Symbolbild "Seelenfänger - Das System Shincheonji"
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Seelenfänger: Experten warnen vor südkoreanischer Sekte

Der koreanische Endzeit-Kult "Shincheonji" breitet sich immer mehr in Deutschland aus. Vor allem im Umfeld von Hochschulen wirbt die Sekte um Mitglieder. Viele Experten warnen inzwischen vor der Bewegung.

Über dieses Thema berichtet: Theo.Logik am .

Ja, sie habe von Anfang an Red Flags gesehen, sagt Sophie. Und trotzdem blieb sie jahrelang dabei: bei Shincheonji, einer Bewegung aus Südkorea, die sich auch immer weiter in Deutschland ausbreitet.

"Neuer Himmel, neue Erde" heißt der Endzeitkult übersetzt. Die Anhänger der Bewegung versprechen sich eine neue Welt, in Einheit mit Gott. Auch in Deutschland stehen die Mitglieder dieser koreanischen Gemeinschaft auf den Straßen und versprechen nicht weniger als einen Schlüssel zur Bibel, zum Himmelreich. Eine Bibelauslegung, die Klarheit bringt – auch Sophie hatte die Hoffnung, endlich Antworten auf die ganz großen Fragen zu bekommen. Der Preis aber war hoch.

Experten warnen vor dem Kult

Viele Experten warnen inzwischen vor der Bewegung. Einer davon ist Oliver Koch, Weltanschauungsbeauftragter der Landeskirchen in Hessen. "Wenn man hineingeraten ist, berichten Aussteigerinnen und Angehörige von Manipulations-Taktiken", sagt er. "Sie berichten davon, dass sie einem großen Druck ausgesetzt sind. Sie berichten davon, dass ihnen nahegelegt wurde, mit Kritikerinnen und Kritikern nicht zu sprechen, also sich nicht kritisch zu informieren."

Koch sagt, dass Shincheonji-Anhänger systematisch von ihren Familien isoliert werden. "Oftmals wird den Angehörigen gar nicht gesagt, wo man eigentlich ist, weil man da nur Kritik erntet." Auch bei Sophie war es so, sie ging nicht mehr ans Telefon, isolierte sich von ihrer Familie, brach Kontakte ab.

Mitglieder müssen andere Mitglieder bespitzeln

Ein Informant aus dem inneren Kreis von Shincheonji erzählt in der aktuellen Staffel des BR-Podcasts Seelenfänger vom quasi militärischen Ton und Drill, der bei Shincheonji herrscht. Die Anhänger würden den ganzen Tag zum Missionieren geschickt, dazwischen eine Belehrung im Tempel, dann weiter Missionieren bis in die Nacht hinein.

Sophie ist an dem Druck fast zerbrochen. Stundenlang habe sie Bibelkurse besuchen müssen, die Anwesenheit sei Pflicht gewesen. Über andere Mitglieder habe sie in Stasi-Manier Berichte schreiben müssen. Irgendwann habe sie nicht mehr schlafen können. Immer wieder sei sie schweißgebadet und zitternd aufgewacht.

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BR-Podcast-Cover "Seelenfänger - Das System Shincheonji"

Seelenfänger - Das System Shincheonji

Hier geht's zu Staffel 3 des Podcasts "Seelenfänger"

Das Versprechen: Unsterblichkeit

Der Gründer und Anführer von Shincheonji lebt in Südkorea. Er heißt Lee Man-hee und ist bereits über 90 Jahre alt. Der selbsternannte "Pastor der Endzeit" hat im Lauf seines langen Lebens in verschiedenen koreanischen Kulten Erfahrungen gesammelt. Heute verheißt er seinen Anhängern nicht weniger als eine neue Welt, in Einheit mit Gott.

Zentral für die Ideologie von Shincheonji ist die Vorstellung, dass Lee Man-hee unsterblich ist. Wer ihm nachfolgt, so die Lehre, erlangt ebenfalls Unsterblichkeit, ewiges Leben. "Das ewige Leben, an das die Shincheonji-Mitglieder glauben, besteht darin, dass ihre Körper sich auf geheimnisvolle Weise in unsterbliche Körper verwandeln", sagt Hyon-wook Shin, einer der schärfsten Kritiker der Sekte in Südkorea. Für ihn ist die Lehre vom ewigen Leben der Shincheonji-Mitglieder unchristlich: "Das kann ja nicht sein. Das steht auch nicht in der Bibel."

Lange war Pastor Shin ein führendes Mitglied von Shincheonji und arbeitete als rechte Hand des Sektenführers, heute betreibt er eine Anlaufstelle für Kult-Aussteiger in Südkorea. Für Shincheonji ist er deshalb das personifizierte Böse, einmal hat die Bewegung ihn sogar entführt. Die südkoreanische Polizei musste ihn befreien. "Vielleicht wäre es noch gefährlicher gewesen, wenn ich nichts gegen Shincheonji gemacht hätte", sagt er. "Aber jetzt kennt mich fast jeder im ganzen Land."

"Das fühlt sich natürlich erst mal schön an"

Auch in Deutschland wächst die Bewegung. Vor allem in Frankfurt und Berlin sind Mitglieder des Kults unterwegs auf Missionierung. Sophie wurde in Frankfurt angeworben. Von einem jungen Mann, der sich als Theologiestudent ausgab: Ob sie sich ein Referat von ihm anhören will, ob sie mit in eine Bibelstunde kommen will. Von Shincheonji war da noch nicht die Rede. Und so merkt Sophie erst einmal gar nicht, wie sie immer tiefer in dieses System hineinrutscht. "Das fühlt sich natürlich erst mal schön an, wenn man in eine neue Gruppe kommt und dann das Gefühl hat, ich habe hier Anschluss gefunden und ich bin jetzt nicht ganz allein in dieser Gruppe."

Aber nach einiger Zeit in der Sekte hat sie ein anderes Bild: "Wenn ich im Gottesdienst war, habe ich Angstzustände bekommen. Wenn ich der Bibel gelesen habe, habe ich Angstzustände bekommen." Heute sagt sie, dass Shincheonji sie weggeführt hat vom christlichen Glauben: "Ich habe vorher richtig gern Bibel gelesen, aber ich konnte das einfach nicht mehr."

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