HANDOUT - 18.10.2023, Israel, Tel Aviv: Joe Biden (vorne,l-r), Präsident der USA, wird von Benjamin Netanjahu, Ministerpräsident von Israel, nach seiner Ankunft auf dem internationalen Flughafen Ben Gurion begrüßt. Foto: Avi Ohayon/GPO/dpa - Nutzung nur nach vertraglicher Vereinbarung +++ dpa-Bildfunk +++
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Nahostkonflikt - US-Präsident Biden in Israel

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Biden: Explosion in Klinik offenbar nicht von Israel verursacht

US-Präsident Joe Biden ist nach dem Großangriff der radikalislamischen Hamas zu einem Solidaritätsbesuch in Israel eingetroffen. Er hält den Raketenangriff auf eine Klinik in Gaza nicht für einen israelischen. Doch noch gebe es viele Unsicherheiten.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

US-Präsident Joe Biden hat Israel bei seinem Besuch nach dem Hamas-Angriff die feste Unterstützung seines Landes zugesichert, zugleich aber ein maßvolles Vorgehen angemahnt. Biden war am Morgen in Tel Aviv angekommen und dort vom israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu begrüßt worden.

Biden: Nicht den gleichen Fehler machen wie die USA nach 9/11

Israel solle nicht die "Fehler" der USA nach den islamistischen Terroranschlägen vom 11. September 2001 wiederholen, sagte Biden am Mittwoch bei einer Rede in Tel Aviv. Israel dürfe von seiner "Wut" auf den Großangriff der radikalislamischen Palästinenserorganisation nicht "verzehrt" werden.

"Nach 9/11 waren wir in den USA wütend", sagte Biden. "Während wir Gerechtigkeit gesucht und Gerechtigkeit erhalten haben, haben wir auch Fehler begangen." Der nach den Terroranschlägen 2001 von den USA ausgerufene "Krieg gegen den Terrorismus" hatte unter anderem zu den verheerenden Kriegen in Afghanistan und im Irak geführt.

Der US-Präsident rief Israel in seiner Rede zu einem Schutz der Zivilbevölkerung im Gazastreifen auf. Er kündigte zudem neue humanitäre Hilfen für die Palästinenser im Gazastreifen und im Westjordanland in Höhe von 100 Millionen Dollar (rund 95 Millionen Euro) an. Biden hatte schon vor seinem Israel-Besuch vor einer Besetzung des Palästinensergebiets gewarnt.

Wer ist für den Raketenangriff auf die Klinik in Gaza verantwortlich?

Die verheerende Explosion in einem Krankenhaus in Gaza ist nach Einschätzung von Biden nicht von einem israelischen Luftangriff ausgelöst worden. "Nach dem, was ich gesehen habe, sieht es so aus, als ob es vom anderen Team gemacht wurde, nicht von Ihnen", sagte Biden dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu während eines Treffens. Es gebe jedoch viele Menschen, die sich nicht sicher seien, was die Explosion verursacht habe. Biden erklärte nicht näher, weshalb er die israelische Darstellung für glaubwürdig hält. Er sei tief betrübt und empört über die Explosion, sagte er.

Die militant-islamistische Hamas habe bei ihren Terrorangriffen am 7. Oktober 1.400 Israelis abgeschlachtet, darunter sogar Kinder. Seine Landsleute trauerten um die Toten. "Die Amerikaner sind besorgt", sagte Biden. Biden betonte, die Hamas stehe nicht für alle Palästinenser und habe ihnen ohnehin nur Leid gebracht. Es müssten Mittel und Wege gefunden werden, um "Palästinensern zu helfen, die unschuldig sind und mitten in diesem Konflikt stecken".

Die Hamas macht Israel verantwortlich

Die Hamas bezeichnete die Explosion in der Klinik am Dienstag als schreckliches Massaker, das durch einen israelischen Angriff verursacht worden sei. Der Islamische Dschihad wies Anschuldigen Israels zurück und beschuldigte die israelische Regierung, sich der Verantwortung für ein brutales Massaker zu entziehen.

Die Organisation verwies auf die Anordnung aus Israel, das Al-Ahli-Krankenhaus zu evakuieren, und auf Berichte über eine frühere Explosion in der Klinik als Beweis dafür, dass das Gelände ein israelisches Ziel sei. Auch das Ausmaß der Explosion, der Fallwinkel der Bombe und die Zerstörung deuteten demnach auf Israel als Verursacher hin.

Es habe mindestens 471 Todesopfer gegeben, erklärte am Mittwoch das Gesundheitsministerium der von der radikalen Palästinenserorganisation geführten Regierung im Gazastreifen.

Israelische Armee: Palästinenser selbst verantwortlich

Der israelische Armeesprecher Daniel Hagari wiederum sagte vor Journalisten, auf einem Parkplatz neben der Klinik seien Zerstörungen vor allem durch eine sehr große Menge an Raketenantriebsmittel (Propellant) zu erklären. "Der Treibstoff hat eine größere Explosion ausgelöst als der Sprengkopf selbst." Darum seien Fahrzeuge in Brand geraten. Auf dem Parkplatz hätten sich zum Zeitpunkt der Explosion viele Menschen aufgehalten.

