Mehr als 4.200 junge Leute absolvierten im vergangenen Jahr ihr FSJ in Bayern.
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Mehr als 4.200 junge Leute absolvierten im vergangenen Jahr ihr FSJ in Bayern.

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Work and Travel – oder Freiwilligendienst daheim?

Während Corona fiel Work and Travel nach der Schule flach. Auch heute zieht es viele Schulabgänger nicht in die weite Ferne, sondern in den Freiwilligendienst. Neben dem FSJ gibt es das Freiwillige Ökologische Jahr – und die Plätze sind begehrt.

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Johanna Pille ist noch unschlüssig. Die 17-jährige Hilpoltsteinerin steht kurz vor ihrem Abitur – und für die Zeit danach vor der Qual der Wahl: Soll sie ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) antreten, wie es seit 60 Jahren gesetzlich geregelt ist? Oder doch lieber ein Freiwilliges Ökologisches Jahr (FÖJ), das seit 1993 Freiwilligendienste auch im Umweltbereich ermöglicht?

"Man hat einfach so viele Möglichkeiten und es ist schwer, sich zu entscheiden", sagt die 17-Jährige. Die Zeit drängt: Denn seit wenigen Tagen kann man sich bewerben – für einen Start in den Freiwilligendienst ab 1. September. Und die Plätze – vor allem für ein Freiwilliges Ökologisches Jahr – sind begehrt. Jährlich gibt es mehr Bewerber für die derzeit 240 Plätze in ganz Bayern.

Umweltminister Glauber: "Lieber Oberpfalz statt Thailand"

Für Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) liegt das auch an einem wachsenden Nachhaltigkeitsbewusstsein junger Menschen: "Es ist tatsächlich so, dass in den letzten Jahren der Blick auf die eigene Heimat und natürlich aufs Tun hier einen Mehrwert auch für junge Menschen darstellt."

Statt erstmal um die Welt zu reisen, gehen inzwischen viele lieber im eigenen Land auf Entdeckungstour. "Und das ist eine riesengroße Freude, dass eben nicht Thailand, nicht Australien, nicht die USA, sondern die Oberpfalz plötzlich der richtige Ort darstellt für eine Orientierung, kann ich davon, will ich davon was in meinem Berufsleben später dauerhaft ausüben?", so Glauber.

FÖJ mit Hühnern, Schweinen und Kühen

Bei Lena Ostermeier ging diese Rechnung jetzt schon auf. Die 20-Jährige absolviert derzeit ihr FÖJ auf Gut Riem, einem städtischen Bio-Bauernhof am Stadtrand von München. "Ich wollte bewusst in der Region sehen, was man konkret machen kann für die Umwelt", sagt die gebürtige Rohrbacherin.

Neben der Arbeit mit Schweinen, Schafen und Kühen führt sie auch regelmäßig Besucher über den Hof und erklärt, worauf's bei der Bio-Landwirtschaft ankommt. Inzwischen, sagt sie, könne sie den Hof sogar selber schmeißen. "Für mich eine tolle Erfahrung, weil ich nicht von der Landwirtschaft komme und mir sowas wie Tiermedizin jetzt super vorstellen kann", sagt Lena mit Blick auf ihren Berufweg nach dem FÖJ, das im August endet.

FÖJ: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst

Die derzeit 240 möglichen FÖJ-Plätze decken den Bio-Bauernhof in Riem ab und reichen vom Waldkindergarten bis hin zum Landesfischereiverband Bayern. Die Einsatzbereiche können zum Beispiel Naturschutzprojekte, Umweltbildung oder nachhaltige Landwirtschaft umfassen. Träger der Angebote sind der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ), die Evangelische Jugend in Bayern (EJB) und die Jugendorganisation Bund Naturschutz (JBN).

Interessierte bewerben sich direkt auf deren Internetseite für die jeweiligen Projekte. Aber aufgepasst, denn hier gilt: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Die Bewerbungsfrist für ein FÖJ läuft bereits. Bewerbungen für die erste Bewerbungsrunde sind noch bis zum 15. Februar 2024 möglich.

