Katharina Schulze und Hubert Aiwanger
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"Politisch vom anderen Ufer": TV-Duell mit Schulze und Aiwanger

Duz-Kollegen im Landtag, Kontrahenten im Wahlkampf: Das bayerische Rededuell vor bundesweitem ARD-Publikum zwischen der Grünen Schulze und Freie-Wähler-Chef Aiwanger nimmt dann Fahrt auf, wenn es um den Freistaat geht. Sogar der Wolf kommt vor.

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 1 am Morgen am .

Hubert Aiwanger (Freie Wähler) ist schnell in seinem Element. Denn über das "weltfremde" Heizungsgesetz spricht der bayerische Vize-Ministerpräsident in diesen Tagen fast noch lieber als über die vier großen W (Wasserstoff, Winnetou, Woke-Wahn und Wolf). In fast beiläufigem Ton attestiert der bayerische Wirtschaftsminister in der ARD-Sendung "Maischberger" seinem Bundeskollegen Robert Habeck (Grüne), er sei "ideologisch ferngesteuert" und habe sein eigenes Gesetz möglicherweise gar nicht richtig gekannt. "Dieses Gebäudeenergiegesetz ist von Anfang an Murks gewesen."

Grünen-Politikerin Katharina Schulze lächelt zwar ihr strahlendes Lächeln, muss in diesem bayerische Rededuell vor bundesweitem Publikum aber etwas tun, was sie eigentlich gern anderen überlassen würde: fast ausschließlich über die Ampel zu diskutieren, statt über landespolitisch relevante Wahlkampfthemen. Doch nachdem der Dienstag einen neuen Höhepunkt im Ampel-Streit über das Heizungsgesetz brachte, beschränkt sich Moderatorin Sandra Maischberger am Abend weitgehend auf Fragen zu Wärmepumpen und Habeck.

Applaus für Kritik an den Grünen

Vor einem Jahrzehnt hatte Aiwanger als Oppositionspolitiker auch mit einem möglichen rot-orange-grünen Bündnis geliebäugelt, um der CSU-Dauerherrschaft im Freistaat ein Ende zu bereiten. Heute, als Juniorpartner der CSU, setzt er auf ein Dauerfeuer auf die Grünen, um eine Neuauflage der Koalition zu sichern. Auch bei "Maischberger" gibt's für Aiwanger Applaus und "Jawoll"-Rufe, wenn er den Grünen Selbstgerechtigkeit, Ideologie und Eigentumsfeindlichkeit vorwirft.

So herrscht zwischen ihm und seiner Duz-Kollegin Schulze bei "Maischberger" dann die größte Einigkeit, wenn beide gleich zu Beginn ihre Uneinigkeit feststellen. Schulze trete "überzeugt auf", stellt der Freie-Wähler-Chef fest. "Ich mag sie menschlich, aber politisch sind wir eben vom anderen Ufer." Die Grünen-Abgeordnete ergänzt: "Beim Spezi können wir uns gut unterhalten - politisch sind wir doch ein bisschen weiter entfernt."

"Endzeitstimmung" in Deutschland?

Im Zusammenhang mit dem Gebäudeenergiegesetz werfen sich beide Politiker wechselseitig vor, Angst in der Bevölkerung zu schüren. Aiwanger beklagt, das von den Grünen geplante Verbot, ab 2024 neue Öl- und Gasheizungen einzubauen, produziere "Endzeitstimmung". Die Leute hätten Angst vor dem 1. Januar 2024 und würden aus dieser Angst heraus, jetzt noch schnell neue Ölheizungen kaufen.

Schulze gibt den Vorwurf postwendend zurück. Ja, auch die Kommunikation der Ampel-Regierung hätte ihrer Meinung nach zwar ein "bisschen besser sein können", Angst sei den Menschen aber von der anderen Seite gemacht worden - mit Schlagwörtern wie "Heizungsverbot".

