Kontrovers-Interview mit Prof. Ursula Münch, Politikwissenschaftlerin
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Kontrovers-Interview mit Prof. Ursula Münch, Politikwissenschaftlerin

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Ursula Münch: Söder muss aufpassen, dass er nicht übertreibt

Zur Rolle der bundespolitischen Opposition gehört es auch, die Regierung zu kritisieren – und das erfüllt Markus Söder. Doch "manche Sachen werden ganz heftig übertrieben", kritisiert die Politikwissenschaftlerin Ursula Münch im Kontrovers-Interview.

Über dieses Thema berichtet: Kontrovers am .

Nach 16 Jahren Regierungsverantwortung muss die CSU nach der Bundestagswahl im Dezember 2021 auf der Oppositionsbank sitzen. Ein Platz, auf dem sich zumindest der CSU-Vorsitzende Markus Söder inzwischen eingefunden zu haben scheint: Am Mittwochabend stellte er sich bei "jetzt red i" im BR Fernsehen eine Stunde lang den Fragen von Bürgerinnen und Bürgern – und nutzte seine Chance, wie die Politikwissenschaftlerin Ursula Münch im Interview mit dem BR-Politikmagazin Kontrovers analysiert.

"Da ist ganz viel an den Ministerpräsidenten herangetragen worden, der in die Rolle auch des Oppositionspolitikers hineingeht. Sowohl der Föderalismus bietet ja die Möglichkeit der Opposition: Was würde der Freistaat Bayern auch dem Bund immer wieder entgegensetzen? Sowie das Thema: Was müsste man eigentlich im Bund anders machen? Das konnte er bei der einen oder anderen Frage natürlich ausspielen. Zum Beispiel beim Thema Atomenergie: Ist es sinnvoll die heutigen Kernkraftwerke noch eine Zeitlang weiterlaufen zu lassen oder ist das nicht so sinnvoll? Da gab es unterschiedliche Auffassungen." Prof. Ursula Münch, Akademie für Politische Bildung Tutzing

Überrascht habe Münch vor allem eine Aussage des Bayerischen Ministerpräsidenten: Auf die Frage, ob er Versorgungssicherheit bei der Energie versprechen könne, antwortete Söder: "Wenn ich Bundeskanzler wäre, dann hätte ich einen besseren Überblick." Der Kanzler-Zug sei ja bekanntlich – zumindest vorläufig – abgefahren, so Münch.

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Münch: Zuspitzen, aber nicht übertreiben

Grundsätzlich gehöre es zur jetzigen Oppositions-Rolle dazu, einerseits "als Freistaat zu sagen: ''Wir würden manches anders machen' und das als Opposition im Bundestag anders machen zu wollen", sagt die Politikwissenschaftlerin mit Blick auf die Sticheleien des CSU-Chefs gegen die Ampel.

Doch dabei gilt es, die Balance zu wahren: "Natürlich: Manche Sachen werden auch schon ganz heftig übertrieben“, kritisiert Münch im Interview. So etwa das angebliche Gender-Gebot, von dem Markus Söder in einem Zeitungsinterview sprach. "Das ist einfach so nicht der Fall“, stellt Münch klar: "Insofern muss er auch immer ein bisschen aufpassen, dass er zwar zuspitzt – die Leute sollen ja zuhören, das will man – aber, dass er es eben auch nicht übertreibt."

Zu viel Kritik könnte Söder einholen

Bei aller Kritik, die der CSU-Vorsitzende Markus Söder derzeit gegen die Bundesregierung anbringt, müsse er doch auf der Hut sein, dass diese ihn nicht einholt.

"Die Bundesregierung nur zu kritisieren, wird eine gewisse Zeit lang tragen. Aber irgendwann wollen natürlich die Wählerin und der Wähler auch wissen: 'Ja, was würdet ihr eigentlich anders machen – wo ihr doch selber 16 Jahre an der Bundesregierung beteiligt wart?'" Prof. Ursula Münch, Akademie für Politische Bildung Tutzing

Söders Abkehr von Ambitionen in Berlin war realistisch

Erneuten, potentiellen Ambitionen aufs Kanzleramt in Berlin hat Markus Söder bereits vergangene Woche im ARD-Sommerinterview eine Absage erteilt. Für die Politikwissenschaftlerin Ursula Münch folgt Söder damit einer realistischen Einschätzung: "Weil er es schlicht und ergreifend nicht werden würde. Im Augenblick hat ein CSU-Kandidat keine Chance von der Schwesterpartei akzeptiert zu werden. Das hat nichts mit der Wählerschaft zu tun, sondern da ist der Groll innerhalb der CDU dann doch recht groß."

Münch: CSU steht vor großen Herausforderungen

Nach zwei Jahren pandemiebedingter, fast komplett ausgebliebener Präsenz, demonstriert die CSU seit Wochen Bürgernähe. Der Ministerpräsident besucht Volksfeste, Bierzelte und führt Bürgergespräche.

Doch die Voraussetzungen sind "verdammt schwierig", findet Münch. Denn es sei Vertrauen verloren gegangen, etwa wegen der Maskenaffäre oder der Corona-Politik. Auch aktuelle Sorgen wie etwa, wie die nächste Stromrechnung bezahlt werden kann, führten bei den Wählerinnen und Wählern zu einer gewissen Abwendung von der Politik, analysiert die Direktorin der Akademie für Politische Bildung im Kontrovers-Interview.

Für Rückschlüsse und daraus resultierende, erste Prognosen für die Landtagswahl 2023 lassen sich allerdings laut Münch noch nicht ziehen. Denn es sei noch unklar, wie die internationale Situation und etwa die Energieversorgung im kommenden Jahr aussehen wird. "Aber wir wissen eins: Die Themen haben sich ganz massiv verändert im Vergleich zur letzten Landtagswahl 2018. Also da wird auch sehr viel sozialer Sprengstoff drinstecken", sagt Münch.

Video: Bundespolitik Bilanz - Kann die CSU Opposition?

CSU-Vorsitzender Markus Söder in Berlin, im Hintergrund die Deutschlandflagge
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Die CSU ist seit vergangenem Dezember bundespolitisch nach 16 Jahren erstmals wieder in der Opposition.

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