Ein Sommertag an den Osterseen bei Iffeldorf (Landkreis Weilheim-Schongau).
Bildrechte: picture alliance / Wagner | Ulrich Wagner

Die bayerischen Seen trifft der Klimawandel. An den Osterseen in Iffeldorf befindet sich die Limnologische Forschungsstation der TU München

Per Mail sharen
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

Bayerns Seen im Klimawandel: Forscher beklagt "McDonaldisierung"

Die bayerischen Seen trifft der Klimawandel. Wärmeres Wasser bedeutet schlechtere Lebensbedingungen für viele Tier- und Pflanzenarten. Eine Langzeitstudie der TU München zeigt die Veränderungen auf - und gibt Hinweise zum Schutz der Gewässer.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

In Iffeldorf an den oberbayerischen Osterseen befindet sich die Limnologische Forschungsstation der Technischen Universität München (TUM). Von dort aus hat ein Team aus Wissenschaftlern um Jürgen Geist und Uta Raeder aquatische Klimaforschung betrieben, also die Veränderungen der Seen im Klimawandel untersucht. Limnologen erforschen Binnengewässer als Ökosysteme.

"Die Haupterkenntnis ist: Der Klimawandel ist wirklich angekommen in den bayerischen Gewässern", sagt Jürgen Geist, Professor für Aquatische Systembiologie. Die Seen werden wärmer, die Schichten des Wassers sind statischer, sie vermischen sich weniger, in unteren Schichten schwindet der Sauerstoff. All das hat Auswirkungen auf die Artenvielfalt.

Forscher untersuchten rund 100 Seen

Im Rahmen der Studie wurden insgesamt 43 Bergseen, davon 14 in den Tiroler Alpen, sowie 54 weitere Seen untersucht. Die Forschungsprojekte der TUM zeigen: Steigende Wassertemperaturen und häufigere Hochwasserereignisse machen den bayerischen Seen zu schaffen. Die Ökosysteme verändern sich.

In diesem Sommer habe es zum Beispiel am Großen Ostersee längere Zeit eine Durchschnittstemperatur von 27 Grad gegeben, berichtet Uta Raeder. Das wärmere Wasser und Nährstoffe, die eingespült werden, sorgen für das Wachstum von Plankton. Die Zusammensetzung der pflanzlichen und der tierischen Lebewesen, also von Phytoplankton und Zooplankton wird anhand der Wasserproben laufend untersucht.

Osterseen besonders im Fokus

Die Osterseen eignen sich besonders zur Untersuchung, weil sie so unterschiedlich sind und zudem in nächster Nähe liegen. Der erste See, der Waschsee - dort liegen die Forschungsboote der Limnologischen Station - ist klein und besonders nährstoffreich. Hier lassen sich viele Algen erkennen, das Schilf zeigt bis zum Wasser mehrere Zentimeter breite, helle Streifen an den Stängeln, hier lässt sich der niedrige Wasserstand erkennen.

Die "McDonaldisierung" von Tier- und Pflanzenarten

Bestimmte Pflanzen breiten sich verstärkt aus. Dazu gehört beispielsweise das sogenannte Nixkraut. Dieses grüne Wasserkraut, das relativ stachelig und starr ist, konnte sich früher nur in ein oder zwei Seen halten. Jetzt haben es die Forscher in viel mehr der untersuchten Seen nachgewiesen - in 29 von 53 untersuchten Gewässern kommt es vor.

Der Sonnenbarsch macht sich breit und verdrängt andere Arten. Vieles deutet darauf hin, dass sich wärmeliebende Arten invasiv in den Gewässern ausbreiten. Jürgen Geist spricht von einer "McDonaldisierung" der Arten: Nur noch eine begrenzte Anzahl von Arten tritt auf - diese dafür weltweit. Die Vielfalt schwindet.

Cyanobakterien – giftige Blaualgen breiten sich aus

Arten, die oberflächennah vorkommen und kühlere Temperaturen lieben, haben es zunehmend schwer. Cyanobakterien, bekannt als Blaualgen, gedeihen dagegen bei weniger Sauerstoff, das ist ein Problem. Weil Algen und Bakterien wachsen, reichern sich Nährstoffe in ursprünglich nährstoffarmen Gewässern an – der See düngt sich selbst, sagen die Forscher.

Eine Folge: Es wachsen dann die Algen, die bei Menschen schädliche Reaktionen auslösen können. In Oberfranken etwa mussten auch in diesem Jahr mehrere Badeseen wegen Blaualgen gesperrt werden. Während gegenwärtig etwas mehr als die Hälfte der Seen in Bayern geeignete Umweltbedingungen für nicht heimische Arten bieten, könnten bei einem Anstieg um 1,5 Grad Celsius mehr als 75 Prozent der Gewässer von nicht heimischen Arten besiedelt werden.

"Bio-Manipulation" für gesündere Seen

Ein Weg kann sein, den Nährstoffeintrag möglichst zu verringern. Dazu gehören zum Beispiel Ringkläranlagen, und Düngeregeln. Man kann Blaualgen aber auch über die richtigen Fische bekämpfen - erklärt Jürgen Geist. Er spricht von "Bio-Manipulation", bei der es gilt, bestimmte Fischarten zu fördern, "dass beispielsweise mehr Raubfische vorhanden sind und ein stärkerer Fraßdruck entsteht. Das beeinflusst die Weißfische, die wiederum das tierische Plankton, also die Cyanobakterien, fressen." Ein Ziel wäre demnach, dass sich mehr Zander, Hechte oder Waller verbreiten. Der Waller ist genügsamer Opportunist. Er kommt mit unterschiedlicher Nahrung gut klar und höhere Temperaturen machen ihm auch nichts, ganz anders als zum Beispiel Forellen, die es zunehmend schwer haben.

