Eine Sexarbeiterin sitzt in einem Studio.
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Zwangsprostitution: Mutmaßlicher Zuhälter erneut vor Gericht

Ein 35 Jahre alter Mann soll seine Freundin jahrelang zur Prostitution gezwungen haben. Sie war erst 18, als alles anfing. In einem ersten Prozess wurde der Beschuldigte freigesprochen – doch nun verhandelt das Landgericht Nürnberg-Fürth erneut.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Nervös blickt die Ex-Partnerin des Angeklagten durch den Gerichtssaal im Nürnberger Strafjustizzentrum, als man ihr sagt, dass ihr mutmaßlicher Peiniger gleich hereingeführt wird. Mit Fußfesseln betritt der 35-Jährige den Saal, wirft seiner Ex-Freundin einen kurzen Blick zu und wendet sich wieder ab. "Schwerer Menschenhandel" lautet die Anklage gegen ihn. Zu Prozessbeginn lässt er durch seine Anwälte erklären, sich zum Auftakt nicht zur Sache zu äußern. Im Laufe der Verhandlung werde er allerdings noch Stellung beziehen.

Alle Beteiligten im Gerichtssaal nehmen Platz. Ihre Anwältin spricht der Frau Mut zu, legt ihr eine Hand beruhigend auf die Schulter. Die Anspannung ist der 33-Jährigen deutlich anzumerken. Sie spricht Deutsch - nur wenn sie sich nicht ganz sicher ist, nimmt sie die Dienste der anwesenden Dolmetscherin in Anspruch, die aus dem Rumänischen übersetzt.

Zeugin schildert ihre Erlebnisse

Zunächst berichtet die Zeugin, wie sie und ihr späterer Lebensgefährte sich 2008 in Rumänien in einer Disco kennengelernt haben. Nach ein paar Treffen seien sie eine Beziehung eingegangen. Sie war damals gerade 18 Jahre alt. Als der Angeklagte nach einem Jahr nach Griechenland ging, wollte sie mit. Bis dahin hätten die beiden noch eine normale Liebesbeziehung geführt, sagt sie.

Doch die Familie sei gegen ihre Pläne gewesen. Ihre Mutter habe sie gewarnt, ihr Freund hätte etwas zu verbergen, etwas stimme nicht mit ihm. Doch sie habe sich früh morgens davongeschlichen, sei mit dem Bus zu ihrem Freund nach Athen gefahren. "Das war der größte Fehler meines Lebens", sagt die 33-Jährige unter Tränen.

Jahre der Zwangsprostitution - in mehreren deutschen Städten

Bereits nach wenigen Tagen in Griechenland habe ihr Partner sie dazu gebracht, in einem "Massage-Salon" als Prostituierte zu arbeiten. Sie bräuchten das Geld, müssten für eine gemeinsame Zukunft sparen, sei sein Argument gewesen. Das Geld, das sie verdiente - etwa 300 bis 500 Euro pro Tag - habe sie abgeben müssen, sagt sie. Nur wenige Euro habe sie für Essen und Kosmetika bekommen.

Über Amsterdam führte sie ihr Weg der Zeugin zufolge schließlich nach Nürnberg. Auch dort habe sie einige Jahre als Prostituierte arbeiten müssen. Das Geld habe der Angeklagte stets eingetrieben, sie zudem auf Schritt und Tritt kontrolliert. In der Folge habe sie in mehreren deutschen Städten wie Frankfurt, Offenbach, Stuttgart und Mainz in diversen Bordellen arbeiten müssen - je nachdem, wo man zum damaligen Zeitpunkt am besten verdiente.

Zeugin erzählt von Gewalt und Angst um die Familie

Die Jahre seien von Gewalt und Bedrohung geprägt gewesen, berichtet die Zeugin. Ab und zu versagt ihr die Stimme, es fließen Tränen. "Er hat mich mit der flachen Hand geschlagen, aber auch mit der Faust." Verletzungen wie blaue Flecke seien an der Tagesordnung gewesen, einen Arzt habe sie nicht aufsuchen dürfen. Als "Dreck" habe der 35-Jährige sie unter anderem regelmäßig beschimpft und ihr gedroht, sie totzuschlagen, wenn sie nicht tue, was man ihr sagt. Sie habe große Angst gehabt - um sich, aber auch um die Familie in Rumänien.

Denn die habe der Angeklagte ebenfalls massiv bedroht, im Jahr 2016, als sie sich von ihrem mutmaßlichen Zuhälter trennte. Auch gegen ihren späteren Lebensgefährten und heutigen Ehemann habe der Angeklagte deutliche Drohungen ausgesprochen. Zudem soll er Geld gefordert haben, eine Art "Ablösesumme", heißt es von Seiten der Staatsanwaltschaft.

Staatsanwaltschaft ging nach Freispruch in Revision

Der Fall wurde bereits 2021 am Landgericht Nürnberg-Fürth verhandelt. Damals wurde der heute 35-jährige Angeklagte freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft legte jedoch Revision ein. Der Bundesgerichtshof (BGH) gab der Revision wegen Fehlern in der Beweisführung statt. "Deswegen beginnt das Verfahren nun wieder bei Null", sagte Gerichtssprecherin Tina Haase dem BR.

Für den Prozess sind insgesamt neun Verhandlungstermine angesetzt. Dem Angeklagten drohen bei einer Verurteilung bis zu zehn Jahre Haft. Ein Urteil wird für den 13. Oktober erwartet.

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