Schilder mit der Aufschrift "Girls" zeigen den Weg zu den Sexarbeiterinnen
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Unionsfraktionsvize Dorothee Bär fordert ein Verbot von käuflichem Sex, um betroffene Frauen besser zu schützen.

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Sexkauf-Verbot in Deutschland? Neue Debatte angestoßen

Deutschland sei zum "Bordell Europas" geworden, seitdem Sexarbeit legal ist, sagt die CSU-Politikerin Bär. Freier sollten auch hierzulande bestraft werden, fordert die Oppositionspolitikerin. In anderen Ländern ist das bereits der Fall.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Sollte der Kauf von Sex in Deutschland verboten werden? Wie lassen sich Prostituierte schützen, die unfreiwillig in der Branche gelandet sind? Wie lassen sich die Bedingungen von Sexarbeiterinnen verbessern, die den Job freiwillig machen? Immer wieder kocht die Debatte um diese Fragen in Deutschland hoch.

Nun hat sich öffentlichkeitswirksam via "Bild"-Zeitung Unionsfraktionsvize Dorothee Bär zu dem Thema geäußert. Sie spricht sich für ein Sexkauf-Verbot aus, um betroffene Frauen besser zu schützen.

Situation "dramatisch": Nur Bruchteil behördlich angemeldet

"Die Situation von Prostituierten in Deutschland ist dramatisch. Wir brauchen dringend einen Paradigmen-Wechsel: ein Sexkauf-Verbot in Deutschland", sagte die CSU-Politikerin der "Bild".

Nach ihrer Schätzung gibt es bundesweit aktuell rund 250.000 Prostituierte. Die meisten kämen aus dem Ausland, nur ein Bruchteil sei behördlich angemeldet. "Deutschland hat sich zum Bordell Europas entwickelt. Deutschland ist mittlerweile auch weltweit als Land für Sex-Tourismus sehr attraktiv", sagte Bär.

Nordisches Modell: Bär fordert Bestrafung von Käufern

Sie spricht sich für die Einführung des "Nordischen Modells" aus, wie in Schweden. Dabei werden Käufer von Sexdiensten bestraft und nicht die Prostituierten. "Das Beispiel Schweden zeigt: Mit einem Sexkauf-Verbot geht die Zahl der Prostituierten drastisch zurück." Seit einigen Jahren schließen sich nach Schweden, Island und Norwegen immer mehr europäische Länder dem sogenannten Nordischen Modell an, auch Frankreich.

Die einst als fortschrittlich betrachtete liberale Praxis in Deutschland wird dagegen immer öfter angegriffen – mit dem Argument, die prekären Zustände zu übersehen, die mit Prostitution einhergehen können. Manche Sexarbeiterinnen selbst beklagen hingegen weiterhin eine Stigmatisierung der Berufe.

Prostitutionsgesetz: Seit 2002 nicht mehr sittenwidrig

Seit der Einführung des Prostitutionsgesetzes 2002 ist Prostitution in Deutschland nicht mehr sittenwidrig, sondern ein normales Gewerbe. Die damalige rot-grüne Bundesregierung hatte die Prostitution gesetzlich vollständig legalisiert, um die rechtliche und soziale Lage der Prostituierten zu verbessern. Allerdings ist aus Expertensicht zum Teil der gegenteilige Effekt eingetreten. Im Jahr 2017 trat zusätzlich das Prostituiertenschutzgesetz in Kraft, dass die rechtliche Stellung von Prostituierten stärken soll und verbindliche Regeln für das Prostitutionsgewerbe formuliert.

Das Gesetz macht vor allem gewerberechtliche Vorgaben: Bordelle benötigen seitdem eine Betriebserlaubnis, Prostituierte sind verpflichtet, ihre Tätigkeit anzumelden und regelmäßig zur Gesundheitsberatung zu gehen. Vorgeschrieben sind zum Beispiel auch getrennte sanitäre Anlagen für Prostituierte und Freier, separate Wohnbereiche für Prostituierte und ein Notrufsystem dort, wo Prostituierte arbeiten.

Studie: Prostitutionsgesetz verfassungswidrig

Laut einer kürzlich vorgestellten Studie ist mit den Gesetzen die Stellung der Bordellbetreiber, der Sexindustrie und der Freier gestärkt worden. Nach Angabe der Autoren vom Juni ist es die erste umfassende rechtliche, rechtsethische und verfassungsrechtliche Überprüfung der bestehenden Prostitutionsgesetze. Bei der deutschen Gesetzgebung sei vor allem die Menschenwürde nicht ausreichend beachtet worden, sagte Verfassungsrechtler Ulrich Rommelfanger. Er und seine Co-Autoren fordern ebenfalls das "Nordische Modell" und eine Totalrevision, also eine grundlegende neue Gesetzeslage.

Genaue Zahlen zur Sexarbeit-Branche gibt es nicht. Jeden Tag nehmen aber wohl mehr als eine Million Männer in Deutschland sexuelle Dienstleistungen von Frauen in Anspruch. Gleichgeschlechtliche Prostitution steht weniger im Fokus. Der Begriff "Sexarbeit" wurde im aktivistischen Sinne eingeführt, um den negativ behafteten Begriff "Prostitution" zu ersetzen. Der Begriff fokussiert, dass es sich um eine freiwillige Erwerbstätigkeit handelt.

Bundesverband lehnt Bär-Vorstoß ab

Der Bundesverband für erotische und sexuelle Dienstleistungen lehnt Berichten zufolge den Vorstoß von Unionsfraktionsvize Bär ab, den Kauf von Sex in Deutschland zu verbieten.

Ein solches Sexkauf-Verbot führe für Sexarbeitende in prekären Situationen zu noch schlechteren Arbeitsbedingungen, sagte der Verbandssprecher Kolja-André Nolte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. "Im Klartext: Gerade diejenigen, die eigentlich gerettet werden sollen, müssen in der Sexarbeit verbleiben." Das betreffe diejenigen ohne berufliche Alternative.

Mit Informationen von dpa und AFP

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