FSJ: Frühzeitige Bewerbung lohnt sich

Beim sogenannten FSJ liegt der Schwerpunkt auf dem Sozialen. Es bietet Einsatzmöglichkeiten in Einrichtungen wie Krankenhäusern, Schulen, Kindergärten, Altenheimen, aber zum Beispiel auch in der Denkmalpflege oder im Sport. Träger gibt es hier einige, wie den Arbeiter-Samariter-Bund, die Arbeiterwohlfahrt, das Augustinum oder die Bayerische Sportjugend im BLSV. Sie bieten die unterschiedlichsten Einsatzstellen – vom Kletterlehrer bis hin zum Alpaka-Wander-Führer, vom Tontechniker im Orchester bis hin zum Betreuer pflegebedürftiger Senioren.

Als FSJler kann man sich vielseitig ausprobieren. Die Träger des FSJ, denen die Einsatzstellen angehören, sind auch die zentrale Anlaufstelle für die Bewerbung. Wichtig ist auch hier, die Bewerbungsfristen der jeweiligen Träger zu beachten. Eine frühzeitige Bewerbung lohnt sich, am besten ein halbes Jahr im Voraus. Die Bewerbung ist meist für ein Schuljahr angedacht. Beginn ist der 1. September eines Jahres. Einstiege sind aber auch oft noch während des Jahres möglich – je nach Träger und Einsatzstelle.

Sozialministerin Scharf: "Kein Einkommenserwerb"

Im vergangenen Jahr absolvierten 4.225 Menschen unter 27 Jahren (so die Altersgrenze für einen Freiwilligendienst) ein FSJ. Gut so, findet Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU): "Ich freue mich über jeden einzelnen, denn es ist eine Bereicherung für die Person, die den Dienst macht, aber es ist kein Einkommenserwerb, sondern es geht darum, sich in der Zeit zu orientieren, Neues auszuprobieren, kennenzulernen und der Gesellschaft auch ein Stück zurückzugeben – auf freiwilliger Basis."

Maximal 584 Euro gibt es für Freiwilligendienstler im Monat – ein sogenanntes Taschengeld, das die jeweiligen Einsatzstellen finanzieren. Das Taschengeld soll die persönlichen Ausgaben der Freiwilligen abdecken, wie zum Beispiel für Verpflegung, Freizeitaktivitäten und persönliche Bedürfnisse. Es wird nicht als Gehalt betrachtet, denn das FSJ gilt als freiwilliger Dienst. Neben dem Taschengeld werden in der Regel auch die Kosten für Unterkunft, Verpflegung, Sozialversicherung und notwendige Arbeitsmaterialien vom Träger des FSJ übernommen. Manchmal erhalten die Freiwilligen auch zusätzliche Leistungen, wie beispielsweise Fahrtkostenerstattung oder Zuschüsse zu Weiterbildungen.

Bund finanziert deutschlandweit mit über 100 Millionen Euro – bislang

Bei der Finanzierung der Freiwilligendienste ist auch der Bund beteiligt. In den vergangenen beiden Jahren lag der bundesweite Förderbetrag vonseiten der Bundesregierung bei insgesamt 91,78 Millionen Euro für das FSJ und für das FÖJ insgesamt 10,3 Millionen. "Der Bund finanziert bei den in den Zuständigkeitsbereich der Länder fallenden Jugendfreiwilligendiensten (FSJ und FÖJ) den Zuschuss zur pädagogischen Begleitung und zusätzliche teilnehmendenbezogene Leistungen", teilt eine Sprecherin des Bundesfamilienministeriums (BMFSFJ) auf BR-Anfrage mit.

