In Bayern sollen sich Pflegekräfte demnächst registrieren lassen müssen
Bildrechte: picture alliance/dpa | Marijan Murat

In Bayern sollen sich Pflegekräfte demnächst registrieren lassen müssen

Per Mail sharen
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

Pflegefachkräfte in Bayern sollen sich bald registrieren müssen

Wie viele Pflegekräfte arbeiten in Bayern? Und wo genau? Das sind Fragen, die aktuell nicht beantwortet werden können. Per Gesetz will die Staatsregierung Pflegekräfte verpflichten, sich zu registrieren. Die SPD findet den Entwurf unausgegoren.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Ungefähr 200.000 Pflegekräfte sind in Bayern tätig. Etwa 120.000 von ihnen haben eine dreijährige Ausbildung absolviert. Das sagt Georg Sigl-Lehner von der Vereinigung der Pflegenden in Bayern. Die Wörtchen "ungefähr" und "etwa" sind dabei allerdings entscheidend. Denn die Zahlen beruhen lediglich auf einer Annahme.

Zahl der Pflegekräfte in Bayern ist nur eine Schätzung

Keiner weiß wirklich, wie viele Pflegekräfte im Freistaat tätig sind. Wo genau sie arbeiten. Und: wie lange sie bereits oder voraussichtlich noch arbeiten oder wie sie qualifiziert sind.

Bayerns Gesundheitsministerium will das ändern. "Mit dem Berufsregister erhalten wir in Bayern künftig ein klares Bild etwa über die Anzahl, die Altersstruktur oder das Qualifikationsniveau von Pflegefachkräften in einzelnen Regionen", heißt es aus dem Ministerium. Damit könne man wichtige verlässliche Voraussagen für die Zukunft treffen. Schon vor Monaten hat das Gesundheitsministerium einen Gesetzentwurf ausgearbeitet, der Pflegekräfte verpflichtet, sich registrieren zu lassen.

Registrierungspflicht bei Pflegenden-Vereinigung

Mit den abgefragten Daten, könne man "nicht nur Versorgungsrisiken und Versorgungslücken" erkennen, sondern auch den Bedarf an Aus-, Fort- und Weiterbildungen ableiten, so die Hoffnung im Ministerium. Georg Sigl-Lehner von der Vereinigung der Pflegenden erwartet, dass die Pflege damit einen Professionalisierungsschub bekommt. All das soll der drohenden Versorgungslücke in der Pflege entgegenwirken.

Registrieren lassen müssten sich die Pflegekräfte laut Gesetzentwurf bei der Vereinigung der Pflegenden in Bayern (VdPB) – also der Interessenvertretung, der Georg Sigl-Lehner vorsteht. Sie ist anders als die Pflegekammern in einigen Bundesländern als freiwillige Vereinigung organisiert und wird vom Staat finanziell gefördert. Aktuell gehören der Vereinigung, die sich 2017 gegründet hat, rund 4.000 Mitglieder an. Ein Bruchteil also nur der geschätzt 200.000 Pflegekräfte.

Wie unabhängig ist die Vereinigung der Pflegenden?

Hier setzt die Kritik von Ruth Waldmann an. Die Gesundheitsexpertin der SPD im Bayerischen Landtag ist überzeugt: Die Pflegekräfte fühlten sich von der Vereinigung nicht entsprechend vertreten, weil diese dem Gesundheitsministerium nahestehe, und damit die Interessen der Pflegenden nicht ausreichend gut vertreten könne.

Waldmann kritisiert zum Beispiel, dass der Gesetzentwurf vorsieht, dass eine Berufs- und Weiterbildungsordnung von einem durch das Ministerium besetzten Expertengremium ausgearbeitet werden soll. Bei anderen Interessenvertretungen – etwa bei der Ärzte- oder Anwaltskammer – sei man unabhängiger. Sigl-Lehner von der VdPB widerspricht: Er könne sich an "keine Gängelung durch die Staatsregierung" erinnern.

Pflegebranche: Berufstandsvertretungen haben es schwer

Die SPD-Gesundheitspolitikerin Waldmann fragt sich zudem, wie die Registrierungspflicht am Ende durchgesetzt werden soll. Sie verweist auf andere Bundesländer, in denen Pflegekammern mangels Interesse krachend gescheitert seien. Anders als bei der bayerischen Vereinigung der Pflegenden, war dort die Mitgliedschaft für Pflegekräfte verpflichtend.

Bayerns Gesundheitsministerium antwortet auf Nachfrage zurückhaltend: Die Registrierungspflicht solle nicht mit Bußgeldern durchgesetzt werden. Bei einem Verstoß gegen die Anzeigepflicht könnten unter Umständen aber berufsrechtliche Maßnahmen drohen. Man setze aber auf eine gute Kommunikation der VdPB und rechne mit viel Vorlauf. Denn, so ein Ministeriumssprecher: "Die Erfahrungen aus den anderen Ländern" würden belegen, "dass die Berufsgruppe auf Zwang mit großer Zurückhaltung reagiert".

Registrierungspflicht: ein Fall für den Datenschutzbeauftragten?

Ein anderer Kritikpunkt ist der Datenschutz. SPD-Gesundheitspolitikerin Waldmann geht davon aus, dass der Gesetzentwurf dem nicht standhält. Weil sich die Pflegekräfte zwar mit Namen, Adresse, Geburtsdatum, konkreter Berufsbezeichnung und Weiterbildungen bei der VdPB registrieren würden – dann aber das Gesundheitsministerium mit diesen Daten arbeite.

Eine Sorge, die die zuständige Behörde auf BR24-Anfrage teilweise ausräumt: Aus der Geschäftsstelle des Landesdatenschutzbeauftragten heißt es, dieser habe zwar einige Hinweise "zur Optimierung des Gesetzentwurfs" gegeben. Der Einrichtung eines Berufsregisters sei er aber "nicht grundsätzlich entgegengetreten".

Expertenanhörung an diesem Dienstag im Landtag

Der Appell von VdPB-Präsident Georg Sigl-Lehner an die Politik ist, "dass das Thema nicht parteipolitisch betrachtet wird und alle an einem Strang ziehen". "Es muss etwas werden", sagt auch Ruth Waldmann von der SPD. Sie unterstützt den Plan, herauszufinden, wie viele Pflegekräfte es gibt, und auch, dass diese eine Interessenvertretung haben. Aber: Die Pflegenden bräuchten eine Vertretung auf Augenhöhe, der sie vertrauen könnten. Und da seien "bei diesem Gesetzentwurf eben noch Fragen offen", so Waldmann.

Gemeinsam mit den Grünen hat sie deshalb eine Expertenanhörung im Landtag gegen den Widerstand der Regierungsfraktionen durchgesetzt. Zu der Befragung werden an diesem Dienstag zehn Pflege- sowie Rechtsexperten im Landtag erwartet.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!