Proteste in Iran, eine Frau hat sich bei einer Demonstration ihr Kopftuch vom Kopf gezogen.
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Im Iran gehen die Proteste gegen das Regime der islamischen Republik auch fast zwei Wochen nach dem Tod von Mahsa Amini weiter.

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Proteste im Iran dauern an – Nouripour fordert neue Sanktionen

Im Iran gehen die Proteste gegen das Regime der islamischen Republik auch fast zwei Wochen nach dem Tod von Mahsa Amini weiter. Mittlerweile starben dabei mehr als 70 Menschen. Grünen-Chef Nouripour fordert neue Sanktionen gegen den Iran.

Nach dem Tod von Mahsa Amini in Polizeigewahrsam sind im Iran am Dienstagabend erneut Demonstranten in mehreren Städten auf die Straße gegangen. Mehrere Frauen nahmen Medienberichten zufolge in verschiedenen Städten ihre Kopftücher ab. Ein Mann soll einen Banner des obersten geistlichen Führers des Iran, Ayatollah Ali Chamenei, angezündet haben. Aktivisten berichteten, dass es angesichts einer Internetsperre schwieriger werde, Videomaterial zu verbreiten.

Mehr als 70 Tote im Zusammenhang mit den Protesten

Die Sicherheitskräfte im Iran gehen gewaltsam gegen die Proteste vor. Bei den seit zwölf Tagen anhaltenden Protesten wurden laut Aktivisten bislang mindestens 76 Menschen getötet. Nach Angaben der in Oslo ansässigen Nichtregierungsorganisation Iran Human Rights (IHR) waren darunter auch sechs Frauen und vier Kinder. Die Polizei meldete der amtlichen Nachrichtenagentur Irna zufolge zehn tote Beamte.

Die Behörden erklärten am Montag, dass mehr als 1.200 Menschen festgenommen worden seien. Am Dienstag nahmen die Behörden die Tochter des ehemaligen Präsidenten Akbar Haschemi Rafsandschani im Osten von Teheran wegen Anstiftung zu Protesten fest, wie die Nachrichtenagentur Tasnim meldete. Die Frauenrechtsaktivistin Faezeh Hashemi war bereits mehrfach mit den Gesetzen der islamischen Republik in Konflikt geraten. Ihr Vater, der nach seiner Amtszeit zum Milliardär wurde, hatte sich für bessere Beziehungen zum Westen eingesetzt.

Tod der Kurdin Mahsa Aminin als Auslöser

Auslöser der landesweiten Proteste war der Tod der 22-jährigen Kurdin Mahsa Amini nach ihrer Festnahme durch die Sittenpolizei. Amini war am 13. September wegen des Vorwurfs festgenommen worden, das islamische Kopftuch nicht den strikten Vorschriften entsprechend getragen zu haben. Sie brach nach ihrer Festnahme unter ungeklärten Umständen auf der Polizeiwache zusammen und wurde drei Tage später im Krankenhaus für tot erklärt.

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Grünen-Chef Nouripour fordert neue Sanktionen gegen Iran

Die Demonstrationen im Iran sind am Mittwoch auch Thema einer Aktuellen Stunde im Bundestag. Grünen-Chef Omid Nouripour hat die Europäische Union zu neuen Sanktionen gegen Vertreter der iranischen Führung aufgerufen. "Die EU muss ihre Sanktionen gegen den Iran ausweiten", sagte Nouripour dem "Spiegel" (Mittwoch). Er forderte personenbezogene Sanktionen: "Beispielsweise könnten jene, die für die Niederschlagung der Proteste verantwortlich sind, persönlich belangt werden, unabhängig von ihrem Rang." Es sei nicht hinnehmbar, dass Vertreter der iranischen Elite ihre Kinder zum Studieren auf europäische Elite-Universitäten schickten. "Das muss aufhören."

Nouripour sagte, auch die Bundesregierung sei gefordert. "Auf nationaler Ebene müssen wir endlich dem "Islamischen Zentrum Hamburg" (IZH) das Handwerk legen: Dieses Zentrum ist das wichtigste Spionagenest des Regimes in Deutschland und bedrängt zudem viele Iranerinnen und Iraner hierzulande", sagte Nouripour. "Es ist wohl auch verantwortlich für das Ausspähen der Exil-Opposition. Der Leiter wird vom Regime aus dem Iran entsandt. Das Zentrum organisiert sogar Trauerfeiern für islamistische Kriegsverbrecher mitten in Deutschland", sagte der Grünen-Chef. "Es ist an der Zeit, das Treiben des IZH zu beenden." Das Islamische Zentrum Hamburg wird vom Hamburger Verfassungsschutz als extremistisch eingestuft. Die Behörde betrachtet das IZH als einen Außenposten Teherans in Europa.

