Symbolbild: Ein Pfarrer steht alleine vor den Kirchenbänken.
Bildrechte: picture alliance/dpa | Daniel Löb

Im Oktober wählen die evangelischen Kirchengemeinden in Bayern ihre neuen Vorstände. Die Suche nach Kandidaten hat begonnen.

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"Positiv angehen": Evangelische suchen neue Kirchenvorstände

Eine Besonderheit der evangelischen Kirche: Die Gemeinde wird nicht nur vom Pfarrer, sondern auch von einem von allen gewählten Kirchenvorstand geleitet. Im Oktober sind in Bayern Neuwahlen. Doch die Suche nach Kandidaten gestaltet sich schwierig.

Über dieses Thema berichtet: BR24 Infoblock am .

Rund 1.500 evangelische Gemeinden gibt es in Bayern insgesamt. Sie alle sind aufgerufen, bis Juni ihre Kandidaten zu finden, die sich zur Wahl der neuen Kirchenvorstände aufstellen lassen. Die Größe des Kirchenvorstandes hängt ab von der Größe der Kirchengemeinde. Außerdem müssen mindestens doppelt so viele Kandidaten benannt werden, wie es Plätze zu besetzen gilt. Viele Gemeinden stellt das vor eine große Herausforderung.

"Wir haben schon in den Gemeinden gefragt und haben einfach gemerkt: Das ist schwierig", erzählt Stefan Bonawitz. Der 64-Jährige ist Pfarrer in der unterfränkischen Pfarrei Lauertal, die zum Dekanat Schweinfurt gehört. Bereits bei der vergangenen Wahl 2018 habe die Gemeinde Probleme gehabt, auf die Mindestanzahl an Kandidaten zu kommen.

Zahl der Kandidaten hat dramatisch abgenommen

Kein Einzelfall. Seit der Jahrtausendwende sinkt die Zahl der Kirchenmitglieder stetig – und auch die Bereitschaft, sich selbst im Kirchenvorstand zu engagieren, hat dramatisch abgenommen. Das zeigt eine Auswertung der Zahlen der Landeskirche. Im Vergleich zur Kirchenvorstandswahl 2012 ist die Zahl der Kandidierenden bereits bei der letzten Wahl 2018 um ein Viertel geschrumpft. Für die anstehenden Wahlen im Herbst kein gutes Signal.

"Wir haben in jeder Gemeinde Menschen, die bereit sind, sich für ihre Kirchengemeinde zu engagieren und die da sehr aktiv sind, was uns sehr freut. Aber wenn es um die Arbeit in einem Gremium geht, da zucken manche zurück", sagt Pfarrer Stefan Bonawitz. Eine Hürde, die viele abschrecke, seien etwa die sechs Jahre Amtszeit.

Eine Hürde: Sechs Jahre Amtszeit

Das bestätigt auch Barbara Simchen. Die 46-Jährige ist in ihrer Münchner Gemeinde aktiv, gestaltet Kindergottesdienste mit und hat ihre Tochter im Kindergarten der Kirchengemeinde. Obwohl sie bereits engagiert ist, sagt sie: "Als berufstätige Mutter mit all den Aufgaben und Projekten, die man so nebenbei noch stemmen möchte, würde ich das zeitlich leider einfach gar nicht schaffen und ich bin froh, wenn ich das Kindergottesdienstteam punktuell einige Male im Jahr mit Kindergottesdiensten unterstützen kann."

Als engagiertes Kirchenmitglied stellt sie damit eher eine Ausnahme dar. Die letzten Erhebungen der evangelischen Landeskirche in Bayern haben gezeigt, dass sich kaum mehr sechs Prozent der Mitglieder ehrenamtlich betätigen. Die große Mehrheit ist passiv Mitglied der Kirchengemeinde.

Den Kontakt zur Kirche habe sie vor allem über ihre Kinder, bestätigt etwa auch Carolin Häfner-Weiß. "Also ich gehe gerne mal in Gottesdienste, wenn es die richtige Pfarrerin macht", sagt die 45-jährige Grafikdesignerin aus München. Doch als Kirchenvorstand zu kandidieren? "Ich hab mich nie wirklich damit auseinandergesetzt, ob ich auch mal Teil dessen werden wollen würde. Es ist vielleicht auch einfach ein Gebiet, was mich persönlich auch gar nicht so interessiert."