Wissenschaftler fordern besonderen Schutz für Bergseen

Eine klare Forderung der Wissenschaftler: unberührte Bergseen sollten unter besonderen Schutz gestellt werden und weiter möglichst unberührt bleiben. Bei den anderen Gewässern, die bereits beeinträchtigt sind, gilt es, die Stress-Faktoren zu untersuchen und dann abzuwägen und demokratisch zu entscheiden, was gemacht wird. Wenn beispielsweise Seen umzukippen drohen, weil Abwässer hineinkommen, kann man durch den Bau einer Ringkläranlage viel erreichen. Das hat dem Waginger See, dem wärmsten bayerischen See, genauso geholfen wie dem Funtensee im Nationalpark Berchtesgaden, einem kühlen Bergsee.

Einschränkungen des Tourismus und Änderungen beim Fischbesatz sind weitere teilweise umstrittene Maßnahmen.

Immer weniger Forellen - Herausforderungen für Fischer

Es gibt Bergseen, wo die Gewässerforscher der TU empfehlen, möglichst keine Fische einzusetzen. Das sehen die Fischer teilweise anders. Der Lebensraum für Forellen wird kleiner, auch andere kälteliebende Arten, wie Renken und Saiblinge, tun sich schwerer und kommen in manchen Gewässern gar nicht mehr vor.

Für die Fischer ist das eine Herausforderung; auch sie wollen an den Seen ihre Interessen berücksichtigt sehen. Waller kommen nicht mehr nur in Flüssen vor, sondern erobern auch die Seen, sie sind als Gewinner des Klimawandels heute schon stärker verbreitet als früher. Dann gibt es Arten wie den Sonnenbarsch, deren Freisetzung eigentlich verboten ist, die aber schon so weit verbreitet sind, dass sie wohl nicht mehr verschwinden werden.

Fördert Photovoltaik auf Seen Blaualgen?

Derzeit werden Flächen für Photovoltaik gesucht. Neben Agrophotovoltaik, Solarfarmen an Land sind auch Photovoltaikanlagen auf Seen in der Diskussion. Hier haben sich die Wissenschaftler klar festgelegt. Sie sehen große Solarflächen als Gefahr für den Artenreichtum der Gewässer, denn das Wasser unter so einer Fläche biete dann nur noch Lebensraum für ganz spezialisierte Organismen.

Gerade die Cyanobakterien, die wir als Blaualgen kennen, würden mit dem Schatten zurechtkommen. Auch Umweltminister Glauber fordert, Photovoltaik zuerst auf Dächer zu bauen und vor allem Naturseen in Ruhe zu lassen. Bei künstlichen Gewässern oder Baggerseen müsse man prüfen, ob es dort Möglichkeiten für schwimmende PV-Anlagen gibt, so Glauber.

Gebirgsseen sind besonders gefährdet

Gebirgsseen sind besonders bedroht im Klimawandel, darum gilt es weiter, Stressfaktoren für Tier- und Pflanzenwelt dort abzubauen, wie die Wissenschaftler der Forschungsstation Iffeldorf betonen. Kleine Bergseen, besonders wenn sie flach sind, sollten möglichst vom Menschen unberührt bleiben. Uta Räder berichtet auch von Berghütten, die Abwässer unkontrolliert ablaufen und in tiefergelegene Seen fließen lassen. Hier gibt es Lösungen über Versitzgruben.

Der Klimawandel mit vermehrtem Starkregen sorgt dafür, dass das Wasser schnell schlammig braun wird. Rodungen um Bergseen sind deshalb zu vermeiden, weil besonders schädlich. Ein künftiger Schwerpunkt wissenschaftlicher Untersuchungen sollen auch die Kleinseen im bayerischen Alpenvorland werden, die ein wesentliches Merkmal der Landschaft sind.

Seen als "Augen" der Landschaft

Die Gewässerforscherin Uta Räder nennt die Seen "Augen" der Landschaft. Wenn man in dem Bild bleibt, sind die Limnologen und Aquatiker in der Forschungstation Iffeldorf und am Institut der TUM in Weihenstephan sozusagen frühe Diagnostiker und Augenärzte der Landschaft.

Hohe Kosten für Gewässerschutz

Fazit: Es gibt in den bayerischen Seen Gewinner und Verlierer des Klimawandels. Zur Stärkung ihrer Widerstandskraft, wird es einen Interessensausgleich geben müssen. Gewässerschutz kostet außerdem Geld: Von 2010 bis 2021 wurde eine Milliarde Euro investiert, so das Umweltministerium. Bis 2024 sind zusätzlich 600 Millionen Euro veranschlagt.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!

Bayerns Seen im Klimawandel: Forscher beklagt "McDonaldisierung"
Bildrechte: BR
Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Bayerns Seen im Klimawandel: Forscher beklagt "McDonaldisierung"