Guterres: Iran soll auf "unverhältnismäßige Gewalt" verzichten

Die UN-Frauenorganisation UN Women sagte derweil den Frauen im Iran ihre Unterstützung zu. "Wir fordern die zuständigen Behörden auf, die Ausübung der kompletten Menschenrechte in einem sicheren Umfeld ohne Angst vor Gewalt, Anklage oder Verfolgung zu unterstützen und zu ermöglichen", hieß es in einer Mitteilung. Die Frauen müssten nach Unrecht protestieren dürfen, ohne Repressalien ausgesetzt zu sein. Sie hätten das Recht auf körperliche Autonomie, das beinhalte auch die Wahl ihrer Kleidung.

UN-Generalsekretär António Guterres forderte den Iran bei einem Treffen mit Präsident Ebrahim Raisi auf, auf "unverhältnismäßige Gewalt" gegen Demonstranten zu verzichten. Bei einem Treffen mit Raisi am Rande der UN-Generaldebatte in der vergangenen Woche habe Guterres zudem gefordert, Menschenrechte wie das Recht auf Meinungsfreiheit und das Recht auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit zu achten, erklärte sein Sprecher Stéphane Dujarric am Dienstag.

"Wir sind zunehmend besorgt über Berichte über einen Anstieg der Todesfälle im Zusammenhang mit den Protesten, darunter Frauen und Kinder", fügte der Sprecher hinzu. Guterres rufe die iranischen Sicherheitskräfte auf, "keine unnötige oder unverhältnismäßige Gewalt anzuwenden", und appelliere "an alle, äußerste Zurückhaltung zu üben, um eine weitere Eskalation zu vermeiden". Guterres forderte den Angaben zufolge auch eine "rasche, unabhängige und effektive Untersuchung" des Todes der 22-jährigen Mahsa Amini, deren Tod die Proteste im Iran ausgelöst hatte.

Sohn des letzten Schahs sieht Regierungssystem im Iran vor dem Sturz

Reza Pahlavi, der Sohn des 1979 gestürzten letzten iranischen Schahs, sieht in den anhaltenden Massenprotesten gegen die Regierung in Teheran ein Vorzeichen für eine Umwälzung. "Es ist meiner Meinung nach die erste Revolution für Frauen, durch Frauen", sagte der im Exil in den USA lebende Pahlavi der Nachrichtenagentur AFP. Die islamische Regierung in Teheran werde mit "hoher Wahrscheinlichkeit" nicht mehr lange im Amt sein, der Westen müsse sich darauf vorbereiten.

Er sage seit Langem, dass ein Umsturz im Iran "in wenigen Wochen oder in wenigen Monaten" passieren könne, ergänzte Pahlavi. Die Welt müsse "an eine Alternative denken." Er ergänzte: "Wir müssen die hohe Wahrscheinlichkeit in Betracht nehmen, dass dieses Regime nicht mehr lange existiert." Es sollte demnach eine "kontrollierte Implosion" stattfinden, mit einem sanften, friedlichen Übergang.

Der in einem großen Teil der iranischen Exilgemeinde respektierte Pahlavi betonte, er wolle aber nach einem Sturz der islamischen Republik keine Rückkehr der Monarchie im Iran. Pahlavi sprach sich stattdessen für eine verfassunggebende Versammlung aus, die dem Iran ein neues Grundgesetz geben solle. Es könne "keine echte demokratische Ordnung geben ohne eine klare Definition und Trennung von Kirche und Staat", sagte Pahlavi.

Im Umgang mit dem Kopftuch für Frauen sprach Pahlavi sich für Entscheidungsfreiheit aus. "Frauen können entscheiden, ein Kopftuch zu tragen oder nicht." Das solle aber eine "freie Entscheidung", sein und nicht "aus ideologischen oder religiösen Gründen aufgezwungen".

Mit AFP- und dpa-Material.

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