Archivbild: FDP-Chef Christian Lindner, Bundesminister der Finanzen, spricht bei der Sitzung des Bundestags
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FDP-Mitglieder stimmen knapp für Verbleib in Ampel-Koalition

Die FDP hat ihre Mitglieder über den Verbleib in der Ampel-Koalition befragt. Eine Mehrheit der Teilnehmer will bleiben. Ob nach dem denkbar knappen Ergebnis Ruhe bei den Liberalen einkehrt, ist fraglich.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im BR Fernsehen am .

Die Führung der Liberalen kann aufatmen: Bei der FDP-Mitgliederbefragung hat sich eine Mehrheit für den Verbleib in der Koalition mit SPD und Grünen ausgesprochen. 52,24 Prozent der Abstimmenden plädierten dafür, die Regierungsarbeit fortzusetzen, 47,76 Prozent wollten die Koalition beenden, wie die Nachrichtenagentur dpa am Montag unter Berufung auf Parteikreise meldete. An der Befragung beteiligten sich demnach allerdings nur 26.058 der rund 72.100 FDP-Mitglieder – also nur etwas mehr als jedes dritte.

FDP-Mitgliederbefragung als Stimmungsbild

Das Mitgliedervotum hat keine praktischen Folgen. Denn in der Satzung steht: "Die Organe der Partei sind in ihrer Willensbildung nicht an das Ergebnis der Mitgliederbefragung gebunden." Das Ergebnis gilt aber als wichtiges Stimmungsbild. Hätte es eine Mehrheit für ein Verlassen der Ampel gegeben, hätte dies die innerparteiliche Diskussion angeheizt und die Parteiführung unter Druck gesetzt. Für die Ampel-Koalition hätte dies mit großer Wahrscheinlichkeit neue Turbulenzen bedeutet.

Die Parteiführung hatte dafür geworben, für einen Verbleib in der Ampel zu stimmen. Das relativ niedrige Interesse der FDP-Basis an der gestellten Frage – eine Beteiligung an der Befragung von rund 36 Prozent – und das Ergebnis stärken nun auch den Parteivorsitzenden Christian Lindner.

Parteispitze bewertet Ausgang der Mitgliederbefragung positiv

Dieser sieht das Ergebnis der Mitgliederbefragung zum Verbleib in der Ampel-Koalition als "klaren Auftrag, im Regierungshandeln weiter liberales Profil zu zeigen". Das schrieb der Bundesfinanzminister am Montag nach Bekanntgabe des Ergebnisses auf X. Den Ausgang der Abstimmung sehe er "als Ausdruck der Verantwortung für Deutschland".

FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai schrieb in einer Mitteilung: "Noch nie haben sich so viele Parteimitglieder an einem innerparteilichen Meinungsbildungsprozess der FDP beteiligt." Die Befragung habe deutlich gemacht, dass die Partei "Verantwortung für unser Land tragen und gestalten" will. Die Mitglieder wünschten sich "eine klare liberale Handschrift in der Regierungspolitik".

"Mit diesem Rückenwind machen wir es jetzt gestärkt besser in der Koalition", sagte der FDP-Vizevorsitzende Wolfgang Kubicki in einer ersten Reaktion der Funke Mediengruppe einem Vorabbericht zufolge. "Tatsache ist nun: Die Partei will die weitere Beteiligung der FDP in der Regierung mit klarer Mehrheit. Die 'schweigende Mehrheit' wollte offenbar auch keinen Austritt aus der Regierung."

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) schrieb im Onlinedienst X, das Ergebnis zeige, dass eine Mehrheit der FDP-Basis möchte, dass die Partei weiter Verantwortung übernehme. Einschränkend fügte der Minister hinzu: "Das konkrete Ergebnis ist aber auch ein Auftrag" - an wen und wozu, ließ Buschmann zunächst offen.

Kritischer äußerte sich der FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler. Er wertete das Ergebnis als "deutlichen Warnschuss". Auf X schrieb er: "Wir können nicht so weitermachen wie bisher. Die FDP muss klarer für ihre Positionen stehen und sich der 'Vergrünung' der Politik widersetzen." Schäffler hatte 2010 einen letztlich gescheiterten FDP-Mitgliederentscheid gegen den Euro-Rettungsschirm ESM initiiert.

Bayerische FDP: "Keine Mehrheit für's Hinschmeißen"

Bayerns FDP-Chef Martin Hagen schrieb auf X: "Verantwortung zu tragen, gerade in schwierigen Zeiten, ist mühsam - aber notwendig. Es gibt in der FDP keine Mehrheit für's Hinschmeißen. Das knappe Ergebnis ist aber ein Arbeitsauftrag: Die Ampel muss in der zweiten Halbzeit überzeugender agieren."