Von hohen Sanierungs- und steigenden Heizkosten

In der Sendung bleibt die Entscheidung dem Zuschauer überlassen, was ihm mehr Sorgen bereitet: Die Warnung vor hohen Sanierungs- oder vor steigenden Heizkosten. Aiwanger kritisiert, die Ampel wolle den Menschen "Kosten ohne Ende ans Bein binden" - denn "die kleinen Leute mit dem kleinen Häuschen" müssten für den Einbau einer Wärmepumpe "jetzt 100.000 Euro in die Sanierung investieren". Im Altbau würden "Kosten verursacht, die teilweise höher sind als das ganze Haus noch wert ist".

Schulze wiederum betont, dass das Heizen mit Öl und Gas in Zukunft deutlich teurer werde, als eine Wärmepumpe zu verwenden. "Da gibt es sehr unterschiedliche Berechnungen", aber sie habe kürzlich gelesen, dass der Kostenunterschied bei einem Einfamilienhaus rund 23.000 Euro betragen könne. "Das heißt, wer jetzt den Bürgerinnen und Bürgern sagt, baut weiter Öl- und Gasheizungen ein, lässt sie sehenden Auges in eine Kostenfalle laufen."

"Kurz über Bayern reden"

Leidenschaftlicher wird die Debatte, wenn es doch mal um die Belange des Freistaats geht. Jetzt müsse man mal "kurz über Bayern reden", verlangt Schulze. Bayern sei das "Energie-Sorgenkind der Republik." Schon vermutet Aiwanger, die Grünen-Politikerin wolle nun das Thema Windräder anbringen, doch Schulze stellt klar: "Nein, ich bringe nicht die Windräder. Ich bringe dein Beispiel: Wie du ganz vorne mit dran gegen die Stromleitungen vom Norden in den Süden gekämpft hast", sagt sie und erläutert: "Sein Ausdruck war immer 'Monstertrasse'".

Dieser Widerstand von Aiwanger und der CSU sei ein Problem - denn die im Norden produzierte erneuerbare Energie müsse in den energieintensiven Süden geleitet werden. Darüber hinaus sei in Bayern Windkraftausbau verschleppt worden, und die CSU habe die Wasserkraftwerke "verscherbelt". Bayern müsse den Ausbau der erneuerbaren Energien beschleunigen. Aiwanger ist freilich der Meinung, das schon längst zu tun.

Winnetou muss warten

Als Aiwanger der Grünen-Fraktionschefin mehrfach ins Wort fällt, kommt ihr Maischberger zur Hilfe: "Sie merken aber schon, dass Frau Schulze Sie ausreden lässt...?" Insgesamt aber wirken beide Kontrahenten sehr bemüht um eine eher ruhige und sachliche Debatte. So konstatiert die Moderatorin gegen Ende der 25-minütigen Diskussion, dass beide "so freundlich" miteinander umgehen.

Zwei seiner landespolitischen Lieblingsthemen bringt auch Aiwanger noch unter - seinen Kampf gegen den Wolf und für das Brennholz. Die Grünen seien übergriffig gegenüber der Landbevölkerung, bemängelt er. "Sie sagen, was sie tun darf und was sie nicht mehr tun soll - sollen kein Brennholz mehr heizen, sollen den Wolf toll finden." Schulze schaut erst grimmig, ringt sich dann aber ein Lachen ab: "Weil das Hubert Aiwangers ständige Schallplatte ist, wenn er über uns Grüne redet".

Wer auf einen munteren Schlagabtausch über Drag-Queen-Lesungen, das Gendern und Winnetou gehofft hatte, wird von Maischberger auf die Zukunft vertröstet. Den "großen Bereich" der "kulturellen Unterschiede" habe sie an diesem Abend nicht untergebracht, sagt die Moderatorin und will wissen, ob beide dafür wiederkommen würden. Es folgt ein weiterer Moment der Einigkeit - "gerne", sagen beide und lächeln einträchtig.

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