Satelliten wie Sentinel 1 und 2 der Europäischen Weltraumorganisation (Esa) dokumentieren im Auftrag des Bayerischen Landwirtschaftsministeriums bei ihren Erdumrundungen den Bewuchs auf bayerischen Flurstücken.
Bildrechte: picture alliance / dpa | ESA/ATG medialab

Satelliten kontrollieren im Auftrag des Bayerischen Landwirtschaftsministeriums bei ihren Erdumrundungen den Bewuchs auf bayerischen Flurstücken.

Per Mail sharen
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

Wie Landwirte mit Satelliten und Apps kontrolliert werden

Was auf den zwei Millionen Äckern und Wiesen bayerischer Bauern wächst, ermitteln Satelliten. Zusätzlich müssen sich Landwirte mit einer App selbst kontrollieren. Keine Branche werde so vom Staat kontrolliert wie die Landwirtschaft, sagen Kritiker.

Über dieses Thema berichtet: regionalZeit - Franken am .

Landwirtschaftsmeister Markus Link lebt und arbeitet in Mönchberg im Landkreis Miltenberg. Seine 150 Hektar Land werden von den ESA-Satelliten Sentinel 1 und 2 im Auftrag des bayerischen Landwirtschaftsministeriums erfasst. Der Behörde geht es um den Bewuchs auf Links Feldern sowie auf allen anderen bayerischen Flurstücken. Es ist ein weiterer Schritt in Richtung Digitalisierung in der Landwirtschaft.

Die Familie Link hat Anfang des Jahres dem Landwirtschaftsamt via Internet gemeldet, was sie auf welchem Feld anbaut und wie sie es tut. Da geht es etwa um Fruchtfolgen, Umweltauflagen und Artenschutz. Denn je nach Bewirtschaftung bekommen Landwirte unterschiedliche staatliche Prämien für ihre Felder.

EU: Kontrolle gegen Geld für Landwirtschaft

Bei Landwirt Link sind es rund 200 Euro je Hektar, also insgesamt rund 30.000 Euro im Jahr. Im Gegenzug verlangt die EU von den Mitgliedsstaaten, dass sie ihre Landwirte kontrollieren.

Um die Folgen des Klimawandels abzuschwächen, will die EU auch ein Renaturierungsgesetz auf den Weg bringen. Auch darüber zeigten sich Landwirte zuletzt besorgt.

Bisher geschah die Kontrolle der landwirtschaftlich genutzten Flächen dadurch, dass immer zwei Agrarbeamte auf die Höfe fahren und vor Ort kontrollieren mussten. Jetzt erledigen das Satelliten. Aber die dabei eingesetzte Künstliche Intelligenz liegt oft daneben, erkennt etwa Mais, wo tatsächlich Klee wächst oder kann Wintergerste nicht von Weizen unterscheiden.

Sobald das Satelliten-Flächenmonitoring auf dem Feld etwas anderes erkennt, als der Landwirt am Jahresanfang in seinem Förderantrag angegeben hatte, schickt das System eine sogenannte rote Ampel an die Landwirtschaftsämter und die Landwirte. Markus Link hat inzwischen mehr als 20 solche "roten Ampeln" auf seinem Rechner. Nun soll er sich auf sein Smartphone die "FAL-BY-App" des bayerischen Landwirtschaftsministeriums herunterladen und per Foto selbst nachweisen, ob die Satelliten sich irren oder nicht. Er müsste ein Panoramafoto von seinem Feld machen und eine Nahaufnahme etwa von einer Getreideähre.

Landwirte fühlen Misstrauen gegen ihren Berufsstand

Link schüttelt energisch den Kopf. "Mit mir nicht!" Er gebe lieber seinen Meisterbrief zurück und verzichte künftig auf staatliche Flächenprämien, bevor er diesen neuen Schritt Richtung "Gläserne Landwirtschaft" mitmache. Er nehme in Kauf, dass ihm am Jahresende finanzielle Sanktionen drohen. Dem grundsätzlichen Misstrauen gegen seinen Berufsstand wolle er sich widersetzen. Und er wisse von vielen Berufskollegen, dass sie sich ärgerten.

