10.01.2024, Bayern, Traunstein: Andreas Perr (r), Kläger im Zivilprozess um einen Missbrauchsfall im Erzbistum München und Freising, steht neben seinem Anwalt Andreas Schulz. Das Verfahren vor dem Landgericht Traunstein war fortgesetzt worden. Perr, ein früherer Ministrant, gibt an, Mitte der 1990er-Jahre von einem Priester in Garching an der Alz sexuell missbraucht worden zu sein. Er fordert in dem Zivilprozess mindestens 300.000 Euro Schmerzensgeld vom Erzbistum.
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10.01.2024, Bayern, Traunstein: Andreas Perr (r), Kläger im Zivilprozess um einen Missbrauchsfall

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Missbrauchsprozess in Traunstein: Zähe Beweisaufnahme

Mit einer zähen Beweisaufnahme ging gestern am Landgericht Traunstein bis in den Abend der Prozess eines Missbrauchsopfers gegen die katholische Kirche weiter. Wann mit einem Urteil zu rechnen ist, ist unklar. Es könnte aber Signalwirkung haben.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Das Erzbistum München-Freising hatte in den 1980er- und 1990er-Jahren einen verurteilten Missbrauchstäter in der Seelsorge eingesetzt, der dann mehrere Kinder sexuell missbrauchte.

Als elfjähriger Ministrant wurde der heute fast 40-jährige Andreas Perr vom damaligen Gemeindepfarrer in Garching an der Alz sexuell missbraucht. Daraus, sagt er, sei ihm ein lebenslanger Schaden entstanden.

Ist der Missbrauch ursächlich verantwortlich für die Drogensucht?

Im Alter von 12 Jahren wurde er depressiv, ängstlich, begann zu trinken. Er habe die Bilder in seinem Kopf betäuben wollen. Mit 14 rutschte er in die Drogensucht ab, entwickelte eine Persönlichkeitsstörung, saß schließlich wegen Beschaffungskriminalität im Strafvollzug und war lange erwerbsunfähig. Dass dies alles direkte Folgen des Missbrauchs sind, das müssen Andreas Perr und seine Anwälte nun vor Gericht beweisen. "Das ist ein unangenehmes Gefühl, ein beschämendes Gefühl. Ich finde, das hätten sie mir ersparen können, weil es liegt eigentlich auf der Hand, dass das Ganze vom Missbrauch kommt."

Anders sieht das Rechtsanwalt Dieter Lehner, der das Erzbistum München und Freising verteidigt. Von diesem fordern Andreas Perr und seine Anwälte 300.000 Euro Schmerzensgeld: "Die Grundlagen, um eine Entscheidung über die angemessene Höhe zu treffen, diese Grundlagen stehen bisher nicht fest." Die Erzdiözese als Beklagte könne das aus eigener Wahrnehmung nicht beurteilen.

Kritik von Initiative Sauerteig

Eine Haltung, die vor allem bei Katholiken in Garching an der Alz auf Kritik stößt, die sich in der Initiative Sauerteig für die Aufklärung des Missbrauchsskandals vor Ort engagieren. Das Erzbistum zwinge den Kläger in ein Beweisverfahren, dabei lägen im Ordinariat alle Akten und Belege zu dem Fall vor, heißt es in einer vor dem Verhandlungstag veröffentlichten Pressemitteilung der Initiative.

Bei der Beweisaufnahme im Zivilverfahren am Landgericht Traunstein sagten der Kläger selbst und zwei ehemalige behandelnde Psychiater von ihm aus. Eine Suchterkrankung habe immer mehrere Gründe. Missbrauch könne einer sein. Die Beweisführung sei komplex, so auch Klägeranwalt Andreas Schulz: "In einem Zivilprozess hat der Kläger die Beweislast. Das heißt, es wird die spannende Frage sein: Kann eine Mitursächlichkeit zu einer vollen Haftung der beklagten Seite führen?"

Gutachten soll Grundlage für Schmerzensgeldhöhe klären

Um das zu entscheiden, lässt das Landgericht Traunstein nach den Anhörungen ein Gutachten erstellen. Auf dessen Basis wird weiter über die Höhe des Schmerzensgeldes verhandelt. 300.000 Euro fordert der Kläger. Wann mit einem Urteil zu rechnen ist, ist unklar. Fest steht: Spricht das Gericht Andreas Perr eine wesentlich höhere Summe zu als die maximal 50.000 Euro, die Bistümer gewöhnlich freiwillig an Betroffene zahlen, könnte das Signalwirkung für weitere Klagen haben.

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