Es gebe auch keine typischen Zerstörungen an den umliegenden Gebäuden oder einen Krater wie nach einem israelischen Luftangriff, betonte Hagari. "Der Parkplatz wurde nicht von Munition der Luftwaffe getroffen." Es gebe häufiger Vorfälle fehlgeleiteter Raketen militanter Palästinenser, die im Gazastreifen selbst einschlugen, sagte er.

Palästinenser hatten Zuflucht gesucht

Ärzte in Gaza bemühten sich am Mittwoch verzweifelt um das Leben der teils schwer verwundeten Opfer der massiven Explosion. Die Mediziner operierten direkt auf dem Fußboden, oft ohne Narkose. Medikamente und Verbandsmaterial waren knapp. Hunderte Palästinenser hatten in der Klinik und anderen Krankenhäusern in Gaza Zuflucht gesucht, in der Hoffnung, dort vor israelischen Luftangriffen sicher zu sein. Israel hatte zuvor die Bewohner des nördlichen Gazastreifens aufgefordert, das Gebiet zu verlassen und in den Süden zu gehen.

Der plastische Chirurg Ghassan Abu Sitta, der in dem Klinikum arbeitet, sagte, das Krankenhaus sei überfüllt gewesen, als er eine laute Explosion gehört habe und die Decke seines Operationssaals eingestürzt sei. "Die Verwundeten stolperten auf uns zu", schrieb er in einem auf Facebook veröffentlichten Bericht.

Die Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen" reagierte auf der Kurznachrichtenplattform "X" geschockt. "Nichts rechtfertigt diesen schockierenden Angriff auf ein Krankenhaus, auf die vielen Patient*innen und medizinischen Mitarbeiter*innen sowie die Menschen, die dort Schutz gesucht haben. Krankenhäuser dürfen nicht angegriffen werden", hieß es. In bewaffneten Auseinandersetzungen müssten Krankenhäuser geschützt werden, schrieb die Organisation. "Es ist auch für uns sehr schwer, an gesicherte Informationen aus dem Gazastreifen zu kommen. Unsere Kommunikation bezieht sich auf Berichte von Kolleg*innen vor Ort."

Laut der Hilfsorganisation Roter Halbmond haben die Krankenhäuser in Gaza in den vergangenen Tagen mehrfach Drohungen der israelischen Armee erhalten. Die internationale Gemeinschaft müsse Druck auf Israel ausüben, damit Evakuierungsaufforderungen zurückgenommen würden, hieß es in einer Pressemitteilung. Die Anweisungen Israels seien unmöglich umzusetzen und bedeuteten für viele Patienten den sicheren Tod.

Jordanien sagt Treffen mit Biden ab

Ziel von US-Präsident Bidens Kurzreise ist es, den Krieg zwischen Israel und der Hamas einzudämmen und Hilfslieferungen in den abgeriegelten Gazastreifen zu ermöglichen. Biden und Netanjahu sollen zunächst mit Mitgliedern des israelischen Kriegskabinetts zusammenkommen. Geplant war nach Angaben des Weißen Hauses auch ein Treffen mit israelischen Ersthelfern und Angehörigen der Opfer und Geiseln des Großangriffs der Hamas auf Israel.

Ein Sprecher des Weißen Hauses für nationale Sicherheit, John Kirby, sagte Reportern an Bord der Präsidentenmaschine Air Force One, dass Biden ein Gefühl für die Situation vor Ort bekommen wolle und einige schwierige Fragen stellen werde. "Er wird sie als Freund stellen", fügte Kirby hinzu.

Jordanien sagte nach dem Raketeneinschlag ein für Mittwoch geplantes Gipfeltreffen mit Biden, dem jordanischen König Abdullah II., dem ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi sowie Palästinenserpräsident Mahmud Abbas ab. Biden sagte in der Folge seine für Mittwoch geplante Weiterreise von Israel nach Jordanien ab. Das Weiße Haus teilte mit, Biden werde nun nur noch Israel besuchen.

Unzufriedenheit im Westjordanland wächst

Nach der Explosion an besagtem Krankenhaus im Gazastreifen riefen die politischen Palästinenserfraktionen im von Israel besetzten Westjordanland zu Konfrontationen mit israelischen Soldaten auf. Der Protest am Mittwoch richte sich auch gegen den Besuch von US-Präsident Joe Biden in Israel, hieß es.

Die Sicherheitslage im Westjordanland ist seit dem Großangriff von Hunderten Hamas-Terroristen auf Israel am 7. Oktober sehr angespannt. Seither wurden bei Konfrontationen mit israelischen Soldaten und Siedlern 62 Palästinenser getötet und 1.250 verletzt, wie das Gesundheitsministerium in Ramallah mitteilte.

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Joe Biden, Präsident der USA, wird von Benjamin Netanjahu, Ministerpräsident von Israel, nach seiner Ankunft auf dem internationalen Flughafen Ben Gurion begrüßt.
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Joe Biden, Präsident der USA, wird von Benjamin Netanjahu, Ministerpräsident von Israel, nach seiner Ankunft begrüßt.

Mit Informationen von dpa

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