Bei den jüngsten Sparplänen der Ampel drohte indessen auch den Freiwilligendiensten der Rotstift: Kürzungen von 25 Prozent des Budgets standen im Raum. "Sehr schmerzhaft", heißt es aus dem zuständigen Bundesfamilienministerium. Die Erklärung: "Die vorgesehenen Kürzungen waren das Ergebnis der infolge der Schuldenbremse notwendig gewordenen Sparvorgaben und der Tatsache, dass rund 90 Prozent des Haushalts des BMFSFJ durch gesetzliche Ausgaben gebunden sind."

Bundes-Etat für Freiwilligendienste für 2024 noch nicht sicher

Im November seien die geplanten Einsparungen für das Haushaltsjahr 2024 jedoch "durch zusätzliche Mittel aus dem parlamentarischen Verfahren komplett ausgeglichen worden". In trockenen Tüchern sind die Beschlüsse zugunsten der Freiwilligendienste aber noch nicht: Über den Haushalt soll diese Woche noch im Bundestag abgestimmt werden. Nach Kenntnis des Familienministeriums sehe der Haushaltsentwurf "Mittel in einer Gesamthöhe von 122,681 Millionen Euro für alle Formate der Jugendfreiwilligendienste" vor.

Die Haushaltsdebatte des Bundes verfolgt auch Bayerns Umweltminister Glauber – mit Sorge um die weitere Finanzierbarkeit der Freiwilligendienste. Bislang habe der Freistaat die entstandenen Mehrkosten für Energie, Mobilität und Lebenshaltung, die auch die Freiwilligendienstler treffen, selbst abgefangen, indem man jährlich 200.000 Euro on top draufgelegt habe. "Der Bund hat seinen Anteil leider nicht erhöht", moniert Glauber. Insofern hoffe er mit Blick auf die im Haushaltsplan vorgesehene Summe für die Freiwilligendienste, "dass der Bund verlässlicher Partner bleibt. Denn der Dienst und der Mehrwert für den, der den Freiwilligendienst leistet, steht ja völlig außer Frage und ich würde es für uns als schweren Verlust sehen."

Für alle, die am 1. September in ein FSJ oder FÖJ starten wollen, ist es jedenfalls ratsam, sich im Vorfeld über die konkreten finanziellen Rahmenbedingungen beim jeweiligen Träger oder der Organisation zu informieren, bei der das FSJ oder auch das FÖJ absolviert wird. Hilfreich ist dafür die Internetseite vom bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales, die bei der Orientierung und der Suche nach der richtigen Einsatzstelle hilft. Auch wenn das Thema "Geld verdienen" vielen jungen Leuten unter den Nägeln brennt – für diejenigen, die sich für ein FSJ entscheiden, steht das nicht an erster Stelle.

Persönlichkeitsentwicklung wichtiger als Geld verdienen

"Klar ist es schön, wenn man Geld verdient, aber mir ist es wichtiger herauszufinden, was mir später mal Spaß macht", sagt Johanna Pille aus Hilpoltstein. Sowohl das Freiwillige Soziale Jahr als auch der Ökologische Freiwilligendienst böten wertvolle Erfahrungen und die Möglichkeit, sich persönlich weiterzuentwickeln.

Doch welche Variante ist die beste für mich? Die Entscheidung zwischen den beiden hängt stark von den individuellen Interessen ab. Beide Dienste leisten einen wichtigen Beitrag zur persönlichen Entwicklung junger Menschen und tragen dazu bei, dass sie sich aktiv für die Gesellschaft engagieren. Und auch für die mögliche bevorstehende Ausbildung oder das Studium ist das Jahr "der Selbstfindung" von großer Bedeutung: So wird ein FSJ bei einigen Ausbildungen oder Studiengängen als Anerkennungsjahr beziehungsweise Vorpraktikum angesehen. Auch viele Hochschulen und Universitäten stufen ein FSJ übrigens als Wartesemester ein oder vergeben Sonderpunkte bei der Uni-Bewerbung, sodass der Zugang zu gewissen Studiengängen, wie zum Beispiel dem Medizinstudium erleichtert wird.

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