In den USA wird Biden auch auf innenpolitische Interessen Rücksicht nehmen müssen.
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In den USA wird Biden auch auf innenpolitische Interessen Rücksicht nehmen müssen.

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Die USA im Nahost-Konflikt: Engagement und eigene Interessen

Kein anderes Land hat sich im Nahost-Konflikt in den vergangenen Jahrzehnten so engagiert wie die USA. Öffentlich ging es dabei oft um eine Annäherung zwischen Israelis und Palästinensern. Die US-Präsidenten verfolgten aber immer auch eigene Ziele.

Über dieses Thema berichtet: Bayern 2 Zündfunk am .

US-Außenminister Antony Blinken wurde bei seiner Anhörung immer wieder unterbrochen. Gemeinsam mit Verteidigungsminister Lloyd Austin wollte er ein Hilfspaket von 105 Milliarden US-Dollar für die Ukraine und Israel erläutern. Doch immer wieder reckten Demonstranten, die im Saal weit hinter Blinken saßen, rot bemalte Hände in die Luft. Die Hände sahen aus, als seien sie mit Blut beschmiert. Gedacht als Protest gegen die Einsätze der israelischen Armee im Gaza-Streifen seit dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober. Blinken erklärte, man kenne das Leid, das sich in diesem Moment ereigne: "Wir alle sind entschlossen, es zu beenden."

Die Biden-Regierung ist seit Anfang Oktober zurück in Nahost, auch um einen Flächenbrand zu vermeiden. Es ist ein Konflikt, in dem sich schon viele US-Präsidenten engagiert haben. Sie verfolgten dabei höchst unterschiedliche Interessen und Ziele, wie eine aktuelle Folge von 11km, dem tagesschau-Podcast zeigt.

Bushs Hintergedanken zu Saudi-Arabien

Als George W. Bush im September 2002 vor den Vereinten Nationen seinen Friedensplan Road Map verkündete, spielten andere Gedanken auch eine Rolle. Bush sagte, er fühle sich einem palästinensischen Staat verpflichtet, der Seite an Seite mit Israel in Frieden und Sicherheit existiert. Aber Bush zielte damit auf die Unterstützung Saudi-Arabiens in einem ganz anderen Vorhaben. Denn seit dem Terroranschlag vom 11. September 2001 auf New York und Washington machte US-Präsident Bush nicht nur die Taliban in Afghanistan, sondern auch den irakischen Diktator Saddam Hussein für den Terror verantwortlich. Ein militärischer Angriff auf Irak sei aber politisch nur möglich mit Zustimmung der Saudis, erklärte der frühere US-Nahostberater und Hardliner Kenneth Pollack im US-Fernsehsender PBS im Jahr 2002.

Fehleinschätzung: Die USA schultern das alleine

Die Vertreter Saudi-Arabiens verlangten damals, auf der Höhe der zweiten Intifada, einen neuen Anlauf der USA für eine Annäherung zwischen Israelis und Palästinensern. Das Beispiel zeigt, dass der Einsatz von US-Präsidenten in Nahost häufig auch von anderen außen- oder innenpolitischen Interessen geleitet wird. Und vom politischen Selbstbild: Die neokonservativen Kräfte rund um Bush hielten Alleingänge der USA als einzig verbliebener Supermacht der Welt für möglich. Heute gilt das als Fehleinschätzung.

Kriegsmüde Amerikaner

Schon der Nachfolger, US-Präsident Barak Obama, war angetreten, um Bushs "Krieg gegen den Terror" zu beenden. Die US-Bevölkerung wollte einen Wechsel. Sie war kriegsmüde. Obama war zuvor Senator im US-Bundesstaat Illinois, einem Staat mit einer großen palästinensisch-amerikanischen Gemeinde und vielen liberalen Amerikanern jüdischen Glaubens. Selten habe ein Präsident ein so ausgewogenes Verständnis des Nahost-Konflikts gehabt, schrieb eine Zeitung über den gewählten, neuen Präsidenten. Die US-Demokraten sahen darin womöglich das Mandat, an ihre Nahost-Politik der 90er Jahre, an Oslo und Camp David anzuschließen.

Woran Obama scheiterte

Doch die Lage vor Ort hatte sich dramatisch verändert. Die palästinensische Hamas-Organisation hatte 2006 Wahlen gewonnen. Und als der Versuch der USA scheiterte, mit finanzieller und militärischer Unterstützung für gemäßigte Palästinenser das Ergebnis zu annullieren, übernahm die Hamas im Gaza-Streifen gewaltsam die volle Kontrolle. Seitdem gab es zwei palästinensische Gebiet, Gaza und das Westjordanland. Obama scheiterte auch daran. Und an der Konfrontation mit Israels Premier Benjamin Netanjahu.

Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem

Sein Nachfolger in den USA, der Republikaner Donald Trump, schlug einen "Deal of the Century", ein Abkommen des Jahrhunderts für Nahost vor. Zu seinen Wählern gehörten evangelikale Amerikaner, denen er eine Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem versprach. Wählergruppen, für die nur ein Thema wahlentscheidend war, wie der Sturz der Mullahs in Teheran, kündigte Trump ein Ende des Atomdeals mit Iran an. Und er hielt seine Versprechen ein. Er brach mit der Diplomatie der vergangenen Jahrzehnte.

Trumps "Deal" kam nicht zustande

Nur kam Trumps "Deal" nicht zustande. Die palästinensische Führung im Westjordanland verweigerte sich endgültig, als die US-Regierung vorschlug, Israel könne palästinensisches Gebiet annektieren. Stattdessen ließ Trump von Israels Premier Netanjahu und mehrheitlich muslimischen Staaten, wie Bahrain und den Vereinigten Arabischen Emiraten, in Washington Verträge über eine Annäherung unterschreiben. Später folgten weitere Staaten. Vor dem Weißen Haus bekam der US-Präsident Bilder, die er im anstehenden Wahlkampf brauchte.

Und heute? In den vielen aktuellen Krisen setzt die US-Regierung unter Präsident Biden, wenn es ihr hilft, auf multilaterale Absprachen statt auf Alleingänge. Die USA sind nicht länger die einzige Supermacht, es gibt regionale Akteure wie Saudi-Arabien und Iran in Nahost. Und Kontrahenten wie China und Russland.

Rücksichtnahme auf innenpolitische Interessen

In den USA wird Biden auch auf innenpolitische Interessen Rücksicht nehmen müssen. Im kommenden Jahr steht er voraussichtlich zur Wiederwahl. Innerhalb seiner demokratischen Partei aber gibt es Kritik an der Rückkehr nach Nahost. Die "New York Times" schreibt, auf kurze Sicht würden amerikanische Regierungsbeamte ihre israelischen Partner immer energischer daran erinnern, dass die Militäroperation im Gaza-Streifen so angepasst werden müsse, dass zivile Opfer vermieden werden. Selbst dann, wenn Terroristen der Hamas-Organisation sich absichtlich unter die Zivilisten mischen.

Im Audio: Aktuelle Lage in Gaza und Israel am Mittwochmorgen

Fackeln der israelischen Streitkräfte erhellten den Nachthimmel im nördlichen Gazastreifen (Archivbild).
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Archivbild vom 31. Oktober: Fackeln der israelischen Streitkräfte erhellten den Nachthimmel im nördlichen Gazastreifen.

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