Ein Bauzaun ist mit Graffiti dekoriert und versperrt den Blick auf ein leeres Grundstück.
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Stefan Puchner

Nichts soll mehr an die grauenvolle Tat erinnern: Auf Wunsch der Eltern wurde in Illerkirchberg die Flüchtlingsunterkunft abgerissen.

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Prozess beginnt: Tödliche Messerattacke in Illerkirchberg

Mord und versuchter Mord – so lautet die Anklage gegen einen 27-jährigen Mann aus Eritrea. Er soll zwei Schülerinnen mit einem Messer angegriffen haben. Nun beginnt der Prozess am Landgericht Ulm.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Schwaben am .

Ein Schmetterling, Herzen und Blumen sind auf den Bauzaun gemalt. Er versperrt den Blick auf das Gelände, wo noch vor wenigen Wochen eine Flüchtlingsunterkunft stand. Inzwischen ist sie abgerissen, so war es der Wunsch von Eces Vater. Nichts soll in Zukunft mehr an das erinnern, was sich hier an einem Dezembermorgen abspielte, als er durch ein tragisches Missverständnis seine Tochter verlor.

Ece stirbt im Krankenhaus

Die 14-Jährige ist zusammen mit ihrer Freundin auf dem Weg zum Schulbus. Als beide an der Asylunterkunft in Illerkirchberg vorbeilaufen, kommt ein Mann auf sie zu. Zunächst grüßt er kurz, dann sticht er unvermittelt auf die beiden Mädchen ein. Die 13-Jährige hat Glück im Unglück, die Waffe prallt auf eine Rippe und dringt nicht tiefer in den Oberkörper ein. Die Schülerin wird verletzt, aber nicht lebensbedrohlich und kann fliehen. Ihre Freundin hingegen wird von dem Mann zu Boden gestoßen. Mehrfach sticht er in Rücken, Hals und Hinterkopf. Das Mädchen erliegt kurz darauf in der Klinik seinen Verletzungen.

Suizidversuch des mutmaßlichen Täters

Die Polizei nimmt den Mann in seiner Unterkunft fest. Er ist selbst schwer verwundet und wollte sich nach der Tat offenbar mit seinem Messer das Leben nehmen. Die Beamten bringen ihn in das Justizvollzugskrankenhaus nach Hohenasperg. Vor allem eine Frage drängt sich auf: Welche Beweggründe hatte der Mann? Ein politisch oder religiös motiviertes Verbrechen können die Ermittler schnell ausschließen, auch eine mögliche Beziehungstat, denn die Opfer und der mutmaßliche Täter kannten sich nicht. Aufschluss gibt erst eine ausführliche Vernehmung des Mannes aus Eritrea, der 2015 nach Deutschland kam.

Wofür das Messer eigentlich gedacht war

Er gesteht, eines der Mädchen angegriffen zu haben, an die andere Tat könne er sich nicht mehr erinnern. Die Schülerinnen waren "tragischerweise zur falschen Zeit am falschen Ort" wie es die Staatsanwaltschaft Ulm formuliert. Denn eigentlich wollte der Mann mit dem Messer die Ausländerbehörde im Landratsamt Ulm unter Druck setzen. Sein Ziel war es, so die Ausstellung eines Passes zu erzwingen. Er hatte das Messer aus seinem Rucksack genommen, um es in seine Jackentasche zu stecken. Dabei, so seine Annahme, hätten ihn die Mädchen gesehen. Damit sie seinen Plan nicht vereiteln, beschließt er, sie zu töten.

Warum die Bürger besorgt sind

Viele Einwohner in der kleinen Gemeinde an der Grenze zu Bayern sind geschockt. Auch weil es nicht das erste schwere Verbrechen ist, das Geflüchtete im Ort verüben. 2019 hatten mehrere Männer ein damals 14-jähriges Mädchen vergewaltigt, sie wurden zu Gefängnisstrafen verurteilt. Bei einem Bürgerdialog Mitte Januar zeigten sich zahlreiche Bürger verunsichert, weil einer der Täter nach Verbüßung seiner Haft wieder in Illerkirchberg lebt. Väter und Mütter erklärten, ihre Kinder persönlich in die Schule zu bringen und dort wieder abzuholen, aus Sorge vor möglichen Übergriffen.

Eltern: "Tat nicht instrumentalisieren"

Die Eltern der beiden angegriffenen Mädchen wiederum mahnten, Verbrechen einzelner nicht zu instrumentalisieren. Auch weil Rechtsextreme sich gut eine Woche nach dem Messerangriff am Rathaus zu einer Demonstration versammelt hatten, um Plakate wie "Asylflut stoppen" hochzuhalten. Eine zahlenmäßig größere Gegendemonstration protestierte gegen "Hass und Hetze". Die Geschehnisse in Illerkirchberg hatten eine bundesweite Debatte um Asylpolitik ausgelöst. Während die einen davor warnten, einen Generalverdacht zu hegen, forderten andere eine konsequentere Abschiebung straffällig gewordener Migranten.

Rückkehr zur Normalität

Markus Häußler wünscht sich nichts sehnlicher, als dass in seiner Gemeinde wieder Ruhe einkehrt. "Die ganzen Erinnerungen und Emotionen werden sicher noch einmal hochkommen", kommentiert der parteilose Bürgermeister den Prozessauftakt am Landgericht Ulm. Weil ihn seit Monaten unzählige Presseanfragen erreichen, hatte er sich vorab nur in einem Interview mit der Nachrichtenagentur dpa geäußert. "Ich vertraue auf den Rechtsstaat, der in diesem Verfahren seine Funktionsfähigkeit unter Beweis stellen wird", so Häußler.

Insgesamt fünf Verhandlungstage sind für den Prozess angesetzt. Am Freitag soll erst einmal nur die Anklageschrift verlesen werden, so eine Pressesprecherin des Gerichts. Im Falle einer Verurteilung droht dem 27-Jährigen eine lebenslange Haftstrafe.

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