Post aus dem Vatikan: Sie und ihre Mutter erben einen Teil des Vermögens von Joseph Ratzinger.
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Post aus dem Vatikan: Sie und ihre Mutter erben einen Teil des Vermögens von Joseph Ratzinger.

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Wegen Klage gegen Benedikt: Papst-Verwandte schlägt Erbe aus

Das Erbe von Joseph Ratzinger birgt Sprengstoff: Denn wer das Erbe annimmt, muss sich auch einer Schadensersatzklage vor dem Landgericht Traunstein stellen. Es geht um den Umgang mit einem Missbrauchstäter. Eine Erbin hat nun ausgeschlagen.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Martina Holzinger hält einen Brief aus dem Vatikan in den Händen. Adressiert ist er an ihre 88-jährige Mutter, abgeschickt von Erzbischof Georg Gänswein. Er ist der Testamentsvollstrecker von Joseph Ratzinger, dem emeritierten Papst Benedikt XVI.

Die Mutter von Martina Holzinger ist eine Erbin Ratzingers. Denn sie und der verstorbene Papst sind Cousine und Cousin. Ihr entfernter Verwandter im Vatikan hatte Martina Holzingers Mutter laut dem Schreiben nicht explizit bedacht. Doch "gemäß der vatikanisch-italienischen Erbfolgeregelung", wie es in Gänsweins Brief heißt, der dem BR und dem Recherchezentrum Correctiv vorliegt, sind die nächsten Verwandten davon in Kenntnis zu setzen, dass sie als mögliche Erben in Frage kommen.

Erbe von Ratzinger: Viele Fragen noch offen

Unklar ist, wie viel es zu erben gibt und wie viele Erben sich dies dann teilen müssten. Im März sprach Gänswein von fünf Erben. Martina Holzinger hat keine Ahnung, wer das noch alles sein könnte. Dabei gäbe es wichtige Dinge zu besprechen. Denn es sei, so informiert der Testamentsvollstrecker weiter, eine Zivilklage am Landgericht Traunstein gegen Kardinal Joseph Ratzinger beziehungsweise Papst Benedikt anhängig, die sie ebenfalls erben würden.

Wer also das Geld haben will, muss sich dann auch an Ratzingers Stelle vor Gericht verantworten. Grund dafür ist eine Zivilklage eines Mannes, der angibt, als Kind vom Priester Peter H. missbraucht worden zu sein. Der Geistliche wechselte nach Übergriffen im Bistum Essen im Jahr 1980 nach München. Damals war Joseph Ratzinger Erzbischof von München und Freising. Die Klage richtet sich aber auch gegen seinen Nachfolger in diesem Amt, Kardinal Friedrich Wetter, sowie das Erzbistum München und Freising und gegen Peter H. selbst.

Missbrauchsskandal: Klage gegen Ratzinger wird auch vererbt

Das Erzbistum setzte den Geistlichen immer wieder in der Seelsorge ein, auch mit Kindern – selbst nachdem er vom Amtsgericht Ebersberg wegen Missbrauchs verurteilt wurde. Deshalb macht der Kläger nun vor dem Landgericht Traunstein Schadenersatzansprüche geltend. Ihm säße Martina Holzinger beziehungsweise ihre Mutter im Gericht gegenüber, wenn sie das Erbe antreten würde.

"Das ist ja wie im Film. Und ich selber arbeite in der Schule, mir liegen also Kinder sehr am Herzen und von daher bin ich da auch wirklich interessiert, dass solche Sachen aufgeklärt werden und dass etwaige Kläger zu ihrem Recht kommen", sagt Martina Holzinger.

Bei möglichem Urteil: Erben müssten zahlen

Sollte der Kläger Recht bekommen, könnten auch die Erben belangt werden. Martina Holzinger fürchtet, am Ende gar ins Minus zu geraten. "Es ist ja dann auch eine Erbschaftssteuer fällig plus selber noch einen Anwalt und ich will jetzt auch nicht drum bibbern, wie viel ich jetzt da draufzahle in Anführungszeichen", sagt Martina Holzinger. "Und ich bin ehrlich gesagt auch nicht interessiert an diesem Geld. Und wenn ich 'ich' sage, meine ich meine Mutter und mich."

Ob die anderen Erben auch abgelehnt haben, ließ Gänswein auf Anfrage unbeantwortet. Auch das Landgericht Traunstein kann noch keine Auskunft geben, wer die Erben seien, geschweige denn über deren Entscheidung, das Erbe anzutreten oder nicht. Sollten alle ablehnen, "wäre das Verfahren gegen den emeritierten Papst beendet", heißt es.

Klägeranwalt: Freistaat oder Vatikan in der Verantwortung

Der Klägeranwalt Andreas Schulz ist anderer Auffassung: Er behauptet, das Erbe gehe mitsamt der Klage dann an den Staat über, also den Freistaat oder den Vatikan. Doch zugleich bezweifelt Schulz, dass bis zum anberaumten Verhandlungsbeginn am 20. Juni alle persönlichen Erben ermittelt sein werden. Wegen der unklaren Erbverhältnisse wurde der Termin schon einmal verschoben.

Das will die Klägerseite nicht noch mal riskieren: Sie stellte den Antrag, das Verfahren gegen Ratzinger getrennt von den übrigen Beklagten zu führen. BR und Correctiv konnten das Schreiben einsehen. Dann könnte wenigstens der Prozess gegen Wetter, das Erzbistum München und Freising sowie den Priester H. am 20. Juni stattfinden, während die Frage nach den übrigen Ratzinger-Erben weiter der Antworten harrt.

Dieser Artikel ist erstmals am 01.06.2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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