Die Grünen-Chefs Robert Habeck und Annalena Baerbock (l.) am 09.07.20, Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder (r.) am 14.09.20.
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Die Grünen-Chefs Robert Habeck und Annalena Baerbock (l.) am 09.07.20, Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder (r.) am 14.09.20.

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Analyse: Habeck, Söder & Co - "Schwarz-grün wird die Republik"?

Analyse: Habeck, Söder & Co - "Schwarz-grün wird die Republik"?

Union und Grüne in einer gemeinsamen Bundesregierung: Was 2013 und 2017 noch scheiterte, könnte im kommenden Jahr Wirklichkeit werden. Zuletzt überraschte CSU-Chef Söder mit deutlichen Avancen - aber es bleiben Unwägbarkeiten.

Die alten Reflexe funktionieren noch, neulich etwa bei CSU-Generalsekretär Markus Blume im hektischen und oft gereizten Netzwerk Twitter. "Niemand braucht einen Finanzminister, der nicht mal die Pendlerpauschale erklären kann", schrieb Blume zu Spekulationen, wonach Grünen-Parteichef Robert Habeck das Finanzministerium beanspruchen könnte, sofern dessen Partei Mitglied der kommenden Bundesregierung sein sollte. Und Blume moserte weiter: Während der Rest der Republik Corona bekämpfe, wollten die Grünen schon vor der Wahl Posten verteilen.

Auch die andere Seite kann austeilen. In Anspielung auf Söders inhaltliche (Teil-)Ergrünung schimpfte Habeck Ende November in der ZDF-Talkshow "Markus Lanz" wie folgt: "Herr Söder umarmt Bäume - wenn das Politik ist, kann man sich auch mit'm Kopp gegen einen Baum werfen. Das ist ja die Verlächerlichung von ernsten Themen." Auch beim bayerischen Grünen-Landesparteitag vor rund zwei Wochen wetterte Habeck über die CSU - und warf den Christsozialen eine "populistische Logik" vor.

"Die ganz großen Fragen unserer Zeit"

Letztlich sind das aber wohl Kabbeleien. Denn längst fliegen zwischen beiden Lagern, einst Lichtjahre voneinander entfernt, Sätze wie dieser hin und her: "Ich glaube, dass Schwarz-Grün einen großen Reiz hätte, weil beide politischen Kräfte die ganz großen Fragen unserer Zeit im Blick haben, wie die Versöhnung von Ökologie und Ökonomie."

Preisfrage: Stammt das von Baden-Württembergs grünem Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann, der im lange pechschwarzen Ländle seit 2016 die CDU zum Juniorpartner hat? Oder von Hessens CDU-Regierungschef Volker Bouffier, früher strenger Innenminister Roland Kochs, der seit 2014 mit den Grünen regiert?

Söder über Kretschmann: "ein weiser Mann"

Beides möglich, zugegeben. Aber tatsächlich kommt das Zitat von CSU-Chef Markus Söder, neulich im "Spiegel"-Interview mit Habeck. Zum Kretschmann-Fan ist Bayerns Ministerpräsident schon länger geworden ("ein weiser Mann") - im Rahmen der "Südschiene", also der interessengeleiteten Zusammenarbeit zweier wohlhabender Bundesländer mit Automobil-Schwerpunkt. Nun versucht der 53-Jährige, als CSU-Chef die Weichen für eine schwarz-grüne Zusammenarbeit im Bund zu stellen, die 2013 vor allem an den Grünen und 2017 im Jamaika-Kontext an der FDP scheiterte.

Besser mit den Grünen regieren als abermals mit der GroKo-müden SPD - dass Söder so vorgeht, ist inzwischen für viele Beobachter nur konsequent. "Schwarz-Grün ist die realistischste Variante für die nächste Bundesregierung", sagt Ursula Münch, Direktorin der Akademie für Politische Bildung in Tutzing. Deshalb stellen sich laut ihrem Eindruck beide Lager schon genau darauf ein. Zu Söders verbaler Annäherung sagt Münch: "Der Mann kann ja auch rechnen - und weiß, in welche Richtung es gehen wird."

