Ein rotes Protestplakat hängt an einer einer Scheunenwand, darauf ist in gelben Buchstaben die Aufschrift "Landleben statt Gewerbegebiet - Essen statt Geld" zu lesen.
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Mit großen Plakaten prangern die Menschen in Draisendorf das geplante Gewerbegebiet an.

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Viel Wut im Dorf: Streit um Gewerbegebiet in Oberfranken

Im oberfränkischen Draisendorf will die Gemeinde mit einem US-Investor ein Gewerbegebiet bauen – auf bis zu 34 Hektar. Das treibt viele Menschen in dem Ortsteil von Regnitzlosau auf die Barrikaden. Nun haben sie einen Bürgerentscheid durchgesetzt.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Gemütlich grasen zwei Kühe auf einer Freifläche mitten in Draisendorf bei Regnitzlosau: Doch gleich neben dieser Idylle in dem kleinen Ort im Landkreis Hof prangen meterhohe Banner. Auf den alarmroten Plakaten stehen verschiedene Slogans in signalgelben Buchstaben, zum Beispiel: "Landleben statt Gewerbegebiet – Essen statt Geld." Im Gespräch mit Menschen aus Draisendorf spürt man immer wieder Wut. Wut über die Idee des Gemeinderats, ein Gewerbegebiet auszuweisen – etwas außerhalb des 90-Einwohner-Dorfs und im ersten Bauabschnitt 13 Hektar groß, im zweiten bis zu 34 Hektar. "Das macht mich wütend", sagt zum Beispiel Brigitte Franz ganz deutlich. Zusammen mit einigen anderen aus dem Dorf hat sie kurz nach Bekanntwerden der ersten Pläne die Bürgerinitiative "Stoppt den Flächenfraß" gegründet.

Bürgerentscheid in Regnitzlosau im Dezember geplant

Innerhalb von wenigen Wochen haben die Mitglieder der Bürgerinitiative 296 Unterschriften für einen Bürgerentscheid gegen das Gewerbegebiet gesammelt. Das sind 15 Prozent der Wahlberechtigten von Regnitzlosau – für die Durchführung des Bürgerentscheids hätten zehn Prozent gereicht. Voraussichtlich am 3. Dezember geht es in Regnitzlosau um die Frage, ob die Gemeinde die Planungen für das Gewerbegebiet wieder einstellen muss. Das hat Bürgermeister Jürgen Schnabel (Freie Wählerschaft Regnitzlosau FWR) am Dienstagabend (26.09.23) bei der Gemeinderatssitzung erklärt.

Bürgermeister vom massiven Protest überrascht

Der massive Protest habe ihn überrascht, räumt der Bürgermeister in einem Gespräch mit BR24 ein. Die Beteiligung der Bürger sei ihm und dem gesamten Gemeinderat wichtig, deshalb habe man zum Beispiel im Juli zusammen mit dem potenziellen US-amerikanischen Investor Panettoni eine Info-Veranstaltung in Draisendorf angeboten. Auch da seien die Emotionen hochgekocht, heißt es aus Teilnehmer-Kreisen.

Seit mehr als 30 Jahren keine Gewerbeflächen ausgewiesen

Das Gewerbegebiet sei eine Entwicklungschance – da ist sich der Bürgermeister mit der Mehrheit von CSU und FWR einig. Die beiden Gemeinderätinnen von Bündnis90/Die Grünen und SPD hingegen lehnen es ab. In der Gemeinderatssitzung, bei der 20 Bürgerinnen und Bürger dichtgedrängt im Rathaus sitzen, wirbt der Bürgermeister erneut dafür: "Die Gemeinde hat seit 32 Jahren keine Gewerbeflächen mehr ausgewiesen." Es gebe nur noch eine kleine freie Fläche für Firmen-Ansiedlungen, die aber im Privatbesitz sei. Es gebe Nachfragen von Firmen und weitere Gewerbeansiedlungen seien wichtig – nur durch weitere Steuereinnahmen könne die Gemeinde ihre Pflichtaufgaben finanzieren.

Für das geplante Gewerbegebiet benötige man 0,35 Prozent der Gesamtfläche der Gemeinde Regnitzlosau. Dieser Bedarf sei verantwortbar, so Bürgermeister Schnabel. Dem widerspricht die Bürgerinitiative vehement. Es sei ein Unding, in Draisendorf Felder und Wiesen zuzupflastern, wenn gleichzeitig in umliegenden Gemeinden noch freie Gewerbeflächen und auch leerstehende Fabrikhallen zur Verfügung stünden, so Sprecherin Brigitte Franz.

Tochter-Firma eines US-Investors übernimmt Erschließung

Argwöhnisch sind die Gegner auch, weil die deutsche Tochterfirma eines US-Investors das Gewerbegebiet umsetzen will. Die Firma Panattoni ist nach eigenen Angaben Marktführer in Deutschland für die Entwicklung von Logistik- und Industrie-Immobilien. In Bayern hat der Investor unter anderem Gewerbeparks in Dettelbach bei Würzburg und in Ansbach gebaut. Für Regnitzlosaus Bürgermeister ist diese Zusammenarbeit sinnvoll. Denn der Investor übernehme komplett die Finanzierung der Infrastruktur mit Straßen, Wasser- und Kanalanschlüssen, außerdem baue er auch die Gebäude und vermiete diese dann an einzelne Firmen. "Dies könnten wir uns als ländlich geprägte Gemeinde kaum leisten. Und dadurch haben wir ein überschaubares, bis gar kein Risiko", argumentiert Schnabel.

Noch keine Interessenten für Ansiedlung

Und er betont: Die Gemeinde werde über einen städtebaulichen Vertrag und den Bebauungsplan auch Einfluss auf die Ansiedlungen nehmen. Ziel sei es, dass sich vor allem kleinere, mittelständische Unternehmen niederlassen. Noch gebe es aber keine konkreten Gespräche, man sei erst im Anfangsstadium der Planung. Bei der Änderung des Flächennutzungsplans und der Aufstellung des Bebauungsplan habe die Bürgerschaft immer auch Mitsprache-Möglichkeiten.

Noch viel Gesprächsbedarf in Regnitzlosau

Geht es nach den Gegnern aus Draisendorf soll das Projekt nicht über das Anfangsstadium hinaus kommen. Nachdem der Gemeinderat nun die Durchführung des Bürgerentscheids beschlossen hat, stehen sie noch vor dem Rathaus zusammen. Auch da ist wieder Wut und Frust zu spüren – das Gewerbegebiet ist in einer Entfernung von nur 500 Metern zu Wohnhäusern geplant. Den Menschen in dem kleinen Ortsteil mute man Lärm und sonstige Belästigungen zu, damit der Gesamtort Gewerbesteuer kassieren könne, kritisieren die Frauen und Männer aus Draisendorf. Es ist von verschwundenen Akten zu historischen Nutzungsrechten auf den Grundstücken die Rede, von Blockaden, damit man seine eigenen Flächen nicht an andere Investoren verpachten könnte. Bis zum Bürgerentscheid in einigen Wochen gibt es noch viel Gesprächsbedarf in Regnitzlosau – damit die Wut nicht noch weiter wächst.

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