Vor den Bund-Länder-Beratungen am Mittwoch ist die Debatte über Öffnungen voll entbrannt.
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Vor den Bund-Länder-Beratungen am Mittwoch ist die Debatte über Öffnungen voll entbrannt.

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Debatte: Corona-Lockerungen zu Beginn der "dritten Welle"?

Am Mittwoch beraten Bund und Länder über das weitere Vorgehen in der Corona-Pandemie. Doch wie weitere Lockerungen beschließen, wenn die Zahlen steigen? Die SPD fordert dazu eine Neuausrichtung der Impf- und Teststrategie.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Die Corona-Zahlen in Deutschland steigen allmählich wieder, Gesundheitsexperten sehen darin bereits den Beginn der dritten Welle. In verschiedenen Meinungsumfragen der vergangenen Woche zeichnete sich unterdessen eine Art Stimmungswechsel in der Bevölkerung ab – hin zu mehr Corona-Lockerungen. Vor den Bund-Länder-Beratungen am Mittwoch ist die Debatte über Öffnungen voll entbrannt.

Erste Lockerungen ziehen weitere Forderungen nach sich

Am heutigen Montag öffnen in Bayern unter anderem Friseure, Gärtner und Baumärkte. Anlass für andere Branchen, auf ihre existenzgefährdende Lage hinzuweisen. Der Bayerische Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA Bayern) ruft zur landesweiten Protestaktion "Gedeckter Tisch" und fordert Lockerungen. Das Ziel: Gleichbehandlung der Gastronomie und Hotellerie mit dem Einzelhandel oder Baumärkten.

Der Kinderärzte-Verband ist indessen für eine schnelle Öffnung von Schulen. "Auch nach dem Auftreten von Virusmutationen bleibt es dabei, dass Kinder und Jugendliche keine Treiber der Pandemie sind", sagte der Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), Thomas Fischbach, den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland.

Während erster Lockerungen steigen die Corona-Zahlen

Vor dem Hintergrund heftiger Forderungen nach Lockerungen der Corona-Maßnahmen warnte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Sonntag: "Wir brauchen eine kluge Öffnungsmatrix, die eine planbare Entwicklung hat, bei der man vorausschauend erkennen kann: Wenn mehr passiert, dann darf weniger geöffnet werden und wenn die Infektionszahlen nach unten sich entwickeln oder stabil sind, dann kann auch mehr passieren".

Die Zahlen steigen seit einigen Tagen wieder. Die Zahl der binnen sieben Tagen gemeldeten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner (Sieben-Tage-Inzidenz) lag laut RKI am Montagmorgen bundesweit bei 65,8 und stieg damit zum vierten Mal in Folge an. Für weitere Öffnungsschritte war bei der vorherigen Bund-Länder-Runde vereinbart worden, dass dafür im jeweiligen Bundesland zunächst eine Sieben-Tage-Inzidenz von maximal 35 "stabil" erreicht werden muss.

Lauterbach: Nur Negativ-Getestete sollen Geschäfte aufsuchen

Für den SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach ist eine neue Corona-Welle bereits Fakt. "Die dritte Welle hat begonnen, ist nicht mehr zu stoppen...", schrieb Lauterbach am Sonntag auf Twitter. Doch auch er hört den Ruf nach Lockerungen. Für ihn sind diese aber nur unter einer Änderung der Impf- und Test-Strategie möglich.

Zum einen müsse die Impfstrategie geändert werden und die Erstimpfung aller Impfstoffe vorgezogen werden. In Betriebe und Schulen sollten zudem Corona-Schnelltests durchgeführt werden. "Am Tag des Tests darf man in Geschäfte mit Vorlage der Bescheinigung", so Lauterbach.

SPD drängt auf Corona-Lockerungen

Auch die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) befürwortet die Öffnung vieler Geschäfte und Einrichtungen ab dem Frühjahr unter Verwendung von Corona-Schnelltests. Mit Blick auf Corona-Selbsttests für den Hausgebrauch, die seit wenigen Tagen in Deutschland zugelassen sind, forderte Dreyer aber Unterstützung für Menschen mit niedrigem Einkommen. "Selbsttests dürfen kein Luxusgut für Besserverdiener werden", sagte sie.

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) erhofft sich von den Bund-Länder-Gesprächen am Mittwoch Lockerungen der Corona-Beschränkungen. "Für mich ist ganz klar, dass es Öffnungsschritte geben muss", sagte Giffey dem "Handelsblatt". "Die neuen Entwicklungen bei der Zulassung von Selbsttests und das begonnene Impfen geben Rückenwind dafür."

Scholz will weg vom Inzidenz-Credo

Auch Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) spricht sich für einen Strategiewechsel in der Corona-Politik aus. Der Bundesfinanzminister und SPD-Kanzlerkandidat sagte am Sonntagabend der "Bild": "Ich bestehe darauf, dass wir am Mittwoch eine Öffnungsperspektive konkret formulieren." Scholz sagte, die Möglichkeiten von Schnelltests müssten "aktiv für eine Öffnungsstrategie" genutzt werden. Testen sei "ein Teil des Wegs aus dem Lockdown". Aus seiner Sicht sollten die Inzidenzwerte von 35 und 50 künftig nicht als alleiniger Maßstab für Lockerungen zu sehen sei. Wenn die Infektionszahlen "ein bisschen schwanken, ist das etwas, das wir - mit einer Test-Strategie verknüpft - möglicherweise gut hinkriegen können".

Scholz forderte zugleich, dass man sich auch darüber verständigen müsse, ab welcher Grenze Öffnungen wieder zurückgenommen werden sollten. Denn man müsse unbedingt verhindern, "dass die Zahlen wieder explodieren".

Grüne: "Öffnungen nur sehr punktuell möglich"

Der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen warnte in der Bayern 2-radioWelt davor, in der Corona-Pandemie zu schnell die Beschränkungen zurückzunehmen. Vor dem Hintergrund der beginnenden dritten Welle seien Öffnungen "nur sehr punktuell" möglich und auch nur, wenn die zahlen deutlich unter 50 seien. "Und auch nur, wenn wir den Menschen ein Sicherheitsgeländer an die Hand geben: bestehend einerseits aus Schnelltests, andererseits FFP2-Masken und eine deutlich bessere digitale Kontaktverfolgung", so Dahmen.

Öffnungen ohne diese Maßnahmen seien ein großes Risiko: "Hier manövrieren wir uns genau rein in die dritte Welle und machen uns alles kaputt, was wir uns mühsam gemeinsam in den letzten Monaten erarbeitet haben. Das darf auf keinen Fall passieren."

Am Mittwoch beraten die Regierungschefinnen und -chefs der Bundesländer erneut mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). BR24 überträgt die anschließende Pressekonferenz im Livestream.

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