Blühende Streuobstwiesen am Bodensee
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Streuobstwiesen am Bodensee

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Wie wieder mehr Streuobstbäume in Bayern wachsen sollen

Jetzt blühen wieder die Apfelbäume am Bodensee. Auf den Plantagen wachsen tonnenweise Früchte heran, angebaut für den weltweiten Markt. Streuobst führt dagegen eher ein Schattendasein. Das soll anders werden, auch im Sinne der Artenvielfalt.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Schwaben am .

Eine alte Streuobstwiese am Bodensee. Leonie Funke stapft einen Hügel bei Hergensweiler hinauf. Neben ihr gehen Constanze und Siegmar Heim, Nebenerwerbslandwirte. Gräser und Stängel des gelben Hahnenfußes reichen ihnen bis über die Knie. Die Apfelbäume auf der Wiese stehen in voller Blüte: Bienen, Hummeln und Wespen schwirren um die zarten weiß-rosafarbenen Blütenblätter. Auf dem Hügel und rund herum stehen gut 130 sogenannte Hochstämme, vor allem Apfel- und Birnbäume. 30 bis 40 verschiedene, überwiegend ältere Sorten, wie Boskoop, Berner Rosenapfel, Berlepsch. Auch bereits fast tote Bäume stehen noch. Im knorrigen Holz haben sich Wildbienen ein Zuhause geschaffen. Siegmar Heim sagt: "Eine unheimliche Vielfalt". Und eine Besonderheit. Solche Wiesen gibt es zwar noch überall, aber über die Jahrzehnte sind es immer weniger geworden. Das ist auch auf den Wiesen der Familie Heim so.

Früher gab es mehr Streuobst

"Meine Eltern haben noch viel mehr Bäume gehabt, früher waren das extrem viele Bäume", sagt Siegmar Heim. Ihm geht es darum das alles zu erhalten, auch indem er mit seiner Frau neue Apfelbäume pflanzt. "Das hat einen ideellen Wert", sagt Constanze Heim: "Das ist das Landschaftsbild, das das Allgäu einfach ausmacht." Das wolle sie an die nächsten Generationen weitergeben, sagt die Landwirtin. Das sei viel Arbeit, bereite aber auch viel Spaß.

Viel Arbeit, kaum finanzieller Ertrag

Die Bäume im Frühjahr schneiden, bewässern, mähen, Mäuse und Krankheiten fernhalten, ernten. "Das ganze Jahr ist man beschäftigt", sagt Siegmar Heim. All das kostet viel Zeit und Mühe. Dabei ist die Ausbeute im ursprünglichen Obstanbau geringer als in den intensiv bewirtschafteten Plantagen am Bodensee. Dort werden Äpfel für den Supermarkt produziert. Hunderte Tonnen jedes Jahr. Auch da blüht es zurzeit. Auch die Bäume aus den Plantagen kosten die Landwirte reichlich Pflege, Arbeit und Zeit, tagtäglich. Doch da fahren große landwirtschaftliche Maschinen leichter, die niedrigen Bäume lassen sich vom Boden aus ernten, es fällt ein höherer Ertrag ab. Streuobstwiesen dagegen sind nicht so rentabel. Ihr Rückgang aber hat Folgen.

Weniger Streuobst, weniger Lebensraum

"Diese Lebensräume, die durch Bäume in der Landschaft und auf den Flächen entstehen, das geht verloren", erklärt Streuobstberaterin Leonie Funke. Sie sagt: "Im Prinzip habe ich einen Rückgang der Artenvielfalt. Das ist das Dramatische." Deshalb berät Leonie Funke Landwirte und Privatpersonen. Sie gibt Baumpflege- und Schnittkurse, will helfen, dass die Streuobstwiesen erhalten bleiben, und künftig wieder mehr Bäume auf den Wiesen stehen, damit das Landschaftsbild im Allgäu erhalten bleibt und die Artenvielfalt wieder wächst.

Förderung für neue Hochstämme

Genau das verfolgt auch der sogenannte Streuobstpakt in Bayern. Den haben Naturschützer, Landschaftspflegeverbände, Landwirte und die Politik gemeinsam Ende 2021 auf den Weg gebracht. Das Ziel: Neben dem konventionellen Obstanbau sollen die Streuobstbestände wieder wachsen, alte Bäume sollen erhalten bleiben, die Menschen sollen wieder mehr naturbelassenen Apfelsaft trinken. Dafür gibt es Förderprogramme. So wird ein Hochstamm, also etwa ein Kirschbaum mit einer Stammhöhe von mindestens 1,40 Meter, mit 12 Euro pro Baum unterstützt. Wie viele Bäume genau schon neu gepflanzt worden sind, hat das Umweltministerium auf Nachfrage von BR24 nicht mitgeteilt. Demnach wurden im vergangenen Jahr allerdings rund 2,5 Millionen Euro an Fördermitteln ausbezahlt. "Über 700.000 Euro flossen dabei nach Unterfranken, nach Oberfranken flossen knapp 500.000 Euro", hieß es in einer Antwort.

Neue Stelle für mehr Streuobst

Im Norden Bayerns gibt es auch die meisten sogenannten Streuobstmanager, die teils bei den Bezirksregierungen, teils direkt in den Landratsämtern arbeiten. In Unter-, Ober und Mittelfranken sind das beispielsweise insgesamt je fünf und in Oberbayern 3,5 Stellen. In Schwaben wurden zweieinhalb Arbeitsstellen geschaffen. Unter den Mitarbeitern sind auch Streuobstberaterinnen wie Leonie Funke. Die Agrarwissenschaftlerin findet es ambitioniert, bis 2035 eine Million Bäume mehr überall in Bayern zu pflanzen. Aber: "Wir brauchen ambitionierte Ziele." Das sei der richtige Ansatz und auch das Interesse in der Landwirtschaft dafür sei groß, berichtet Leonie Funke. Will man mehr hohe Obstbäume pflanzen, ist ihr zufolge eine gute Planung notwendig, etwa was die Sorten angeht. In höheren Lagen im Allgäu müssen Bäume mehr Frost aushalten können als am Bodensee. Landwirt Heim sagt, er achte inzwischen auch mehr drauf, dass es Sorten sind, die mehr Trockenheit vertragen.

Verbraucher sollten regional kaufen

Auch soll das Streuobst aus der Region Bodensee-Allgäu künftig noch besser vermarktet werden. Funke sieht hier die Verbraucher in der Pflicht. Sie sollten mehr Obst, Saft, Schnaps direkt an den Höfen kaufen oder regional im Getränkemarkt. Da gibt es seit nunmehr rund 20 Jahren zum Beispiel den naturtrüben Bio-Apfelsaft von Streuobstwiesen. Ein Projekt, das vom Bund Naturschutz ins Leben gerufen wurde. Wie auch Familie Heim liefern dafür mehr als 100 Landwirtinnen und Landwirte aus der Region ihr Streuobst der Lindauer Bodensee-Fruchtsäfte GmbH. Die geringeren Erträge werden mit höheren Preisen ausgeglichen. Schlussendlich ist der Apfelsaft teurer als andere Säfte, hilft aber die Streuobstwiesen zu erhalten.

Im Video: Landwirte setzen sich für Streuobstwiesen und Artenvielfalt ein

Von links: Landwirte Siegmar und Constanze Heim und Streuobstberaterin Leonie Funke.
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Setzen sich für Streuobstwiesen und Artenvielfalt ein (von links): Landwirte Siegmar und Constanze Heim und Streuobstberaterin Leonie Funke.

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