"KV-Fluencer" auf Instagram und YouTube

Um Kirchenmitglieder für eine Kandidatur zu gewinnen, stellt die Landeskirche eine Info-Website mit einem Wahl-o-Mat und Werbebanner zur Verfügung. Um die eigentliche Kandidatensuche müssen sich die Gemeinden aber selbst kümmern. Manche – wie im Dekanat Erlangen oder auch im Dekanat Fürth – haben sich bereits zu gemeinsamen Werbekampagnen auf Social Media zusammengeschlossen. Mit sogenannten "KV-Fluencern" – in Anlehnung an "Influencer" will etwa das evangelische Dekanat Erlangen mehr Leute erreichen. "KV" steht für Kirchenvorstand. Das erste Video auf YouTube ging vor gut einem Monat online. Knapp 200 Mal wurde es seitdem abgerufen.

Im Dekanat Fürth hofft man auf Instagram: Auf dem Kanal stadt.land.fürth_evangelisch machen derzeit noch amtierende Kirchenvorsteherinnen und Kirchenvorsteher Werbung für eine Kandidatur.

Was passiert bei zu wenigen Freiwilligen?

Doch was passiert, wenn nicht genug Kandidaten gefunden werden? Wenn die Wahl nicht stattfinden kann? In der evangelischen Kirche sind die Kirchenvorsteher genauso wichtig wie die Pfarrerinnen oder Pfarrer, wenn es um die Leitung der Gemeinde geht. Wofür wird das Geld ausgegeben? Wer wird eingestellt als Mesner? Wie viele Gottesdienste soll es an Weihnachten geben? An welche Firma wird der Auftrag für die Sanierung der Kirchentoilette erteilt? All diese Fragen entscheidet der Kirchenvorstand.

Die Landessynode hat in ihrer vergangenen Sitzung im Dezember bereits die Mindestanforderungen an die Wahl gesenkt. So kann im Notfall auch noch eine Wahl stattfinden, wenn sich auch nur ein Kandidat mehr aufstellen lässt, als zur Bildung eines Kirchenvorstands in der jeweiligen Gemeinde erforderlich sind.

"Also das ist wirklich eine Notlösung", sagt Martin Simon vom Amt für Gemeindedienst. Die Hürde der langen Dauer einer Amtsperiode bleibe trotzdem bestehen. Der Pfarrer berät Gemeinden in ganz Bayern vor der Kirchenvorstandswahl. "Und wenn das allzu sehr auf Kante genäht ist, die Besetzung des Kirchenvorstands, dann fehlen einem wahrscheinlich auf die lange Strecke, sechs Jahre, dann die Menschen, die sich im Kirchenvorstand engagieren, wenn dann ein oder zwei zurücktreten."

Um Kandidaten zu gewinnen, rät er den Gemeinden, nicht allzu sehr auf die sechs Jahre zu pochen. So könne jemand auch "erhobenen Hauptes sein Amt nach zwei Jahren niederlegen", wie er sagt.

Gemeindeberater rät zur Kooperation mit Nachbargemeinden

Denjenigen, die Schwierigkeiten hätten, überhaupt auf die Mindestzahl an Kandidaten zu kommen, rät Simon, sich schon im Vorfeld mit der Nachbargemeinde zusammenzutun. Denn: Wer am Ende nicht genug Kirchenvorsteher findet, muss sowieso mit den Nachbarn einen gemeinsamen Vorstand bilden. Das legt die Kirchengemeindeordnung so fest.

Diesen Rat beherzigt haben auch die acht kleinen Kirchengemeinden in Unterfranken, die zu Stefan Bonawitz' Pfarrei "Lauertal" gehören. Aufgrund von Kürzungen im Landesstellenplan wurden sie ohnehin schon zu einer Pfarrei mit einem gemeinsamen Pfarrer zusammengelegt. Theoretisch könnte aber jede einzelne der acht Gemeinden noch ihren eigenen Kirchenvorstand haben – wenn denn genug Kandidaten vorhanden wären.

Statt 40 Kandidaten muss Pfarrer Bonawitz dank der Kooperation nur noch 25 für die Wahl finden – die Anzahl wird in diesem Fall nach einer anderen Methodik festgelegt. Und das ist hat zur Folge, dass der Kirchenvorstand weniger Mitglieder braucht. Pfarrer Stefan Bonawitz ist daher ganz optimistisch, dass es so auch klappen wird.

Wichtigster Rat an Gemeinden: "Das Ganze positiv angehen"

Optimistisch bleiben: Das ist übrigens auch der erste Ratschlag, den Berater Martin Simon, den Gemeinden an die Hand gibt: "Das Ganze erstmal positiv angehen. Also wenn ich mit Trauermiene und mit Skepsis losziehe, nach dem Motto: Da findet sich eh niemand, dann wird’s auch ganz besonders schwierig werden."

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