Tatsächlich steht Wintergerste auf Links Acker, wo der Satellit Weizen erkannte. Auf dem Feld mit Öllein wächst auch nicht der vom Satelliten erkannte Mais. Links Förderantrag passt. Zu seinem eigenen Kontrolleur mit der Foto-Kontroll-App will er sich nicht machen lassen.

Video: FAL-BY-App: Landwirte hadern mit Kontroll-App

Bei Unstimmigkeiten darüber, was auf dem Feld wächst, sollen Landwirte künftig Fotos in der App "FAL-BY" hochladen. Das spart Zeit und Personal, ärgert aber manche Landwirte.
Bildrechte: BR / Unser Land 2023
Artikel mit Video-InhaltenVideobeitrag

Bei Unstimmigkeiten darüber, was auf dem Feld wächst, sollen Landwirte künftig Fotos in der App "FAL-BY" hochladen. Das ärgert aber manche.

Landwirtschaftsministerium sieht Vorteile für Landwirte

Landwirte kritisieren, mit der neuen Kontroll-App wolle der Staat sich nur persönlichen Kontrollaufwand sparen. Das bayerische Landwirtschaftsministerium hingegen sieht die neue App als Entlastung für die Betriebe, weil der oft zeitaufwendige und emotional belastende Besuch von Beamten wegfalle. Überhaupt mache die App die Kommunikation zwischen Behörden und Landwirten flexibler, Landwirte könnten beantragte Angaben korrigieren, ohne Sanktionen fürchten zu müssen.

Im Übrigen, so eine Sprecherin des Ministeriums, würden die Landwirte in der Mehrheit diesen neuen Kommunikationsweg mit der App annehmen. Tatsächlich nutzen alle Bundesländer und alle EU-Mitgliedsstaaten die Daten der Sentinel-Erdbeobachtungssatelliten, um die Flächennutzung der Landwirte zu überwachen.

Wie die Ampel wieder grün werden soll

Schafhalterin Angela Wunderlich nutzt in Mönchkröttendorf im Landkreis Lichtenfels die neue Foto-Kontroll-App. Sie und ihr Mann bewirtschaften mit 1.000 Schafen rund 400 Hektar Äcker und Wiesen – darunter viele Naturschutzflächen. Angela Wunderlich bekam in den letzten Tagen auch etliche "rote Ampeln" auf ihr Smartphone und dazugehörige "Aufgaben". Das heißt: Die Satelliten haben etwa gleich neben ihrem Hof einen Klee-Acker als Maisbestand identifiziert.

Die Schafhalterin sieht auf ihrer App genau das Feldstück, läuft hin und macht zwei Fotos: eine Panorama-Ansicht, eine Nahaufnahme. Die beiden Fotos erscheinen samt genauer Geo-Koordinaten auf dem Bildschirm. Dann drückt sie das Feld "Senden". So gelangen die Fotos vom Klee-Acker zur Agrarbehörde, werden dort geprüft und die Ampel für diese Fläche wird auf "grün" geschaltet.

Ohne Prämie und Förderung könnten viele Bauern nicht überleben

Angela Wunderlich erledigt die meisten dieser Foto-Aufgaben mit anderen Arbeiten, etwa, wenn sie Weidezäune kontrolliert oder Schafe mit Wasser versorgt. Sie hält den Aufwand für vertretbar. Außerdem bleibe ihr und ihrem Mann gar nichts anderes übrig, als die digitale Selbstkontrolle mitzumachen. Schließlich könnten sie ohne die staatlichen Fördergelder und Flächenprämien gar nicht existieren.

Bildrechte: BR/Ulrich Detsch
Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Ein Landwirt übermittelt via App an das Bayerische Landwirtschaftsministerium, was auf seinen Feldern und Wiesen wächst.

Dieser Artikel ist erstmals am 28. Juli 2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!