Die Grünen wollen sich derweil bisher nicht auf eine Option festlegen, zumal Habeck und die andere Parteichefin Annalena Baerbock den Traum von einer grünen Kanzler(innen)schaft noch nicht ganz aufgegeben haben. Insofern dürfte auch die Variante Grün-Rot-Rot in den Überlegungen der beiden eine Rolle spielen - CSU-Chef Söder warnt beständig vor diesem Szenario. Politologin Münch ist skeptischer: Ihrer Einschätzung nach können die Grünen nicht zwei Wahlkämpfe führen - einen mit Blickrichtung Union und einen mit Blickrichtung SPD und Linkspartei.

Unwägbarkeiten: Basis, Merz & Co.

Dennoch bleiben Unwägbarkeiten zwischen Schwarz und Grün - zunächst die jeweiligen Basis-Stimmungen. "In der Wählerschaft der Union gibt es nennenswerte Vorbehalte gegen die Grünen - und andersherum wohl noch mehr", sagt Münch. Vor allem "in der mittleren Ebene" der Christsozialen gebe es Sorgen, durch eine Grünen-Annäherung die eigene konservative Basis zu verlieren - an die Freien Wähler, ins Nichtwähler-Lager oder an die AfD. "Jetzt auf einmal die Grünen als idealen Partner darzustellen, das wäre vor diesem Hintergrund nicht unproblematisch", sagt Münch.

Auch die Personalie Friedrich Merz spielt eine Rolle. Sollte der 65-Jährige im Januar neuer CDU-Chef werden und auch das Rennen um die Kanzlerkandidatur machen, läuft alles auf einen ziemlich konfrontativen Wahlkampf hinaus. Denn für die meisten Grünen verkörpert Merz unangenehme Eigenschaften: kernig-marktliberal, altherrenmäßig, gesellschaftspolitisch von (vor)gestern. Dass am Ende die Grünen-Fraktion im Bundestag für einen schwarz-grünen Kanzler Merz votiert? Möglich, aber heikel. Söder wiederum dürfte auch in der kommenden Bundesregierung eine zentrale Figur bleiben - wenn nicht als Kanzler, dann in jedem Fall als CSU-Chef.

Bleibt als wohl zentrale Bruchstelle: die Inhalte. Zwar sind Union und Grüne in der derzeit alles dominierenden Corona-Politik sehr nah beieinander. Dennoch bleiben grundlegende Unterschiede - etwa beim Klimaschutz, im Umgang mit Migranten und Flüchtlingen oder in der Verkehrs- und Landwirtschaftspolitik. Und auch wenn die Grünen mit ihrem unlängst verabschiedeten Grundsatzprogramm einen weiteren Schritt in die politische Mitte gemacht haben: Beim Sondieren und Verhandeln dürfte es ordentlich knirschen - mindestens.

Sonderfall Bayern - wegen den Freien Wählern

In Bayern übrigens liegen CSU und Grüne weiter auseinander, als es Söders jüngste Einlassungen vermuten lassen. Im Landtag vergeht fast keine Plenarsitzung, in der sich CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer nicht an den Grünen und deren Fraktionschefin Katharina Schulze abarbeitet. Die demonstrative Distanz der Christsozialen liegt auch daran, dass man mit den Freien Wählern - wenn es schon eine Koalition sein muss - im Freistaat einen wesensverwandten Regierungspartner hat. (Dass die Freien Wähler auch im Bund in Koalitionsnähe kommen, glaubt aber wohl insgeheim nicht mal der grundoptimistische Hubert Aiwanger.)

Wie es ausgeht in Sachen Schwarz-Grün, wird die nächste Bundestagswahl zeigen, datiert bisher auf den 26. September 2021. "Schwarz-Grün wird die Republik - hier ist sie es schon", sang der Kabarettist und Liedermacher Rainald Grebe schon vor rund zehn Jahren über den Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg. Und weiter: "Auf dem Nachttisch die Bibel und der Manufactum-Katalog."

Angesprochen auf diese Liedzeile sagt Politologin Münch schmunzelnd, das klinge ihr zu harmonisch. Dann schiebt sie einen interessanten Gedanken zu Schwarz-Grün nach, den vor allem die Strategen von CDU und CSU auch auf dem Schirm haben dürften. "Im Großstädtischen passen die jeweiligen Wählerschaften schon zusammen - städtisch, konservativ, leicht öko-angehaucht", erläutert Münch. Aber sowohl Bayern als auch die gesamte Bundesrepublik seien nun mal in erster Linie ein Flächenstaat. "Und besonders die konservative Bevölkerung in ländlichen Regionen hadert mit den Grünen als Gegenüber."

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