In den Ammergauer Alpen bei Altenau pflegen die Freiwilligen einen Steig für Jäger
Bildrechte: Dominik Schlederer

In den Ammergauer Alpen bei Altenau pflegen die Freiwilligen einen Steig für Jäger

Per Mail sharen
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

Pflanzen statt kleben - wie Freiwillige den Wald klimafit machen

Eine Woche ist den Teilnehmern des Bergwaldprojekts die Rettung des Waldes wert. Statt am Strand zu brutzeln, schwitzen sie in den Ammergauer Alpen bei Pflanz- und Pflegearbeiten und lernen dabei viel über das Ökosystem.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Oberbayern am .

Es ist heiß, die Luft steht, wenigstens spenden die Bäume Schatten. Klimaretter zu sein ist ganz schön anstrengend. 18 freiwillige Helfer schwitzen. Mit Hacken pflegen sie einen Steig, der zugewachsen ist. Auf den ersten Blick erschließt sich nicht, warum das den Bäumen im Bergwald beim Klimawandel helfen soll. Doch Hendrik von Riewel vom Bergwaldprojekt leitet nicht nur die Gruppe, er ist auch Förster und liefert den nötigen Input.

Freiwillige Helfer leisten Arbeiten, für die es sonst weder Zeit noch Personal gäbe

Er zeigt auf eine mickrige Weißtanne. Dank ihrer langen Pfahlwurzeln sei sie der ideale Baum für längere Trockenperioden. In Aufforstungsprojekten werden die Weißtannen zwischen dem Baumbestand angesiedelt. Doch die kleine Weißtanne ist geschädigt, Wild hat ihre Krone zerbissen. Klar, Verbissschutzmittel hält Tiere ab, aber auch ein anderer Faktor ist wichtig: Jetzt kommt die Arbeit der Helfer vom Bergwaldprojekt ins Spiel. Der kilomterlange Steig, der von ihnen gepflegt wird, ist keiner für Wanderer, sondern für Jäger. Von Riewel erklärt, dass die Wildpopulation reguliert werden müsse, um den jungen Weißtannen einen Chance zu geben. Doch ohne Steige ist es für die Jäger schwierig, im steilen Gelände voranzukommen.

Somit leisten die Helfer indirekt einen wichtigen Beitrag für den Bergwald. Im Forstbetrieb gäbe es für solche Steigarbeiten weder Personal noch Zeit, stellt von Riewel klar.

Bildrechte: Dominik Schlederer
Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Eine stark vom Wild verbissene Weißtanne.

Urlaub, der einen Mehrwert bringt

Die Teilnehmer kommen aus ganz Deutschland. Eine Woche lang leben und arbeiten sie zusammen. Geschlafen wird in Hütten oder in Zelten, für Verpflegung ist gesorgt, sogar beim Arbeitseinsatz im Wald. Hier wird schon seit längerem auf rein vegane Ernährung geachtet. Auch, um den Teilnehmern neue Anreize zu bieten. Viele sind "Wiederholungstäter", wie sie sagen.

Jens aus Dresden war schon 16 Mal dabei. Er war schon von der Nordsee bis zu den Alpen unterwegs und hat geholfen. Er schwärmt von dem besonderen Spirit, der bei so einer Arbeitswoche entsteht. Letztlich seien alle Helfer auf einer Wellenlänge. Jeder opfere seine Zeit, um etwas für die Umwelt zu tun und auch mehr über das Ökosystem zu lernen. Normalerweise sitzt Jens viel am Computer. Er ist Betriebswirt und zuständig für den Einkauf bei einer Firma. Der Arbeitseinsatz im Bergwaldprojekt ist da ein krasser Gegensatz, der ihn aber immer wieder erdet.

Ganz anders bei Janina aus dem Emsland. Sie kümmert sich in ihrem Job um die Renaturierung von Mooren. Ihr macht einfach die Arbeit in der Natur, für die Natur, Spaß. Sie hätte sich auch einen Bergurlaub buchen können, doch die Kombination von Arbeit und dem Kennenlernen von neuen Gleichgesinnten sei für sie viel sinniger, gesteht sie. Trotz der Arbeit bleibe genug Zeit, das Bergpanorama zu genießen. Auch Janina war deshalb schön öfter dabei.

Sarah aus Würzburg macht dagegen zum ersten Mal mit. Ihr ist es ein Anliegen, nicht nur über Klimawandel zu reden, sondern sie will aktiv etwas machen. Jakob aus Berlin genießt es, einfach aus der Stadt herauszukommen. Das was er hier lernt, sei viel lebensnaher und transparenter als jedes Buch oder jeder Film.

Bildrechte: Dominik Schlederer
Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Eintopf für neue Power - die Helfer werden bei ihrem Arbeitseinsagut versorgt

Teilnehmer werden zu Multiplikatoren in Sachen Klimaschutz

Über 85.000 Freiwillige haben seit 1987 beim Bergwaldprojekt teilgenommen. Im Zuge dessen wurden mehr als fünf Millionen Bäume gepflanzt, Hunderte Hektar Wald und Biotope gepflegt, Schutzwälder saniert, viele Wildbäche renaturiert und Dutzende Hochmoore wiedervernässt. Bei jedem Projekt gehen Gruppen in den Wald und bilden sich weiter. Außerdem helfen sie aktiv dabei, Wälder an steigende Temperaturen und Extremwetter anzupassen. Das ist die Idee, die aktueller denn je sei, erklärt Hendrik von Riewel.

Ins Leben gerufen wurde das Projekt von der bayerischen Forstverwaltung. Inzwischen gibt es aber Programme in Wäldern in ganz Deutschland. Bei den Projekten geht es nicht nur darum, den Wald aufzuforsten, sondern besonders um die Weiterbildung in Sachen Umwelt bei den Teilnehmenden. Die Motivation zur Veränderung von Umweltweltproblemen und das neu erlangte Wissen, was mit nach Hause genommen wird, soll auch dem Umfeld der Teilnehmer des Bergwaldprojekts zu Gute kommen, sagt Hendrik von Riewel. Jeder kann so zum Multiplikator werden und einen wichtigen Beitrag leisten.

Schwitzen statt kleben: Auch das Bergwaldprojekt will wachrütteln, aber anders

Das Bergwaldprojekt will wachrütteln, aber versucht das über Aufklärung und eine positive Herangehensweise, das unterscheide sie auch deutlich von der "Letzten Generation". Jedoch das Ziel sei das Gleiche - ein Umdenken in Gesellschaft und Politik erreichen, so Hendrik von Riewel. Als Förster kann er bestätigen: Der Wald leidet und mittlerweile sei es schon fünf nach zwölf.

Er schildert den Teilnehmern, wie dramatisch die Situation etwa im Harz sei. Der Wald sterbe vor unseren Augen und jeder, der da tatenlos zuschaue, mache sich mitschuldig. Die "Klimakleber" seien nur die Konsequenz, meint Janina. Viele Menschen würden sich nicht für die Umwelt interessieren, das sei schade, und letztlich brauche es dann vielleicht solche Aktionen, um die Gesellschaft wachzurütteln. Auch für Sarah ist die Radikalisierung in der Klimadiskussion ein Hilfeschrei. Doch statt sich wo festzukleben, packen die Teilnehmer im Bergwaldprojekt lieber an, um den Wald klimafit zu machen und da spürt jeder am eigenen Leib, wie anstrengend und schweißtreibend Klimaschutz sein kann.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht's zur Anmeldung!