst vorgeschlagen, die EU und Lukaschenko sollten direkt miteinander verhandeln. Nach der umstrittenen Präsidentenwahl im vergangenen Jahr erkennt die EU Lukaschenko allerdings nicht mehr als Staatschef an. Auch die belarussische Opposition hatte davor gewarnt, das "Regime von Diktator Lukaschenko" durch solche Verhandlungen praktisch zu legitimieren.

Kremlsprecher Peskow wies erneut zurück, dass Russland etwas mit der Schleusung von Menschen durch Belarus an die EU-Grenze zu tun habe. Auch die staatliche russische Fluggesellschaft Aeroflot wies Interfax zufolge angesichts drohender EU-Sanktionen Vorwürfe zurück, an dem Transport von Migranten nach Belarus beteiligt zu sein.

EU-Bischofskommission fordert mehr Solidarität mit den Migranten

Die EU-Bischofskommission COMECE fordert von den EU-Mitgliedstaaten mehr Solidarität für die Migranten an der polnisch-belarussischen Grenze. "Jeder Mensch muss auf humane Weise behandelt werden. Migranten und Asylbewerber verdienen die volle Achtung ihrer Würde und ihrer Grundrechte, unabhängig von ihrem rechtlichen Status", erklärte der COMECE-Vorsitzende Kardinal Jean-Claude Hollerich in Brüssel.

Die COMECE schloss sich den polnischen Bischöfen an, die zuletzt verschiedentlich einen humanitären Ansatz für die Krise verlangt hatten. "Wir können nicht zulassen, dass Menschen an unseren Grenzen sterben", heißt es in der Erklärung der EU-Bischofskommission. Es brauche alle Anstrengungen, "um diese Tragödien zu vermeiden und das Leiden der Menschen zu lindern". Die Bischöfe trauerten um die durch Kälte und Erschöpfung bereits gestorbenen Menschen.

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