Die Co-Vorsitzende der FDP in Bayern, Katja Hessel, begrüßte das Ergebnis der Mitgliederbefragung. Die Bundestagsabgeordnete sagte BR24, es handele sich um "ein klares Zeichen auch dafür, dass die Mehrheit der Mitglieder Verantwortung der FDP in der Regierung sehen will". Die FDP sei gewählt worden, um Verantwortung zu übernehmen und zu gestalten. "Deshalb ist es gut, dass wir in der Regierung bleiben", so die FDP-Politikerin wörtlich.

Zugleich wertet Hessel das Ergebnis als Auftrag an die Bundesregierung, mehr miteinander zu reden als übereinander. Das könne "eine bessere Stimmung" erzeugen. Zudem müsse die FDP parteiinternen Kritikern entgegenkommen, so Hessel: "Wir müssen viel deutlicher zeigen, was der Erfolg der FDP in der Regierung ist, was es ausmacht, dass die FDP mitregiert." Als Beispiel nannte Hessel das Inflationsausgleichsgesetz. Das habe im vergangenen Jahr 50 Milliarden Euro Entlastung für 48 Millionen Bürger gebracht.

Mitinitiator der Mitgliederbefragung will neuen FDP-Kurs

Einer der Initiatoren der knapp verlorenen FDP-Mitgliederbefragung, Matthias Nölke, drängt weiter auf einen neuen Kurs der Liberalen. "Das Ergebnis ist ein deutliches Zeichen für die Unzufriedenheit in der Partei", sagte der Kasseler FDP-Kreisvorsitzende am Montag der Deutschen Presse-Agentur. Die Parteiführung müsse dies bei ihrem künftigen Agieren in der Ampelregierung berücksichtigen.

"Ich respektiere natürlich das Ergebnis durch diese demokratische Entscheidung", betonte Nölke. Er werde es nutzen, um sich auch zukünftig für eine bessere Politik innerhalb der FDP und der Koalition einzusetzen, "damit wir Glaubwürdigkeit und Wählerstimmen zurückgewinnen können und es auch nach (der Bundestagswahl) 2025 noch eine FDP im Deutschen Bundestag gibt."

Nölke, der bis 2021 Bundestagsabgeordneter war, hatte kürzlich kritisiert, dass sich die Freidemokraten in der Koalition mit SPD und Grünen zu wenig durchsetzten, etwa in der Finanz- und Klimaschutzpolitik.

Abstimmung nach FDP-Wahlschlappen in Bayern und Hessen

Der FDP-Bundesvorstand hatte die Befragung am 18. Dezember gestartet, nachdem 598 Mitglieder dies beantragt hatten. Zwei Wochen lang konnten sich die Mitglieder online daran beteiligen. Die Fragestellung lautete: "Soll die FDP die Koalition mit SPD und Grünen als Teil der Bundesregierung beenden?" Geantwortet werden konnte mit "Ja" oder "Nein".

Die Initiative für das Mitgliedervotum folgte auf einen offenen Brief von 26 Landes- und Kommunalpolitikern der FDP. Sie hatten nach den schlechten Wahlergebnissen in Hessen und Bayern gefordert, die FDP müsse ihre Koalitionspartner überdenken. In Bayern hatte die FDP im vergangenen Oktober den Einzug in den Landtag verpasst. In Hessen schaffte sie es nur knapp über die Fünf-Prozent-Hürde.

Zuvor hatte die FDP seit dem Eintreten in die Ampel-Koalition bei fünf weiteren Landtagswahlen Misserfolge eingefahren. Bei Wahlen in Berlin, Niedersachsen und im Saarland scheiterte sie ebenfalls an der Fünf-Prozent-Hürde. In Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen blieb sie im Landtag, flog aber aus der Regierung. Die Beteiligung an der Ampel-Koalition im Bund war in Teilen der Partei von Anfang an umstritten.

Wohl schwieriges Wahljahr 2024 für die Liberalen

Auch das Wahljahr 2024 verspricht für die FDP schwer zu werden. Die Umfragen für die drei Landtagswahlen im September in Sachsen, Thüringen und Brandenburg sehen die Liberalen bei drei bis fünf Prozent. Sie sind allerdings schon mehrere Wochen alt. In Sachsen und Brandenburg sitzt die FDP schon jetzt nicht im Landtag. Für die Europawahl im Juni gibt es noch keine nationalen Umfragen - 2019 hatte die FDP nicht gerade berauschende 5,4 Prozent geholt.

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