Greta Thunberg (m.), Klimaaktivistin aus Schweden, in Amsterdam
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Greta Thunberg (m.), Klimaaktivistin aus Schweden, in Amsterdam

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Abgrenzen von Greta: Fridays for Future Deutschland im Dilemma

Fridays for Future ging es um die Klimarettung. Dann sorgte Greta Thunberg mit einem Pro-Palästina-Auftritt für Entsetzen. Die deutsche Bewegung grenzt sich kategorisch ab. Aber geht das, solange sie denselben Namen trägt? Eine Analyse.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Die Lage bei Fridays for Future (FFF) lässt sich in einem Bild zusammenfassen. Klimademo am vergangenen Sonntag in Amsterdam: Auf der Bühne rangeln Greta Thunberg, Ideengeberin der Klimabewegung, und der niederländische Physiotherapeut Erjan Dam ums Mikrofon. Thunberg hatte über Palästina gesprochen, als Dam auf die Bühne stürmt und ins Mikro ruft: "Ich bin für eine Klimademonstration hergekommen, nicht für politische Ansichten." Der 65-Jährige wird mit leichtem Zwang von der Bühne geführt. Und Thunberg skandiert wieder: "Keine Klimagerechtigkeit auf besetztem Land!"

Fridays-for-Future-Sprecherin über Thunberg: "Sie verletzt viele Menschen"

Greta Thunberg, die schon vor den Staatschefs der Vereinten Nationen in New York gesprochen hat, die als Ikone der Klimabewegung galt, tritt nun mit Palästinensertuch auf. Neben ihr steht eine Frau, die Israel des "Völkermords" an den Palästinensern bezichtigt. Thunberg sagt, es sei die Pflicht der Klimaschutzbewegung, denen zuzuhören, die unterdrückt würden und "für Frieden und Gerechtigkeit kämpfen".

Die deutsche Gruppierung geht seit Beginn dieser Auftritte auf Distanz zu Thunberg: "Greta Thunberg verletzt mit ihren Aussagen ganz viele Menschen, indem sie jüdisches Leid nicht klar benennt", sagt Carla Reemtsma, ein bekanntes Mitglied von FFF-Deutschland im Gespräch mit BR24. Thunbergs Position sei nicht die Position von Fridays for Future Deutschland.

Vielstimmige Bewegung

Die deutschen Aktivistinnen und Aktivisten sind seit Wochen damit beschäftigt, zu erklären, dass es nicht ein Fridays for Future gibt, sondern mehrere. Dass die Bewegung nur in wenigen Staaten über so starke Strukturen und Regeln verfüge, wie es sie in Deutschland gibt. Dass Posts auf internationalen Kanälen nicht mit den deutschen Aktivisten abgestimmt, sondern in Telegram-Kanälen von wenigen entschieden würden. Dort wurden offenbar auch jene vom internationalen Instagram-Account beschlossen, die den "Genozid" an den Palästinensern anprangern, Klimaprotest als antikolonialistisch betiteln. Und auch die Verschwörungstheorie über "Gehirnwäsche", die die "westlichen Medien" im Zusammenhang mit dem Nahostkrieg betrieben, könnte in diesen Kanälen abgestimmt worden sein. Die deutsche Gruppierung wurde laut Carla Reemtsma nicht gefragt.

Fridays for Future ist eine soziale Bewegung. Es gibt deshalb keine staatlichen Vorgaben, wie etwa bei Vereinen, die ein Ziel, eine Satzung und Vorstände haben müssen. Wenn es Regeln gibt, dann gibt sie sich die Bewegung selbst. Das hat sie in Deutschland getan. Es gibt Gremien, Regeln zur Unvereinbarkeit und auch die Möglichkeit, ein Mitglied auszuschließen. Hauptamtliche Mitarbeiter oder Sprecher gibt es nicht. Die Mitglieder sind Schüler, Studierende, Berufstätige.

Die Suche nach einem "geteilten Wertefundament" läuft

Aktivistinnen und Aktivisten wie Carla Reemtsma, die für FFF-Deutschland sprechen, betonen vor allem: "Wir stehen als Bewegung gegen jeden Antisemitismus. Wir verurteilen den Terror der Hamas aufs Schärfste. Und wir stehen für den Schutz von jüdischem Leben hier und überall." Deshalb sei klar, dass man Konsequenzen ziehe. Das heißt, laut Reemtsma, dass derzeit Gespräche stattfinden. Gesucht wird ein "geteiltes Wertefundament", das Antisemitismus und Diskriminierung ausschließt. Bis dahin, sei die Teilnahme von FFF Deutschland an allen internationalen Kampagnen ausgesetzt.

Verlässt Fridays for Future Deutschland die Bewegung?

Wer in die internationalen Social-Media-Kanäle der Bewegung schaut, kann sich schwer vorstellen, wie ein "geteiltes Wertefundament" mit Blick auf Israel gefunden werden kann. Die Positionen – unversöhnlich. Zwischen #freepalestine und "der Geschichtsunterricht hat wohl immer nur freitags stattgefunden" ist wenig Platz.

Aber wenn kein gemeinsames Fundament gefunden wird, ändert Fridays for Future Deutschland dann seinen Namen? Carla Reemtsma sagt: "Natürlich ist das - wie kann das konkret aussehen? – etwas, womit wir uns gerade ganz stark beschäftigen." Fragen wie eine Namensänderung hätten derzeit keine Priorität. Gerade gehe es darum, Haltung zu zeigen: "die Solidarität mit Jüdinnen und Juden in Israel, in Deutschland und weltweit und die Anteilnahme mit allen Betroffenen". Wegen dieser Positionierung, glaubt Reemtsma, dass die Bewegung lebt und auch weiterhin Menschen für den Klimaprotest in Deutschland gewinnen kann.

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