Brückenpfeiler der Schraudenbachtal-Brücke nach Einsturz eines Tragegerüsts
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Brückenpfeiler der Schraudenbachtal-Brücke nach Einsturz eines Tragegerüsts

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Prozess zu Brücken-Unglück: Verteidigung fordert Freispruch

Im Prozess um die eingestürzte Autobahnbrücke auf der A7 bei Schraudenbach in Unterfranken fällt heute das Urteil. Ein Mann kam bei dem Unglück ums Leben, 14 Menschen wurden verletzt. Die Verteidigung fordert Freispruch für die drei Angeklagten.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Mainfranken am .

Ein Bauarbeiter starb, vierzehn weitere wurden zum Teil schwer verletzt. Im Prozess vor dem Landgericht Schweinfurt nach dem A 7-Brückenbauunglück nahe Schraudenbach vor fast sieben Jahren werden am Nachmittag die Urteile gesprochen. Die Verteidiger haben für die drei Angeklagten in ihren Plädoyers jeweils einen Freispruch gefordert.

Verteidigung: Ingenieure unschuldig am Brückeneinsturz

Die mit dem Traggerüst einer eingestürzten Autobahnbrücke befassten Ingenieure tragen nach Ansicht ihrer Verteidigungen keine Schuld an dem Unglück. Die 49, 59 und 65 Jahre alten Angeklagten seien daher freizusprechen, sagten ihre Anwälte in ihren Plädoyers am Mittwoch vor dem Landgericht Schweinfurt.

Der 49-Jährige und der 65-Jährige seien nie Prüfingenieure gewesen. Vielmehr sei der 49-Jährige ein Mitarbeiter des 65-Jährigen gewesen und dieser habe seinen Mitarbeiter an den 59-Jährigen entliehen. Bei dem 59-Jährigen begründeten seine Anwälte den Freispruch damit, dass er sich auf die Prüfung der anderen beiden Angeklagten verlassen habe. Deren Aufgabe sei die Prüfung des Traggerüsts gewesen.

"Es ist absolut tragisch, was sich am 15. Juni 2016 ereignet hat", betonte die Verteidigerin des 65-Jährigen. Damals war das Traggerüst für die neue Schraudenbach-Talbrücke auf der Autobahn 7 bei Werneck (Lkr. Schweinfurt) eingestürzt, als gerade 1.500 Tonnen Beton eingefüllt waren.

Nach der Beweisaufnahme und dem aus Sicht aller Verteidiger untauglichen Gutachten eines Bausachverständigen sei man meilenweit von der Wahrheit entfernt, warum das Brückenteil zusammenbrach, argumentierte der Anwalt des 49-Jährigen.

Staatsanwaltschaft fordert Bewährungsstrafen für Prüfer

Am späten Dienstagnachmittag hatte die Staatsanwaltschaft für zwei Prüfingenieure – 59 und 65 Jahre alt – jeweils eine zweijährige Freiheitsstrafe gefordert. Im Fall eines 49-jährigen Kollegen plädierte die Anklage für eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten. Den drei Ingenieuren werden jeweils fahrlässige Tötung und fahrlässige Körperverletzung vorgeworfen. Die Strafen könnten nach Auffassung der Staatsanwaltschaft jeweils zur Bewährung ausgesetzt werden.

Anklage: "Pflichten vernachlässigt"

Wie bereits berichtet, ist das Verfahren gegen einen zunächst mitangeklagten 51-jährigen Statiker abgetrennt worden, da seine Verteidigerin erkrankt war. Sein Verfahren wird zu einem anderen Zeitpunkt komplett neu beginnen. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft hatte der Statiker das eingestürzte Traggerüst viel zu schwach berechnet. Ein Gutachter hatte attestiert, dass das Traggerüst für den Betoniervorgang des geplanten neuen Brückenabschnitts nur ein Drittel der Traglast gehalten habe. Nötig sei jedoch ein Tragvermögen der doppelten Menge der zu erwarteten der Traglast von 1.500 Tonnen Beton gewesen. Laut Staatsanwaltschaft habe der Statiker keinerlei Stabilitätsnachweis geführt.

Diese "fatalen Fehler" bei der statischen Berechnung hätten jedoch den drei Prüfingenieuren auffallen müssen. Das ist aber laut Staatsanwaltschaft durch eine komplett fehlende Prüfung nicht geschehen. Es habe kein nötiges Abschlussgespräch stattgefunden. "Die Pflichten zur Prüfung seien vernachlässigt worden", sagte die Staatsanwaltschaft. Der Vertreter der Nebenklage bedauerte, dass die Angeklagten zu keinem Zeitpunkt gegenüber den verletzten Bauarbeitern ein Wort des Bedauerns geäußert hätten.

Antrag auf Befangenheit nicht stattgegeben

Das Gericht hatte am Dienstag alle dreizehn Anträge der Verteidigung abgelehnt. Diese hatte unter anderem gegenüber dem österreichischen Gutachter einen Befangenheitsantrag gestellt. Aus Sicht eines Verteidigers hätte der Experte für Stahlbeton- und Massivbau von der TU Wien unter anderem ein "fehlerhaftes" Gutachten erstellt. Der Sachverständige wäre voreingenommen, hätte das Gutachten auf "fragwürdige Zeugenaussagen" gestützt und hätte außerdem "Unterstellungen zu Lasten der Angeklagten" formuliert. Die Verteidiger hatten zudem beantragt, den mit seinem Verfahren abgetrennten ebenfalls angeklagten Statiker als Zeugen zu hören und einen weiteren Experten der Universität Aachen ein zusätzliches Gutachten erstellen zu lassen.

Vierzehn Verletzte, ein Toter

Bei dem Unglück am 15. Juni 2016 stürzten 15 Bauarbeiter über 20 Meter in die Tiefe. Ein 38-jähriger kroatischer Bauarbeiter starb bei dem Unglück. Seine Kollegen wurden zum Teil schwerstverletzt. Sieben von ihnen schilderten an einem der vorangegangenen Prozesstagen als Zeugen, dass sie seitdem nicht mehr arbeiten könnten und nur von einer Rente von rund 300 Euro lebten. Mancher von ihnen sei komplett ohne Einkünfte. Viele hatten vielfache Brüche und innere Verletzungen erlitten, die Betroffenen beklagen bis heute bestehende schwere Schmerzen. Einige hätten zudem mit den psychischen Folgen des Unfalls zu kämpfen. Diese reichten von Panikattacken bis zur Depression.

Mit Material von dpa.

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