In einem Seniorenheim betreut ein sogenannter "Bufdi" im Rahmen seines Bundesfreiwilligendienstes (BFD) einen Mann.
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In einem Seniorenheim betreut ein sogenannter "Bufdi" im Rahmen seines Bundesfreiwilligendienstes (BFD) einen Mann.

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Kritik an geplanten Kürzungen bei Freiwilligendiensten

Im kommenden Jahr will der Bund für die Freiwilligendienste deutlich weniger Geld ausgeben. Das stößt auf heftige Kritik auch in Bayern. Gleichzeitig wird die Einführung eines sozialen Pflichtdienstes diskutiert.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Die Bundesregierung plant im Haushalt für das kommende Jahr für Freiwilligendienste wie das Soziale und das Ökologische Jahr sowie den Bundesfreiwilligendienst deutlich weniger Geld auszugeben. Während für dieses Jahr 326 Millionen Euro vorgesehen sind, sollen es 2024 nur noch 248 Millionen sein. Sozialverbände und Unionspolitiker warnen vor den Folgen.

Sozialverbände fürchten Verlust von vielen Plätzen

Der Paritätische Wohlfahrtsverband warnte davor, dass die geplanten Einsparungen zu einem Verlust von 25.000 bis 30.000 Plätzen in den Freiwilligendiensten führen würde. Das wäre verheerend für Hilfsbedürftige und das Gemeinwesen, schreibt Hauptgeschäftsführer Schneider in einem Brief an die Fraktionsvorsitzenden von SPD, FDP, Grünen, Union und Linkspartei, aus dem das Redaktionsnetzwerk Deutschland zitiert.

Die Einsparung von 78 Millionen Euro im Jahr 2024 für diesen Bereich entspreche einem Viertel der bisherigen Förderung. Schneider erinnerte in dem Schreiben daran, dass die Koalitionsvereinbarung das Versprechen enthalte, die Freiwilligendienste nachfragegerecht auszubauen.

Internationaler Bund fordert Rückgang

Der Internationale Bund (IB) ist freier Träger der Jugend-, Sozial- und Bildungsarbeit, dort befürchtet man, dass nicht nur im nächsten sondern auch 2025 die Förderungen gekürzt werden. Jedes Jahr engagierten sich zehntausende, überwiegend junge Menschen in den verschiedenen Formaten der Freiwilligendienste in gemeinnützigen Einrichtungen – unter anderem beim IB. Blieben die nun veranschlagten Kürzungen bestehen, würde etwa ein Viertel des Platzangebotes wegfallen. Dies hätte für viele junge Menschen direkte Konsequenzen in ihrer beruflichen und persönlichen Orientierungsphase. Die Petition "Freiwilligendienst stärken!" hat dem IB nach die nötige Stimmenzahl für eine Anhörung im Bundestag erreicht. Mit mehr als 92.000 Stimmen habe man das notwendige Quorum für eine Anhörung im Petitionsausschuss des Bundestages weit überschritten. Dies mache die große gesellschaftliche Erwartung deutlich, dass Freiwilligendienste eine Stärkung statt einer Mittelkürzung erfahren müssten.

Auch Unionspolitiker gegen geplante Kürzungen

Gerade bei jungen Menschen, die in der Pandemie viele Opfer gebracht hätten, wolle die Ampel nun sparen, kritisiert die stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Dorothee Bär (CSU) in der "Stuttgarter Zeitung". Das hinterlasse sie fassungslos. Schließlich gehe es um junge Menschen, die sich freiwillig ein Jahr für Land und Gesellschaft engagieren wollten.

Die bayerische Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) nannte die geplanten Sparmaßnahmen "Gift für unser Miteinander". Der CSU-Bundestagsabgeordnete Ralph Edelhäußer forderte die Bundesregierung auf, die Pläne zurückzunehmen und sprach sich dafür aus, die Freiwilligendienste erheblich aufzustocken – um weitere 100.000 Stellen von derzeit insgesamt etwa 115.000 Plätzen, wie er den Partnerzeitungen der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft sagte.

Diskussion über sozialen Pflichtdienst

Dagegen wird erneut über die Einführung eines sozialen Pflichtdienstes in Deutschland diskutiert. Der Vorstoß kommt vom SPD-Fraktionsvize im Bundestag, Dirk Wiese. Seinen Worten nach will die SPD nach der Sommerpause die Einführung eines sozialen Pflichtdienstes von mindestens drei Monaten angehen, wie er in der "Rheinischen Post" ausführte. Man brauche wieder mehr Respekt im Umgang und ein stärkeres Miteinander im Land, so seine Begründung. Die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast, wandte dagegen ein, es handele sich um einen persönlichen Debattenbeitrag Wieses. Die SPD-Fraktion plane keinen Pflichtdienst.

Unterstützung erhält SPD-Fraktionsvize Wiese vom neuen CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann. Ein Gesellschaftsjahr hätte das Potenzial, der Spaltung und Polarisierung der Gesellschaft entgegenzuwirken, denn es bringe Menschen aus den unterschiedlichsten Milieus zueinander, sagte dieser dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Als einen Schritt in die richtige Richtung wertet der Malteser Hilfsdienst die Initiative. Allerdings seien drei Monate zu kurz, weil die Teilnehmer erst qualifiziert werden müssten, sagte Vizepräsident Albrecht Prinz von Croy. Die Malteser hätten für den Bevölkerungsschutz ein Modell entwickelt, das eine viermonatige Einführung und Qualifizierung vorsehe. Wer diese durchlaufen habe, könne sich anschließend für eine freiwillige Bereitschaftsdienstzeit von vier Jahren entscheiden und etwa im Fall einer Katastrophe eingesetzt werden.

Empathie kann man nicht "staatlich" verordnen

Ablehnend äußerte sich Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP). Mit den Freien Demokraten werde kein Pflichtdienst kommen, sagte sie der "Rheinischen Post". Junge Menschen hätten stark unter der Corona-Pandemie gelitten. Ein staatlicher Eingriff in ihren Lebenslauf sei deshalb verfehlt. Auch angesichts des Fachkräftemangels sei dieser Vorstoß wenig hilfreich.

Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, Ulrich Schneider führt an, dass soziale Arbeit Empathie voraussetzt. Das könne nicht staatlich verordnet werden. Auch die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, ist der Auffassung, Jugendliche zu einem sozialen Pflichtdienst zu verdonnern, mache keinen Sinn. Soziale Berufe brauchten motiviertes und gut ausgebildetes Personal.

  • Zum Artikel Freiwilligendienst: Experten wollen keine Pflicht

Mit Informationen von dpa und KNA.

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