Rettungsassistent und Brandinspektor Martin Schmötzer
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Pöbeleien im Job, für ihn nichts Neues: Rettungsassistent und Brandinspektor Martin Schmötzer

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Wird Gewalt gegen Feuerwehr und Co. zur Normalität?

Beleidigt, bedroht oder angegriffen: Wer bei der Arbeit mit Menschen zu tun hat, muss solche Erfahrungen immer häufiger machen, auch in Bayern. Gewalt im Einsatz – ist das jetzt normal? Das fragt der Deutsche Gewerkschaftsbund und sucht Lösungen.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im BR Fernsehen am .

Martin Schmötzer hat bei der Arbeit schon einiges erlebt. Der 45-Jährige ist Rettungsassistent und Brandinspektor bei der Berufsfeuerwehr in München. Seit 20 Jahren. Ein Erlebnis vor drei Jahren hat sein Leben verändert. Bei einem Einsatz mit dem Kindernotarztwagen am Sendlinger Tor schlägt ihm ein Mann mit einer Flasche völlig überraschend auf den Kopf.

"Ich hatte ein Schädelhirntrauma, Sprachstörungen und Gedächtnisprobleme. Ich war ein Vierteljahr völlig raus." Martin Schmötzer zieht nach der Attacke Konsequenzen. Als Rettungsassistent hat er seitdem nicht mehr gearbeitet. Aus Sorge vor weiteren Angriffen ist er nur noch im "Feuergeschäft" tätig. Dann ist er in größeren Teams unterwegs.

Beleidigung, Bedrohung, Gewalt an der Tagesordnung

Der Fall von Martin Schmötzer ist kein Einzelfall – Deutschland hat ein Problem: Eine Studie des Bundesinnenministeriums zeigt, dass Beleidigungen, Bedrohungen und Gewalt an der Tagesordnung sind. Jeder vierte Beschäftigte im öffentlichen Dienst musste bereits solche Erfahrungen machen. Dazu kommt eine hohe Dunkelziffer. Viele Vorfälle würden erst gar nicht gemeldet, heißt es.

Die Polizei wurde in die Untersuchung nicht einbezogen. Ähnlich wie Feuerwehr und Rettungskräfte sind jedoch auch Polizistinnen und Polizisten häufig betroffen. Die Zahl der verletzten Beamten in Bayern hat im vergangenen Jahr einen neuen Höchstwert erreicht. Fast 3.000 Polizistinnen und Polizisten wurden bei der Arbeit verletzt.

DGB sucht Lösungen für das Gewaltproblem

Was sind die Gründe für Gewalt? Wie kann sie verhindert werden? Und: Wie können Betroffene bestmöglich unterstützt werden? Mit diesen Fragen beschäftigt sich an diesem Donnerstag eine Konferenz des DGB in Berlin – unter der Überschrift "Das neue Normal?".

"Nur, wenn Gewalt sichtbar gemacht wird, kann sie auch bekämpft werden", sagt Astrid Backmann vom DGB in Bayern. Sie wünscht sich, dass Übergriffe ernst genommen und konsequent verfolgt werden. Gerade Bund, Länder und Kommunen könnten da als Arbeitgeber mit gutem Beispiel vorangehen, meint die Gewerkschafterin.

Kundenbetreuer und Zugbegleiter: beleidigt und niedergeschlagen

Mit Attacken im Arbeitsalltag kennt sich auch Sabine Klingbeil aus dem Allgäu aus, wo sie als Kundenbetreuerin im Nahverkehr bei der Bahn arbeitet. "Beleidigungen sind mittlerweile Alltag. Das Aggressionspotenzial ist in den vergangenen Jahren gestiegen", berichtet die 41-Jährige.

Eine Erfahrung, die auch Zugbegleiter Olaf Meister (Name von der Redaktion geändert) machen musste. Seit fünf Jahren arbeitet er als Zugbegleiter in ICEs, ist täglich zwischen Hamburg und Basel unterwegs. Auch er wird regelmäßig bedroht und beleidigt.

Seine erste körperliche Gewalterfahrung macht er vor wenigen Wochen im Regionalzug auf dem Weg nach Hause ins fränkische Weißenburg. Im Nachbarabteil, so erzählt es der 49-Jährige, schreit ein Mann aggressiv andere Passagiere an. Der Zugbegleiter außer Dienst will, so wie er es gelernt hat, deeskalieren. Und wird niedergeschlagen.

Gewaltschutzprogramm für Beschäftigte im öffentlichen Dienst

Von einer brisanten Entwicklung spricht der DGB. Der Gewerkschaftsbund versucht bereits seit 2020 mit seiner Kampagne "Vergiss nie, hier arbeitet ein Mensch", Politik und Öffentlichkeit für dieses Thema zu sensibilisieren.

Ein Thema, auch für die bayerische Staatsregierung und den Bayerischen Beamtenbund (BBB). Zusammen haben sie 2020 ein Gewaltschutzprogramm entwickelt. Es richtet sich vor allem an Beschäftigte im öffentlichen Dienst.

"Das Programm dient dazu, in wirksamer Weise präventiv tätig zu werden, Gewalt zu erkennen, richtig einzuordnen und nach Gewaltvorfällen die richtigen Hilfestellungen anzubieten", sagt Christine Bodony. Die stellvertretende Geschäftsführerin des BBB meint, es sei wichtig, dass sich der Freistaat als Arbeitergeber vor seine Mitarbeiter stellt.

Gewerkschafter: Regierung als Dienstherrin in der Pflicht

Und diesbezüglich gehe noch mehr, sagt Michael Killer. Der stellvertretende Vorsitzende des Fachvorstandes Feuerwehr bei Verdi in Bayern fordert von der Bundesregierung eine Aufklärungskampagne. "Es geht darum, zu zeigen, dass wir die Guten sind, dass wir Menschen sind und deshalb auch mit Respekt behandelt werden sollten."

Auch die bayerische Staatsregierung nimmt er in die Pflicht und fordert eine "klarere Regelung" beim Thema Schmerzensgeld im Bayerischen Beamtengesetz (BayBG). In Artikel 97 heißt es, dass der Dienstherr Schmerzensgeldansprüche übernehmen kann, nicht muss. "Das sollte geändert werden. Das wäre nur fair, eingedenk der Gewalt, die wir immer wieder erfahren müssen."

Audio: Gewalt gegen Feuerwehrleute

Feuerwehrübung
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Anfeindungen gegen Feuerwehrleute

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