Menschen warten am Flughafen von Kabul darauf, evakuiert zu werden.
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Menschen warten am Flughafen von Kabul darauf, evakuiert zu werden.

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Afghanistan: Fotos der Evakuierung teils aus Kontext gerissen

Die Evakuierung von Ortskräften in Afghanistan wird kontrovers diskutiert. Doch nicht alle Fotos, die auf Twitter und Telegram geteilt werden, zeigen auch die Evakuierungsaktion. Ein #Faktenfuchs.

Der Hamid Karzai International Airport von Kabul in Afghanistan nach der Machtübernahme der Taliban. Erschütternde Szenen sind zu sehen: Hunderte Menschen versuchen verzweifelt, auf Gateways und Flugzeuge zu klettern, um so noch einen Platz in den Flugzeugen zu ergattern, die sie in Sicherheit bringen könnten. Unter ihnen sind Ortshelfer, die die Streitkräfte anderer Staaten, Journalisten oder internationale Organisationen als Fahrer, Köche oder Übersetzer unterstützt haben und jetzt vor den Taliban flüchten, weil sie Racheaktionen befürchten.

Die Evakuierung von Ortshelfern aus Afghanistan wird im Netz breit diskutiert. In diesem Zusammenhang verbreiten sich auch Fotos, die zeigen sollen, wen die Bundesregierung da angeblich ausfliegen lässt. Das Narrativ: Es seien vor allem junge Männer – keine Frauen und Kinder. Doch Vorsicht: Nicht alle der geteilten Fotos wurden wirklich in den vergangenen Tagen aufgenommen. Und manche von ihnen sind zeigen nur einen Ausschnitt des Geschehens. Ein #Faktenfuchs.

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Auf Telegram wird behauptet, unter den Evakuierten aus Afghanistan seien nur Männer.

Auf Telegram zum Beispiel teilt der Sprecher der Identitären Bewegung Österreich, Martin Sellner, der als einer der führenden Köpfe der Identitären Bewegung in Europa gilt, eine Fotocollage mit drei Bildern. Darauf sind Männer in Flugzeugen zu sehen sind. Die Identitäre Bewegung ist eine rechtsextreme Gruppierung, die in Deutschland vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Sellner schreibt in seinem Telegram-Post: “Erste Bilder der ‘Flüchtlinge’ aus Afghanistan tauchen auf. Fast nur junge Männer in kampffähigem Alter. Warum lassen Sie Frauen und Kinder im Stich?”

Unter den Bildern ist der Ausschnitt eines Fotos zu sehen, das auf Twitter aktuell viel geteilt wird. Es zeigt den Innenraum einer Militärmaschine, die überfüllt ist mit afghanischen Geflüchteten. Doch Sellner zeigt nur einen bestimmten Ausschnitt des Bildes. Im Original sieht das Bild so aus:

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Das Originalfoto aus dem amerikanischen Militärflugzeug mit rund 640 Afghanen an Bord.

Rund 640 afghanische Männer, Frauen und Kinder

Der Ausschnitt, den Sellner auf Telegram teilt, erweckt dagegen den Eindruck, nur Männer seien in dem Flugzeug. Auf dem Originalfoto sind im Vordergrund jedoch auch Frauen und kleine Kinder zu sehen. Ein Sprecher des amerikanischen Verteidigungsministeriums bestätigt dem Faktenfuchs, dass es sich bei dem Foto um eine aktuelle Aufnahme aus einem amerikanischen Militärflugzeug, einer C-17 Globemaster III der U.S. Air Force, handelt. Er verweist auf eine Seite des amerikanischen Verteidigungsministeriums, auf der weitere Details zum Foto zu finden sind. Demnach zeigt das Foto rund 640 afghanische Staatsbürger, die am 15. August 2021 evakuiert wurden.

Unter den Fotos, die Sellner auf Telegram teilt, ist auch ein Foto, dass mehrere Männer in Flugzeugsitzen zeigt. Eine Bilderrückwärtssuche ergibt: Das Bild wurde bereits im Juli 2021 im Zusammenhang mit der Berichterstattung zu afghanischen Geflüchteten genutzt – es kann also nicht bei der aktuellen Evakuierungsaktion aufgenommen worden sein.

Bundeswehr: Ortshelfer häufig Männer

Sellner erhebt in seinem Post den Vorwurf, es würden vor allem junge Männer evakuiert. Tatsächlich handelt es sich laut einem Sprecher der Bundeswehr bei den Ortshelfern in Afghanistan häufig um Männer. Fahrer, Köche und Übersetzer seien Berufe, die in Afghanistan traditionell von Männern ausgeübt werden , sagt der Sprecher dem #Faktenfuchs auf Nachfrage.

Wie das Verhältnis zwischen männlichen und weiblichen Ortshelfern der Bundeswehr in Afghanistan ist oder ob mehr Männer evakuiert wurden, dazu kann der Sprecher keine Zahlen nennen. Fakt sei jedoch, dass die Ortshelfer, nicht alleine ausgeflogen würden, sondern gemeinsam mit ihrer Kernfamilie – also Ehepartnern und minderjährigen Kindern, so der Sprecher.

Foto der A400M zeigt nicht Evakuierungsaktion, sondern stammt von 2017

Die Bundeswehr musste für ihre Evakuierungsaktion in den vergangenen Tagen einiges an Kritik einstecken - auch deshalb, weil in der ersten Maschine, die Kabul verließ, nur sieben Menschen saßen.

  • Mehr zu den Hintergründen des ersten Evakuierungsflugs lesen Sie in diesem BR24-Artikel.

In diesem Zusammenhang wird auf Twitter häufig ein Foto einer fast leeren Militärmaschine geteilt. Angeblich soll es die sieben Evakuierten zeigen – doch das Foto wurde bereits vor Jahren aufgenommen.

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Das Foto vom Inneren der A400M wurde im Jahr 2017 bei der ersten Dienstreise der damaligen Verteidigungsministerin von der Leyen aufgenommen.

Zwar handelt es sich dabei um ein Foto des Innenraums der A400M, also des gleichen Maschinentyps, der auch genutzt wurde, um Deutsche und Ortskräfte zu evakuieren. Das Bild zeigt jedoch nicht das Flugzeug, das am Sonntag die ersten Menschen aus Afghanistan gebracht hat, sondern stammt aus dem Jahr 2017, von der ersten Dienstreise der damaligen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Damals hatte der Journalist Thomas Wiegold auf seinem Blog “Augen geradeaus!” darüber berichtet und das Foto veröffentlicht. Ein Blick ins Internet-Archiv bestätigt, dass das Foto schon 2017 dort zu sehen war und nicht erst nachträglich hochgeladen wurde.

Fazit

Manche der Bilder, die im Zusammenhang mit der Evakuierung der afghanischen Ortskräfte geteilt wurden, sind aus dem Kontext gerissen oder zeigen nur einen bestimmten Ausschnitt. Dadurch entsteht ein falscher Eindruck. Der Vorwurf, es würden fast nur junge Männer evakuiert, lässt sich mit den Bildern nicht belegen. Ein Sprecher der Bundeswehr sagt dem Faktenfuchs aber, Ortshelfer arbeiteten häufig in Berufen, die in Afghanistan typischerweise von Männern wahrgenommen werden. Ortshelfer würden jedoch nicht alleine evakuiert, sondern gemeinsam mit ihrer Kernfamilie.

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