Margarete Rodamer in ihrem Wohnzimmer in Kitzingen
Bildrechte: BR/ Carolin Hasenauer

Margarete Rodamer aus Kitzingen hat als Kleinkind einen schweren Luftangriff miterlebt

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Zweimal Krieg im Leben – wie Ältere auf die Ukraine blicken

Der Angriff Russlands auf die Ukraine beschäftigt die Menschen in Deutschland. Besonders diejenigen, die schon mal einen Krieg erlebt haben. So wie Margarete Rodamer, geboren 1941 in Kitzingen. Sie hat als Kleinkind den Luftangriff von 1945 erlebt.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Mainfranken am .

Täglich gehen derzeit Bilder und Videos vom Krieg in der Ukraine um die Welt: Russische Raketen treffen den Fernsehturm in Kiew, ein kilometerlanger Militär-Konvoi bewegt sich in Richtung der ukrainischen Hauptstadt, mutige Ukrainer stellen sich Panzern oder russischen Soldaten in den Weg. Auch in Deutschland bewegt der russische Angriff auf die Ukraine die Menschen. Vor allem dann, wenn sie schon einmal einen Krieg erlebt haben – so wie die Unterfränkin Margarete Rodamer.

Unterfränkin erlebte Luftangriffe im 2. Weltkrieg

Geboren wurde Margarete Rodamer 1941 in Kitzingen. Sie hat den schweren Luftangriff im Februar 1945 als Kleinkind miterlebt. "Wir haben im kleinen Bahnhäuschen gewohnt. Die Schienen haben danach im Garten gelegen", erinnert sich die heute 80-Jährige. "Meine Schwester, die vor drei Jahren gestorben ist, meinte ich hätte gelacht, als die Kartoffeln einen Meter hoch gehüpft sind. Meine andere Schwester ist bis heute schwer geschädigt: Donner oder Feuerwerk sind eine Katastrophe. So wirkt sich das aus."

Erinnerungen an den Luftangriff kommen hoch

Wenn Margarete Rodamer heute die Nachrichten verfolgt, kommen die Erinnerungen hoch. An ihre Kindheit. An den Luftangriff auf ihr Zuhause in Kitzingen. Vater, Bruder und Oma starben bei dem Luftangriff. Sie musste mit ihrer Mutter und ihren Geschwistern aus dem Bahnhaus raus. Ihre Mutter wollte in ihrem Elternhaus Unterschlupf finden für sich und die vier Kinder. Aber auch das Haus war zerbombt. "Dann sagte sie, das weiß ich noch: Jetzt haben wir überhaupt niemanden mehr." Ein Satz, den ein Kind wohl nicht vergisst.

"Verletzungen bleiben und sind wie Salz in Wunden"

Aber schnell hieß es: Weiter machen. Die Verletzungen, die Verluste hinter sich lassen und weiter machen. "Die Toten mussten ja weggeschafft werden, begraben. Da hat sich meine Mutter mit drum gekümmert. Wer sich in der Zeit um mich gekümmert hat, das weiß ich nicht." Die heute 80-jährige Margarete Rodamer war zu der Zeit gerade einmal dreieinhalb Jahre alt. Trotzdem sind es Erinnerungen, die sich eingeprägt haben. "Ich bin der Meinung, das hat man in sich. Das trägt man in sich, in jeder Pore. Das sind Verletzungen die bleiben und sind wie Salz in Wunden."

Aktuelle Bedrohung bringt Kriegserinnerungen zurück

Dass sich Kriegserlebnisse einprägen und die Menschen bis ins hohe Alter bewusst oder unbewusst begleiten, das erlebt auch Inge Wollschläger. Sie ist Seniorenreferentin des evangelischen Pfarramts St. Johannis in Würzburg. "Ich beobachte, dass etliche Senioren dachten, dass diese Kriegserinnerungen verarbeitet und weggesteckt sind. Dass so viel Gras über die Zeit gewachsen ist, dass es keine Rolle mehr spielt. Aber das ist nicht der Fall. Durch die vielen Geschehnisse aktuell, durch die Bedrohung, die sie wahrnehmen, ist alles wieder da."

Es gehe um Erinnerungen der Senioren an Flucht und Vertreibung, an Kriegserlebnisse. "Sie erzählen etwa, dass sie sich bis heute die Ohren zuhalten beim Einschlafen, weil sie die Bomben immer noch hören. Und wie sie im Lager über viele Jahre gelebt haben und sie den Vater, der aus dem Krieg zurückkam, nicht wiedererkannt haben."

Referentin rät: Senioren nicht alleine lassen

Wie mit solchen Retraumatisierungen umgehen? Seniorenreferentin Inge Wollschläger sagt: "Nicht alleine lassen. Und manchmal kann man fragen: Was brauchts gerade, damit es besser zu ertragen ist? Die meisten wissen, was ihnen gut tut. Zum Beispiel darüber reden oder spazieren gehen oder ablenken. Oder auch mal die Nachrichten ausschalten und weglegen.

Das macht auch Margarete Rodamer. Denn als Kriegskind ist es für die heute 80-jährige Kitzingerin umso schmerzhafter zu sehen, dass derzeit viele ukrainische Familien ebenso auseinander gerissen werden, kein Dach mehr über dem Kopf haben oder das eigene Zuhause verlassen müssen. "Furchtbar ist das für mich. Wir haben laufend Krieg auf dieser Welt. Laufend. Schon als das Schwarzpulver erfunden wurde, hieß es 'Jetzt gibt's keinen Krieg mehr, das ist so zerstörend' – und was haben wir heute?"

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