30 Jahre deutsch-polnischer Nachbarschaftsvertrag
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Patrick Pleul

30 Jahre deutsch-polnischer Nachbarschaftsvertrag

Per Mail sharen
Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

30 Jahre deutsch-polnischer Nachbarschaftsvertrag

Am 17. Juni 1991 wurde der deutsch-polnische Nachbarschaftsvertrag unterzeichnet. Das Zustandekommen der umfangreichen Vereinbarung war nicht einfach. Sie war von Anfang an vom Wunsch nach Frieden und guter Zusammenarbeit geprägt.

Hinter dem sperrigen und nüchtern klingenden Namen "Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit" verbirgt sich in Wirklichkeit ein Meilenstein in den deutsch-polnischen Beziehungen. Freundschaft und Aussöhnung nach Jahrzehnten erbitterter Feindschaft. Was heute als selbstverständlich erscheinen mag, war es vor 30 Jahren keinesfalls. Insbesondere in Polen waren die Erinnerungen an die gewaltgeprägte Geschichte des zweiten Weltkriegs viel zu frisch, um das äußerst schwierige Verhältnis zwischen den lange verfeindeten Nationen ad hoc zu normalisieren. Gerade auch deshalb spielt Artikel 2 des Vertrages eine herausragende Rolle.

Unantastbarkeit der Grenzen

Darin wird unter anderem die Unantastbarkeit des ein Jahr zuvor endgültig festgelegten Grenzverlaufs vereinbart. Auch dadurch sollten die gegenseitigen Beziehungen auf eine politisch wie gesellschaftlich vollkommen neue Ebene gestellt werden. Das Vertragswerk regelt außerdem die Rechte der Minderheiten im jeweils anderen Land. Grenze und Minderheitenrechte, vor allem diese zwei Punkte von insgesamt 38 Vertragsartikeln passten auch bei Vertragsabschluss nicht jedem ins Konzept. Insbesondere äußerst konservativen Kräften in beiden Staaten. An den polnischen Regierungschef gewandt, sagte Bundeskanzler Helmut Kohl deshalb:

"Herr Ministerpräsident, das deutsch-polnische Vertragswerk wird von einigen meiner Landsleute nicht leichten Herzens angenommen. Dies gilt insbesondere für diejenigen, die infolge des Krieges ihre Heimat jenseits von Oder und Neiße verloren haben. Und wir hören auch aus Polen zögernde Stimmen. Gerade an diese Deutschen und an diese Polen ergeht heute mein Appell zur Aussöhnung." Helmut Kohl (CDU), ehemaliger Bundeskanzler

Zögerliche Haltung beidseits der Oder

Der Appell des damaligen Bundeskanzlers zeigte nur langsam Wirkung. Die im Vertrag festgeschriebene Annäherung u.a. in Form von Jugendaustausch, Städtepartnerschaften sowie regelmäßiger Regierungskonsultationen erfolgte teilweise in sehr kleinen Schritten. Nicht jeder in Deutschland und Polen vertrat von Anfang an die Meinung, dass es höchste Zeit ist, in den schwierigen Beziehungen endlich ein neues Kapitel aufzuschlagen. Dabei verpflichtete sich Deutschland, Polen bei der Aufnahme in die NATO und EU aktiv zu unterstützen. Was wiederum in einigen westeuropäischen Hauptstädten nicht unbedingt mit Wohlwollen betrachtet wurde.

Ziemlich beste Freunde

Allen Unwägbarkeiten zum Trotz gelang es Berlin und Warschau, das deutsch-polnische Verhältnis nicht nur zu entkrampfen, sondern sowohl politisch als auch wirtschaftlich und insbesondere gesellschaftlich aufs höchste Niveau zu heben. Vor allem als die liberale Partei "Bürgerplattform" mit Donald Tusk an der Spitze von 2011 bis 2015 die Regierungsgeschäfte in Polen führte. Zu diesem Zeitpunkt avancierte Polen zum Musterland einer erfolgreichen EU-Mitgliedschaft. Was nach Ansicht deutscher wie polnischer Diplomaten u.a. auch dem Engagement Berlins zu verdanken war.

Nationalkonservatives Störmanöver

Seit 2015 sind in Polen nationalkonservative Kräfte an der Macht - und die deutsch-polnischen Beziehungen auf dem Tiefpunkt angelangt. Leider, zumal sich zivilgesellschaftlich vieles zwischen den beiden Ländern weiterhin sehr gut entwickeln würde, konstatiert Agnieszka Lada, stellvertretende Direktorin des Deutschen Polen-Instituts in Darmstadt.

"Seit 2015 beobachten wir Probleme in der Zusammenarbeit auf höchster politischer Ebene. Es gibt nicht mehr viele gemeinsame Initiativen, die Kommunikation ist schlecht. In Polen sind von Seiten regierungsnaher Kreise auch manchmal kritische Töne gegenüber Deutschland zu hören." Agnieszka Lada, Politologin

Kaczynskis Deutschlandphobie

Schuld an dieser Entwicklung, sagen polnische Regierungskritiker, sei in erster Linie der Vorsitzende der Partei "Recht und Gerechtigkeit" Jaroslaw Kaczynski. Mit seiner geradezu pathologischen Deutschlandphobie, habe er dafür gesorgt, dass die Beziehungen erheblich belastet werden. Politische Attacken, denen Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Contenance begegnet. Anlässlich des 25ten Vertragsjubiläums 2016 unterstreicht sie auf eine sehr diplomatische Art, dass das gutnachbarschaftliche Verhältnis trotz aller Differenzen unbedingt aufrechterhalten werden muss.

"Deshalb dürfen wir auch nicht aufhören, daran zu arbeiten, sondern wir müssen immer wieder die Herausforderungen, vor denen wir insgesamt stehen in den Blick nehmen. Und weil wir gute Nachbarn und sogar Freunde sind, ist das auch die Möglichkeit, wenn man einmal unterschiedlicher Meinung ist, Wege zu finden sich darüber auszutauschen." Angela Merkel (CDU), Bundeskanzlerin

Weiterhin um Aussöhnung bemüht

"Gute Nachbarn und sogar Freunde", für viele Nationalkonservative Politiker in Polen scheint das heute wieder keine Selbstverständlichkeit zu sein. Was den 1991 unterzeichneten deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrag teilweise desavouiert. Dabei waren die Beziehungen zwischen Berlin und Warschau vor nur sechs Jahren so gut wie nie zuvor. Weshalb der Appell von Helmut Kohl, die Aussöhnung nicht aus den Augen zu verlieren, weiterhin ziemlich aktuell bleibt.

  • Ist Polen noch ein Rechtsstaat?

"Darüber spricht Bayern": Der neue BR24-Newsletter fasst für Sie das Wichtigste vom Tag auf einen Blick zusammen - immer montags bis freitags zum Feierabend. So verpassen Sie nichts. Jetzt eintragen und hier anmelden!