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Alkoholfreies Bier wird in Deutschland immer beliebter. Als Beispiel ein Blick aufs Münchner Oktoberfest: Von 2018 bis 2022 ist dort die Menge des ausgeschenkten alkoholfreien Biers von 1.530 auf 1.960 Hektoliter gestiegen. Diese Zahl könnte heuer weiter ansteigen, erklärte ein Sprecher der Wiesn auf Nachfrage von BR24. Zum Vergleich: Alkoholhaltiges Bier wird auf dem Oktoberfest weiterhin deutlich häufiger ausgeschenkt, allerdings ist diese Zahl von 78.705 ausgeschenkten Hektolitern im Jahr 2018 auf 71.340 im Jahr 2022 gesunken.
Die Gründe für den gestiegenen Konsum von alkoholfreiem Bier sind vielfältig. Dazu zählen gesundheitliche Aspekte, eine bessere Vermarktung – und der immer bessere Geschmack der alkoholfreien Alternativen, wie auch manche User bei BR24 kommentierten.
Jeder zweite Deutsche trinkt alkoholfreies Bier
"Wir rechnen damit, dass schon bald jedes zehnte in Deutschland gebraute Bier alkoholfrei sein wird", hatte Holger Eichele, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauer-Bundes, bereits im Juli erklärt. Jeder zweite Deutsche trinkt demnach gelegentlich ein alkoholfreies Bier. Ganz unbedenklich ist das aber nicht für jeden.
Vorab: Bei alkoholfreiem Bier gibt es Unterschiede. Während gewöhnliches alkoholfreies Bier einen Alkoholgehalt von weniger als 0,5 Prozent enthalten darf, dürfen Biere mit dem Vermerk "0,0 % Alkohol" auf dem Etikett auch wirklich keinen, beziehungsweise maximal 0,03 Prozent Alkohol enthalten. Diese Menge sei auch in Lebensmitteln wie Brot oder Fruchtsäften möglich.
Alkoholfreies Bier: Ein Risiko für trockene Alkoholiker
Insbesondere trockene Alkoholiker sollten sich beim Konsum von alkoholfreiem Bier zurückhalten, ganz unabhängig davon, ob das Bier eine kleine Menge Restalkohol enthält oder ob es wirklich 0,0 Prozent Alkohol aufweist. Das liegt vor allem an der psychischen Abhängigkeit, erklärt Martina Auer, Leiterin der SKF-Suchtberatungsstelle für Bamberg und Forchheim im Gespräch mit BR24. Diese Art der Sucht geht mit dem starken Wunsch oder einem Zwang einher, ein Getränk wie beispielsweise Bier trinken zu wollen. Dabei spiele es nicht wirklich eine Rolle, ob das Bier alkoholisch sei oder nicht.
Die Flasche sehe gleich aus, der Geschmack sei ähnlich und das Bier werde häufig aus Gewohnheit in gewissen sozialen Situationen getrunken. Wenn trockene Alkoholiker noch den Wunsch verspüren, das Aroma zu riechen, die Flasche in der Hand zu haben, mit den Kumpels anzustoßen, dann hätten sie den Absprung häufig noch nicht geschafft, sagt Auer.
Öffnen einer Flasche kann das Suchtgedächtnis ansprechen
Hier kommt das sogenannte Suchtgedächtnis ins Spiel. Wenn ein Suchtmittel dauerhaft konsumiert worden ist, können sich Strukturen im Gehirn verändern. Demnach würden Rezeptoren ausgebildet, die auf den Suchtstoff anspringen und das Glückshormon Dopamin ausschütten. Konsumiert man das Suchtmittel über einen langen Zeitraum, bildet sich das Suchtgedächtnis weiter aus. Dann können sogar Umweltreize wie das Geräusch beim Öffnen der Flasche oder sogar ein Lied, das man mit Abenden in einer Kneipe verbindet, zu starkem Verlangen führen, heißt es dazu vonseiten des Blauen Kreuzes, einer Organisation zum Vorbeugen von Suchtkrankheiten.
Eine weitere Facette sei die körperliche Abhängigkeit, erklärt Suchtberaterin Auer. Alkohol ist ein Nervengift. Missbrauch sei für das Nervensystem extrem belastend. Bei einem Entzug müsse der Körper lernen, ohne das Suchtmittel zurechtzukommen. Bei schweren Alkoholabhängigkeiten führen schon kleine Mengen, wie beispielsweise eine Schnapspraline oder ein "alkoholfreies" Bier, das bis zu 0,5 Prozent Restalkohol beträgt, zum Risiko eines Rückfalls.
Auch Schwangere sollten aufpassen
Auch Schwangere sollten beim Konsum von alkoholfreiem Bier aufpassen. Wie es auf der Website der Charité Klinik für Geburtsmedizin in Berlin heißt, kann jeglicher Konsum von Alkohol in der Schwangerschaft ein Risiko für die gesunde Entwicklung des Kindes darstellen. Da viele "alkoholfreie" Biere geringe Mengen Alkohol enthalten, empfehlen die Experten Schwangeren, keine solchen Getränke zu konsumieren. Werde täglich ein halber Liter alkoholfreies Bier getrunken, entspreche das in etwa der Alkoholmenge von einem Glas Wein pro Woche. Auch Kinder sollten demnach kein "Alkoholfreies" trinken.
Ein Bier, das wirklich 0,0 Prozent Alkohol enthält, sei für Schwangere hingegen in Ordnung. Allerdings sollte auch dabei der Konsum in Maßen erfolgen. Ungesüßte Früchtetees und Wasser seien für Schwangere die besseren Getränke.
Stiftung Warentest zu alkoholfreiem Bier am Steuer
Für Autofahrer stellt alkoholfreies Bier laut Stiftung Warentest eher kein Problem dar. Demnach erreiche man die hierzulande geltende Obergrenze von 0,5 Promille selbst dann nicht, wenn man innerhalb kurzer Zeit viel alkoholfreies Bier trinke. Das habe das Institut für Rechtsmedizin der Universität Freiburg in einem Versuch herausgefunden. 67 Probanden haben innerhalb einer Stunde 1,5 Liter alkoholfreies Bier getrunken. Anschließend seien mehrere Blutproben genommen worden.
Bei den meisten der Testpersonen konnte dabei kein Alkohol im Blut nachgewiesen werden. Fündig wurden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei weniger als einem Drittel. Der höchste Wert lag dabei bei 0,0056 Promille. Bereits 30 Minuten nach dem letzten Bier hatten alle Testpersonen den Alkohol im Blut wieder abgebaut.
Ministerium: Etwa 280.000 Menschen in Bayern alkoholabhängig
Laut dem bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege gehört Alkohol neben dem Rauchen zu den wichtigsten verhaltensbedingten gesundheitlichen Risikofaktoren. In Bayern haben demnach mehr als eine Million Erwachsene einen riskanten Alkoholkonsum: Etwa 280.000 Menschen davon gelten als alkoholabhängig. Jährlich sterben laut dem Staatsministerium in Deutschland mehrere zehntausend Menschen vorzeitig infolge ihres Alkoholkonsums, mehrere hunderttausend müssen im Krankenhaus behandelt werden.
- Zum Artikel: Nicht nur in Franken - Wein ohne Alkohol wird salonfähig
Im Video: Alkoholfreies Bier ist kein Nischenprodukt mehr
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