Ein Schild zur Maskenpflicht steht auf der Strandpromenade im Ostseebad auf der Insel Rügen.
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Ein Schild zur Maskenpflicht steht auf der Strandpromenade im Ostseebad auf der Insel Rügen.

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Streit um Änderungen am Infektionsschutzgesetz geht weiter

"Brücken-Lockdown", bundeseinheitliche Ausgangsbeschränkungen und Schulregelungen. Regierung und Opposition ringen um eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes. Dem Bund sollen mehr Kompetenzen bei der Verhängung von Corona-Maßnahmen zukommen.

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Während die Sieben-Tage-Inzidenz in Deutschland am Montagmorgen auf 136,4 gestiegen ist, wird in Berlin weiter um die Feinabstimmung zwischen Bund und Ländern gerungen. In Windeseile soll dazu das Infektionsschutzgesetz nachgeschärft werden. Ziel ist es, bundesweit einheitliche Regelungen für Regionen mit hohen Infektionszahlen zu schaffen und dem Bund dafür die alleinige Kompetenz zu übertragen.

Länder sollen Kompetenzen an Bund abgeben

Bundesweite nächtliche Ausgangssperren, eingeschränkte Öffnungsmöglichkeiten von Geschäften oder die Schließung von Freizeiteinrichtungen sollen per Rechtsverordnung des Bundes beschlossen werden können. Ab einem Schwellenwert von 200 soll Präsenzunterricht in Schulen dann verboten werden, heißt es in einem vorläufigen Entwurf der Bundesregierung vom Wochenende. Allerdings können Abschlussklassen davon ausgenommen werden, und die Länder können Notbetreuung nach eigenen Vorstellungen einrichten lassen.

Fraktionsspitzen von CDU und SPD mahnen zur Eile

Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) hat die Bundestagsopposition zu einer schnellen Entscheidung über die Mitwirkung an den geplanten Änderungen am Infektionsschutzgesetz gedrängt. "Es geht um Menschenleben", sagte er im ARD-"Morgenmagazin. "Wir sind in einer dramatischen Situation." Er appelliere daher "dringend" an die Opposition, die Beschlussfassung über die geplanten Änderungen noch "diese Woche zu Ende zu bringen". Brinkhaus drängte die Oppositionsparteien zu einer umgehenden Grundsatzentscheidung. "Alle Argumente liegen seit Monaten auf dem Tisch, alle Maßnahmen sind bewertet." Es sei seiner Meinung keine zusätzliche Zeit für Abwägungen über eine Zustimmung nötig.

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich zeigt sich optimistisch, das neue Infektionsschutzgesetz noch in dieser Woche zu verabschieden. "Wir sind auf einem guten Weg. Und wir werden heute auch in entscheidenden Gesprächen mit der Bundesregierung, mit dem Koalitionspartner, etwas finden", sagt er im ARD-Morgenmagazin.

Strittige Themen wie Ausgangsbeschränkungen müssten verbindlicher gemacht werden. Auch die Testung in Unternehmen und das Kinderkrankengeld müssten berücksichtigt werden. Auf die Frage, ob das neue Gesetz in dieser Woche verabschiedet werden könne, sagte er, das komme auch auf die Gespräche mit der Opposition an. "Wir würden es gerne letztlich tun, ich glaube, (Unions-Fraktionschef) Herr Brinkhaus auch." Dazu müsse man aber einen belastbaren Gesetzentwurf vorlegen.

FDP will gegen Gesetzesänderung stimmen

Die FDP wird ihrem Vorsitzenden Christian Lindner zufolge einen Gesetzentwurf zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes mit einer Ausgangssperre nicht mittragen. "Die Ausgangssperre pauschal sehen wir prinzipiell kritisch und hätten sie nicht in einen Maßnahmenkatalog aufgenommen", sagt Lindner im Deutschlandfunk. Auf die Frage, ob die FDP einem Entwurf, der die Ausgangssperre enthalte, nicht zustimmen würde, antwortet Lindner: "Das ist korrekt." Ausgangssperren seien "bis auf wenige Ausnahmefälle" unverhältnismäßig. Die jetzt vorgeschlagenen Maßnahmen seien verfassungsrechtlich fragwürdig und teilweise epidemiologisch nicht wirksam.

Signale der Zustimmung aus den Ländern

Vorwiegend geht es bei der Gesetzesänderung um die Übertragung von Länderkompetenzen auf den Bund. In Bayern bahnt sich dabei ein Koalitionsstreit an, Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) ist gegen den Kompetenzverlust. Bleibt Aiwanger dieses Mal hart, könnte das zu einer Enthaltung Bayerns in einer späteren Bundesratsabstimmung über das Gesetz führen. Im Zuge Söders Bewerbung um die Kanzlerschaft eigentlich undenkbar.

Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) äußerte Verständnis für die angekündigte Verschärfung des Bundesinfektionsschutzgesetzes: "Das teilweise Hin- und Herschieben von Verantwortlichkeiten zwischen Bund und Ländern hat nicht weitergeholfen. Ich kann daher die Haltung des Bundes ein Stück weit nachvollziehen, dass er bei entsprechend hoher Infektionslage die Handhabe zur Nachsteuerung über das Infektionsschutzgesetz zumindest realistisch in Erwägung ziehen können will", sagte der CDU-Politiker.

Auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer sieht noch "erheblichen Gesprächsbedarf" bei der geplanten Neufassung des Infektionsschutzgesetzes. So dürften sich Regelungen für Einschränkungen nicht allein an Inzidenzwerten orientieren, erklärte der CDU-Politiker. Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) sieht ebenfalls "leider noch viele Lücken", dringt aber auf eine rasche Umsetzung.

Drinnen lauert die Gefahr: Aerosol-Forscher fordern weiter Umdenken

Während in Berlin um Details gefeilscht wird, fordern führende deutsche Aerosol-Forscher von der Politik einen Kurswechsel bei den Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Seuche. "Wenn wir die Pandemie in den Griff bekommen wollen, müssen wir die Menschen sensibilisieren, dass DRINNEN die Gefahr lauert", heißt es in einem Brief an die Bundesregierung und an die Landesregierungen, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Es gilt als sicher, dass sich das Coronavirus vor allem über Luft verbreitet. "Leider werden bis heute wesentliche Erkenntnisse unserer Forschungsarbeit nicht in praktisches Handeln übersetzt", kritisieren die Verfasser.

In Wohnungen, Büros, Klassenräumen, Wohnanlagen und Betreuungseinrichtungen müssten Maßnahmen ergriffen werden. In Innenräumen finde auch dann eine Ansteckung statt, wenn man sich nicht direkt mit jemanden trifft, sich aber ein Infektiöser vorher in einem schlecht belüfteten Raum aufgehalten hat, warnen sie. Debatten über das Flanieren auf Flusspromenaden, den Aufenthalt in Biergärten, das Joggen oder Radfahren seien hingegen kontraproduktiv.

Auch die Ausgangssperren versprechen aus Sicht der Wissenschaftler mehr als sie halten können. "Die heimlichen Treffen in Innenräumen werden damit nicht verhindert, sondern lediglich die Motivation erhöht, sich den staatlichen Anordnungen noch mehr zu entziehen", schreiben sie.

Unter Verwendung von dpa-, AFP- und Reuters-Material.

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